Lebenswelt

... und auf geht's in die Zukunft!

Autor*in: SABRINA TABELING UND GABRIELE HENNEBERG

Das Gedächtnis des Oldenburger Münsterlandes: Nichts weniger ist die Heimatbibliothek in Vechta. Bücher, Zeitungen, Zeitschriften, Fotos, Karten sowie alles Wissenswerte über die Landkreise Cloppenburg und Vechta, insgesamt über 23.000 Medien, sind in der Einrichtung des Heimatbundes für das Oldenburger Münsterland zu finden. Und sollte etwas noch nicht vorhanden sein, so werden die Mitarbeiterinnen unter Leitung von Sabrina Tabeling diese Lücke schnell füllen.

Die Kernbesatzung der Heimatbibliothek OM: Sinah Hake, Bibliotheksleiterin Sabrina Tabeling und Eva-Maria Ameskamp (v. l.).   

Natürlich hat die Coronapandemie seit März 2020 auch die Heimatbibliothek in ihrer Arbeit beeinträchtigt. Mehrmals musste Tabeling „den Schlüssel umdrehen" und eine kontaktlose Ausleihe organisieren. In den Räumen galt und gilt weiterhin eine Masken- und Abstandspflicht für alle Mitarbeiter und Besucher, die nur in begrenzter Zahl kommen dürfen. Und von diesen gibt es einige, die zum Beispiel Familienforschung betreiben oder zu wissenschaftlichen Arbeiten Literatur und/oder Abbildungen im großen Foto-Fundus suchen.

Aber mit den Einschränkungen kam auch die Chance, sich einiger, bisher aufgrund der Fülle der Aufgaben liegengebliebener Dinge anzunehmen. Denn tatsächlich gibt es hinter den Kulissen einer Bibliothek mehr als genug zu tun – auch in den Zeiten, in denen keine Besucher kommen durften.

Was macht eigentlich eine Bibliothek?

Die wohl wichtigste Aufgabe ist die Beschaffung neuer Medien, meist nach einem vorgegebenen Sammlungskonzept. Nach entsprechenden Neuerscheinungen wird unter anderem in Tageszeitungen, auf fachspezifischen Homepages sowie in den Literaturlisten von Jahrbüchern geschaut. Zudem gibt es mehrmals im Jahr einen Newsletter von der Landesbibliothek Oldenburg mit Neuerscheinungen in der Region und eine enge Zusammenarbeit mit Buchhandlungen in Vechta.

Die Beschaffung ist von Buch zu Buch unterschiedlich. Einige Bücher bekommt die Heimatbibliothek geschenkt, viele werden im regionalen Buchhandel gekauft oder direkt über den Autor bezogen. Dann liegen die Werke zwar vor, aber noch stehen sie den Besuchern nicht zur Verfügung. Zunächst muss einer der Mitarbeiter prüfen, ob schon andere Bücher des Autors im Bestand vorhanden sind, ob das Buch zu einer bestimmten Reihe gehört und, wenn das nicht der Fall ist, in welche Kategorie es eingeordnet werden muss.

Nun wird eine entsprechende Signatur vergeben, das Medium bekommt einen Scanaufkleber, einen Eigentumsstempel und alle wichtigen Daten werden dann in die Bibliothekssoftware eingegeben. Zum Schluss erhält es den Signaturaufkleber und steht dann im Regal dem Besucher zur Verfügung. Alle diese Vorgänge müssen erledigt werden, bis das Buch oder ein anderes Medium ausgeliehen werden kann.

Notlösung: Während des Corona-Lockdowns machte das Team der Heimatbibliothek eine kontaktlose Ausleihe möglich.   

Bewahrung besonderer Nachlässe

Ein weiteres Aufgabengebiet, dass nicht in jeder Bibliothek zu finden ist, ist die Bearbeitung von Archivalien. Hierbei handelt es sich oft um Nachlässe, die der Heimatbibliothek übergeben werden. Diese beinhalten nicht selten Dokumentensammlungen zu verschiedenen Themen der Heimatgeschichte, alte Geschäftsunterlagen, Schulaufsätze etc.

Die Aufarbeitung dieser Schätze ist eine sehr zeitintensive Aufgabe, die in den letzten Jahren wegen Personalmangels eher in den Hintergrund geraten ist. Aber auch diese Aufgabe hat von den Corona-Einschränkungen profitiert, und so konnte damit begonnen werden, die ersten Nachlässe zu sichten, zu sortieren, zu transkribieren, zu digitalisieren und in das Bibliothekssystem aufzunehmen.

Unter diesen findet sich ein ganz Besonderer: Der Heimatbibliothek wurden die Gedichte, Tagebücher, Kalender, einige weitere persönliche Unterlagen und Bücher des ehemaligen Redakteurs der Oldenburgischen Volkszeitung, Dr. Dirk Dasenbrock, überlassen, der Anfang 2021 plötzlich verstorben ist. Ein Teil des Materials konnte schon in den Bestand aufgenommen werden, steht für Recherche zur Verfügung und bietet spannende Einblicke in eine Persönlichkeit des Oldenburger Münsterlandes.

Start einer Reihe: Die Lesung der Autorin Dr. Stefanie Gregg im Sommer 2021, gemeinsam organisiert mit Buch Vatterodt Vechta, war ein voller Erfolg und die Heimatbibliothek (den Vorschriften entsprechend) voll besetzt.   
Besonderheit: Auch alte Urkunden gibt es in der Heimatbibliothek zu bestaunen. Für deren Erschließung und die „Übersetzung“ der alten Schriftarten ist Fachfrau Eva-Maria Ameskamp zuständig.   

Heimatbibliothek als Ort der Begegnung

Aber die Heimatbibliothek steht nicht nur zum Lesen von Büchern und für die Recherche bereit. Genauso wichtig ist sie als Ort der Begegnung, wo Bücher lebendig werden. Zuletzt hat die Autorin Dr. Stefanie Gregg ihren jüngsten Roman „Nebelkinder" vorgestellt. Die Lesung war ausverkauft, die Zuhörer begeistert, und es gab einen regen Austausch zwischen den Lesungsteilnehmern und der Autorin über das Buch. Trotz Corona war die Veranstaltung ein voller Erfolg.

Möglich war dies auch durch einen kompetenten und erfahrenen Partner: Gemeinsam mit Elisabeth Vatterodt von Buch Vatterodt konnte diese Lesung auf die Beine gestellt werden, die in einer Reihe vieler weiterer Veranstaltungen steht – soweit die Corona-Bestimmungen dies zulassen. Auf alle Fälle ist das Heimatbibliothek-Team dankbar für diese tolle Zusammenarbeit.

Mammutaufgabe: Die Neuordnung des Gesamtbestandes ist eine wichtige aber sehr zeitaufwendige und langwierige Aufgabe.   

Mammutprojekt Neuordnung

Das größte Projekt, eigentlich ein Mammutprojekt, ist die Neuordnung des gesamten Bestands. Denn das Aufnahmesystem ist für den auf mittlerweile über 23.000 Medien angewachsenen Bestand zu unübersichtlich geworden. Zudem haben sich über die Jahre hier und da auch Fehler bei der Aufnahme eingeschlichen. Das soll durch ein neu erarbeitetes Aufnahmesystem geändert werden. Um zu verstehen, warum dieser Schritt notwendig ist, folgt ein kurzes Beispiel.

Bisher wurden Bücher bei der Aufnahme in so genannte Reihen mit einem Großbuchstaben eingeordnet, zum Beispiel H für Heimat, B für benachbarte Orte oder N für Natur. Dann wurde die nächste freie Signatur (laufende Zahlen) zugewiesen, das Buch in die Software aufgenommen, mit der Signatur beklebt und ins Regal gestellt. Diese Einordnung nach dem Zeitpunkt der Aufnahme führte dazu, dass Bücher, die inhaltlich zusammengehören aber zum Beispiel aus verschiedenen Jahren stammen, nicht zusammenstehen. Das heißt, wenn jemand etwas zum Thema Sport in Vechta oder einem Autor sucht, stehen diese Bücher nicht an einem Ort, sondern über den ganzen Bestand verstreut.

Sowohl die Besucher als auch das Bibliotheksteam müssen sich bisher immer auf die Bibliothekssoftware verlassen, um Bücher gleichen Inhalts zu finden. Das soll jetzt geändert werden, um die Benutzung des Bestands für alle Besucher benutzerfreundlicher zu machen. Dieses Projekt ist sehr arbeits- und zeitintensiv und wird das Team voraussichtlich mehrere Jahre in Anspruch nehmen.

In der neuen Ordnung werden die Medien innerhalb der Reihen zunächst nach Orten (zum Beispiel VE = Vechta) sortiert. Dann innerhalb des Ortes nach Themen (zum Beispiel v = Vereine). Als nächstes folgen spezifische Kürzel (zum Beispiel sfn = Sportfreunde Niedersachsen). Eine Vereinschronik zu einem Vereinsjubiläum würde dann in der Reihe H die Signatur HVEv.sfn1.50 bekommen, wobei die Zahl für die Jahre steht, die es den Verein schon gibt. Dieses neue Aufnahmesystem garantiert, dass alles, was zusammengehört, auch zusammensteht. Und es lässt sich beliebig lang fortsetzen.

Moderne: Sehr aktiv ist die Heimatbibliothek auch auf Facebook und Instagram und bekommt viel Feedback, zum Beispiel auf Foto-Challenges.   

Ehrenamtliche dringend gesucht

Klar ist also, dass viele Aufgaben in der Heimatbibliothek warten. Diese und die erweiterten Öffnungszeiten machen aber neues Personal notwendig. Als Verstärkung für die fest angestellten Mitarbeiterinnen Sabrina Tabeling, Sinah Hake und Eva-Maria Ameskamp werden neue ehrenamtliche Kräfte gesucht. Acht gibt es bereits: Neben Routinier Mechthild Schröer engagieren sich Irmgard Drusche, Silke Otto, Franz-Josef Rießelmann, Monika Harting, Eva Buschermöhle, Rainer Kalkhoff und Franz-Josef Meyer in der Heimatbibliothek. Über Neuzuwachs freuen sich die Kolleginnen und Kollegen jederzeit.

... und auf geht's in die Zukunft!

Aktuell geht die Heimatbibliothek in großen Schritten Richtung Zukunft. Neben einer neuen Homepage ist sie, wie der ihr übergeordnete Heimatbund auch, sehr präsent in den sozialen Medien. Über Facebook und Instagram erfahren die Abonnenten alles Neue – und ihr Wissen ist gefragt bei Foto- und Postkartenchallenges. Erste Schritte sind auch im Bereich Digitalisierung erfolgt: Das Offizialatsarchiv hat der Heimatbibliothek einen großen Aufsichtsscanner überlassen, mit dem Fotos, alte Dokumente, seltene Bücher etc. digitalisiert werden können.

Im Bereich Digitalisierung sind der Heimatbund und die Heimatbibliothek jedoch vor allem an einem Projekt dran: der Digitalisierung und Veröffentlichung der regionalen Zeitungen Oldenburgische Volkszeitung (seit 1834) und Münsterländische Tageszeitung (seit 1881) in einem Online-Portal. Viele Gespräche haben hier bereits stattgefunden, unter anderem mit der OM-Medien GmbH, und die ersten Schritte sind in die Wege geleitet – aber ein so großes Projekt lässt sich nur mit starken Partnern realisieren. Die Perspektiven sind gut, weitere Partner sind willkommen!

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