Agrar- und Ernährungswirtschaft

Schon immer nachhaltig

10.01.2024
Autor: Bernhard Feldhaus

Vor rund 100 Jahren begannen das Erden- und Substratwerk Tabeling in Vechta und das Torfwerk Haskamp in Lohne mit dem Abfüllen von Torf. Die daraus hervorgegangene Hawita Gruppe steht nun vor dem vermutlich größten Umbruch der Unternehmensgeschichte. Denn auf dem Weg zur Klimaneutralität soll der Torfabbau mittelfristig eingestellt werden. Im Interview erklärt Hawita-Geschäftsführer Simon Tabeling, wie groß diese Herausforderung für die Branche ist und wie sie gemeistert werden kann.

ÄUßERT BEDENKEN Hawita-Geschäftsführer Simon Tabeling hält einen schnellen Stopp des Torfabbaus aufgrund des Mangels an Ersatzstoffen nicht für möglich und auch aus ökologischen Gründen für nicht erstrebenswert.

Herr Tabeling, wenn es um Klimaschutz geht, ist häufig auch von Moorschutz die Rede. Worum geht es da überhaupt?

In Mooren ist viel CO2 gespeichert, das freigesetzt wird, wenn sie entwässert werden. Daher macht es Sinn, zwischen intakten Hochmooren und bereits entwässerten Mooren zu unterscheiden. Intakte Hochmoore gibt es in Deutschland nur noch sehr wenige. In Nordwestdeutschland wurden die Moore trockengelegt, um Flächen für die Landwirtschaft zu gewinnen. Torf wurde hier zunächst vor allem energetisch verwendet. Jeder Landwirt hatte seine kleine Parzelle für den Torfabbau zur Brennstoffgewinnung. Später wurde der Abbau industrialisiert und der Torf für den Pflanzenbau genutzt. 
Aber heute ist der Torfabbau in Mooren doch reglementiert? 

Der Moorschutz hat in Niedersachsen eine lange Tradition. Bereits in den 1980er-Jahren hat die Torfindustrie gemeinsam mit der Landesregierung und Nichtregierungsorganisationen das niedersächsische Moorschutzprogramm entwickelt. Seitdem ist geregelt, dass Torfabbau nicht mehr in intakten Hochmooren möglich ist, sondern nur noch auf bereits entwässerten Flächen. Zudem müssen wir die abgetorften Flächen wieder vernässen und renaturieren. Das ist über die verschiedenen Abbaugenehmigungen klar geregelt. Hawita macht das aber nicht nur hier in Deutschland, sondern auch im Baltikum. 

Trotz der Vorschriften werden nun aber die Stimmen lauter, die den Torfabbau ganz verbieten möchten?

Ja, vor ein paar Jahren brachte unsere damalige Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner den Verzicht auf Torf ins Spiel. Dabei sollte man bedenken, dass das nicht automatisch eine Renaturierung bedeutet. Denn eine vernünftige Renaturierung, das haben auch die Nichtregierungsorganisationen mittlerweile erkannt, gelingt nur, wenn die trockengelegte Fläche bis auf eine Restmoorauflage von rund 50 Zentimetern abgetorft wird und sie dann ordnungsgemäß wieder vernässt wird. Dazu zählen neben dem richtigen Wasserstand auch die regelmäßige Entfernung störender Pflanzen. Das ist viel Arbeit, aber nur dann ist wieder ein Moorwachstum zu erreichen. Im Diepholzer Moor haben wir das dank unserer jahrelangen Expertise auf vielen Flächen geschafft. 

Selbst wenn man wollte, wäre es also nicht sinnvoll, den Torfabbau sofort zu stoppen und einfach die Flächen sich selbst zu überlassen? 

Nein, das macht keinen Sinn. Wir erreichen dann zwar eine CO2-Bindung, aber nur für den noch vorhandenen Moorkörper. Hinzu kommt, dass der Effekt viel geringer wäre als gedacht, da immer noch mit veralteten Zahlen operiert wird. Torf wird von der Branche in Deutschland nur auf rund 8.000 Hektar abgebaut und nicht auf einer Fläche von 28.000 Hektar. Der Anteil der gärtnerischen Nutzung von Torf an den emittierten klimarelevanten Gasen aus den Mooren beträgt deshalb hierzulande nur rund 4,2 Prozent. Der größte Teil der insgesamt rund 1 Million Hektar Moorfläche in Deutschland wird land- und forstwirtschaftlich genutzt. Wenn aber auf einer Moorfläche Ackerbau betrieben wird, dann reduziert sich die Moorauflage jedes Jahr Pi mal Daumen um zehn Zentimeter – mit den entsprechenden CO2-Emissionen. Deswegen entstehen über 90 Prozent der Emissionen aus den Mooren durch die landwirtschaftliche Nutzung. Ein Verzicht auf den Abbau und die gärt­ne­rische Nutzung des Torfes würde die CO2-­Emissionen also nicht verhindern, denn die bereits entwässerten Moorböden würden über die Zeit der fortgesetzten landwirtschaftlichen Nutzung ohnehin die gleichen Mengen an Treibhausgasen freisetzen. 

Was bedeutet denn das Torfverbot für die Branche? 

Bislang gibt es kein Torfverbot. Es gibt eine freiwillige Selbstverpflichtung der Branche zur Torfminderung. Bis 2025 soll der Anteil von Torfersatzstoffen im Hobby-Bereich auf 50 Prozent und im Profi-Bereich auf 20 Prozent erhöht werden. Diese Zielwerte sind bereits erreicht. Auch Hawita ist diesbezüglich im Flow. In einem zweiten Schritt sollen Hobbyerden dann bis 2030 mindestens zu 70 Prozent aus Torfersatzstoffen bestehen, Profisubstrate zu 30 Prozent. Das ist für die Branche nach wie vor eine Herausforderung. 

Warum? Ist die Torfreduzierung denn so schwierig? 

Torf bietet für Kultursubstrate nicht nur eine perfekte Grundlage, es ist auch ein in der Masse kaum zu ersetzendes Produkt. Man darf ja nicht vergessen: Wir produzieren in Deutschland branchenweit zwischen sieben und zehn Millionen Kubikmeter Substrate! Darin muss Torf durch Alternativstoffe ersetzt werden. Dabei stellt sich die Frage, welche machen überhaupt Sinn und wie gut verfügbar sind sie? Wie sieht die Umweltbilanz aus? Ein gutes Substitut für Torf sind zum Beispiel Kokosprodukte, die allerdings nicht in Deutschland produziert werden und einen relativ langen Transportweg haben. Zudem benötigt man für die Produktion vor Ort, also beispielsweise in Sri Lanka, das dort knappe Gut Wasser. Deswegen sind Kokosprodukte aus meiner Sicht bestenfalls ein Teil der
Lösung. 

Die Substrate bestehen doch heute auch schon nicht mehr ausschließlich aus Torf? 

Ja klar, wir produzieren in Lauterbach schon seit über 50 Jahren fermentierte Rinde und setzen schon lange und zuletzt deutlich vermehrt Vulkanton ein. Darüber hinaus verwenden wir eine Vielzahl von Zuschlagstoffen, zum Beispiel Holzfasern ebenso wie Grünkompost und Kokos. Trotzdem können wir den Torf in der benötigten Menge damit nicht ersetzen. Hinzu kommt, dass die Substitute nicht so perfekt sind wie Torf. Produkte, die wie Grünkompost viel mit Wasser zu tun haben, haben einen großen Nachteil: Sie sind schwer, was beim Transport ein Problem ist. Denn wenn weniger auf einen Lkw passt, kostet das mehr und die CO2-Bilanz verschlechtert sich. 

Merkt man denn noch einen Unterschied zwischen normalen und torffreien Substraten? 

Der Hobby-Gärtner sicherlich nicht, die Erden sind heute schon super. Im Profi-Bereich sind Nährstoffschwankungen allerdings nicht optimal, denn sie können zu einem unregelmäßigen Wachstum in der Kultur führen. Sobald ich dort mit Rohstoffen arbeite, in denen Nährstoffe enthalten sind wie beispielsweise Kompost, dann kann ich Schwankungen als Hersteller gar nicht vermeiden. Dafür müssten wir immer das gleiche Substitut aus den gleichen Quellen bekommen, mit immer gleichbehandelten und vor allem nicht gedüngten Pflanzen. Das ist sehr schwierig. 

Gibt es denn Rohstoffe, die sich besser eignen, insbesondere für den Profibereich?

Wir beschäftigen uns sehr intensiv mit dem Thema und machen etliche Versuche, damit wir auch künftig den Qualitätsstandard anbieten können, den unsere Kunden von uns gewohnt sind. Gerade in der Forschung und Entwicklung sind wir durch unsere Fusion mit der Group DC viel schlagkräftiger geworden. Die Forschungsabteilung unserer belgischen Partner ist in Sachen Nachhaltigkeit sehr gut aufgestellt und wird uns bei der Transformation zu torffreien Produkten in den nächsten Jahren enorm voranbringen.

Ein Teil der Lösung, der auch hier in Deutschland produziert werden kann, ist zum Beispiel Miscanthus, das wir bereits auf Versuchsflächen anbauen. Aber wir glauben nicht daran, dass es in Zukunft nur einen Ersatzstoff für Torf geben wird. Es werden aus unserer Sicht viele verschiedene sein. Denn jeder Rohstoff hat seine Vor- und Nachteile, das macht es komplizierter. Dank der immer gleichguten Eigenschaften von Torf kann man damit nach Rezept das perfekte Substrat herstellen, das ein Gärtner für die Kultur mit der jeweiligen Gießwasserqualität in seiner Gärtnerei benötigt. Mit dem Wechsel vom Torf zu verschiedenen Substituten wird der Beratungsbedarf durch unseren Außendienst oder Experten steigen, die genau sagen können, was passiert, wenn zum Beispiel mehr Holz im Substrat ist. Oder was man bei großen Nährstoffschwankungen tun muss, die man unweigerlich bei viel Kompost im Substrat hat. 

Wie sieht das mit den Kosten bei Ersatz­stoffen aus? Die Branche steht ja in Konkurrenz mit anderen Abnehmern, zum Beispiel bei Holzfasern. 

Wir müssen uns damit abfinden, das Torf­ersatz dauerhaft mehr Geld kosten wird. In der Schweiz und bei vielen Einzelkunden in Deutschland haben wir bereits in größerem Umfang Erfahrung mit torffreien Substraten gesammelt. Das funktioniert, aber eben nur zu einem wesentlich höheren Preis. Denn zum einen steigt der Analyse- und Beratungs­bedarf. Zum anderen kosten die Substitute beim Einkauf häufig mehr.

Wenn wir aufgrund der Konkurrenzsituation mit anderen Branchen mehr bezahlen müssen, dann müssen wir das natürlich auch weitergeben. Kunden, die höchste Qualität möchten, werden die auch in Zukunft bekommen. Aber sie hat eben ihren Preis. Ich möchte allerdings noch einmal betonen: Für die ganze Substratebranche kann der Verzicht auf Torf nicht von heute auf morgen funktionieren, da die Ersatzstoffe gar nicht in ausreichenden Mengen auf dem Markt verfügbar sind. 

Aber bedeutet die Knappheit nicht auch eine Chance für die Substratehersteller?

Selbstverständlich. Als Hersteller müssen wir nachrüsten und eigene Systeme aufbauen. Wir haben bereits viel Geld in die Hand genommen und haben uns beispielsweise in Vechta, wo wir über fünf Millionen Euro investiert haben, auf die neuen Gegebenheiten eingestellt. Wir sind jetzt in der Lage, mehrere unterschiedliche Ausgangsstoffe auf­zubereiten und zu handeln. Das ist auch ein Bekenntnis zum Standort und ganz sicher eine Investition für die nächsten zehn bis
15 Jahre. In Lauterbach sind wir auch gerade dabei, die Mischanlage in entsprechender Weise zu erneuern. Dort haben wir zudem eine Mega-Box-Anlage installiert und den Bereich der Abfüllung modernisiert. 

Welchen Stellenwert hat denn das Thema Nachhaltigkeit bei Hawita? 

Ich sage immer: Nachhaltig waren wir immer schon. Denn Nachhaltigkeit hat für mich mehrere Säulen. Als Unternehmen muss ich meine Mitarbeitenden ebenso respektvoll behandeln wie meine Lieferanten und meine Kunden. Nur dann kann ich langfristig existieren. Nachhaltigkeit, Ökonomie und Ökologie gehen also Hand in Hand. Ein Beispiel: Wenn ich durch die Einsparung von Energie Geld sparen kann, dann ist das nicht nur für die Umwelt super, sondern auch fürs
Unternehmen. Wir haben schon in Emstek bei Technoplant Photovoltaikanlagen in der maximal möglichen Größe installiert und werden das auch in Vechta tun. Dadurch sind wir – wenn die Sonne scheint – in Vechta autark, in Emstek können wir zwischen 25 und 30 Prozent unseres Energiebedarfes decken. Da die Kunststoffproduktion sehr energieintensiv ist, ist das schon sehr beachtlich. 

Natürlich versuchen wir auch, im betrieblichen Alltag unsere Umweltbilanz zu verbessern. Wir haben zum Beispiel in eine neue Dämpfanlage investiert, durch die wir den Ölverbrauch um 50 Prozent senken konnten. Bei sämtlichen Neuanschaffungen in unserem Maschinenpark achten wir auf Effizienz. Denn wenn eine Maschine tausend Stunden im Jahr läuft und das neue Modell einen Liter pro Stunde weniger verbraucht, ist das ökonomisch und ökologisch sinnvoll. Selbst mit solchen Dingen wie elektronischen Dokumen­tenmanagementsystemen zur Vermeidung von Papier oder spritsparenden Fahrzeugen beschäftigen wir uns. Aber das sind für uns nur die letzten paar Prozent. 

Könnte man nicht ein bisschen mehr tun und den Torffabbau doch sofort beenden? 

Jein. Man kann das natürlich tun, aber dann sind wir wieder an dem Punkt, dass Ökonomie und Ökologie sich gegenseitig bedingen. Wenn wir von heute auf morgen mit dem Torf­fabbau aufhören, dann können wir nur noch einen Bruchteil der bisherigen Substratmenge produzieren. Dann bin ich zwar im Produktbereich nachhaltig aber im Mitar­beiterbereich eben nicht, denn ich habe für meine Leute auch keine Arbeit mehr. Und den professionellen Gartenbaubetrieben wird die Arbeitsgrundlage gleich mit entzogen. 

Unsere Branche hat mit dem niedersächsischen Moorschutzprogramm schon ganz früh die Weichen gestellt. Wenn wir abtorfen, müssen wir später auch renaturieren. Wir übergeben nach dem Abtorfen ein für die Umwelt hochwertigeres Feld als das, was wir vorgefunden haben. Das ist eigentlich eine Win-Win-Situation. Denn wenn eine Moorfläche landwirtschaftlich genutzt wird, wird sie nie renaturiert, die klimaschädlichen Emissionen werden aber trotzdem im Laufe der Jahre freigesetzt. Wir geben hingegen Fauna und Flora einen hochwertigen Lebensraum zurück. Das ist aus meiner Sicht ein großer Gewinn im Vergleich zu dem Zustand, in dem wir die Natur vorgefunden haben.

WIEDERAUFBAU Die Renaturierung abgetorfter Flächen ist mit viel Arbeit verbunden. Damit das Moor wieder wächst, müssen der Wasserstand reguliert und störende Pflanzen regelmäßig entfernt werden. 
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