Eigentlich habe er nie die Absicht gehabt, einen Verlag zu gründen, sagt Alfred Büngen. Der gebürtige Remscheider hatte in Vechta Politik, Deutsch und Pädagogik auf Lehramt studiert, sich anschließend fast 20 Jahre der Jugend- und Kulturarbeit verschrieben. „Mich hat immer die Frage beschäftigt, wie man Kultur beleben kann und wo noch Platz für neue Ideen ist“, sagt er. Als gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts der Digitaldruck aufkam, sah er seine Chance gekommen. „Damit wurde es möglich, Bücher in kleinen Auflagen zu produzieren. Das fand ich reizvoll.“ Und so wurde aus Büngen doch ein Verleger.
Orientiert an Rosa Luxemburg
Inzwischen darf sich der 1998 gegründete Geest-Verlag durchaus als literarisches Aushängeschild des Oldenburger Münsterlands bezeichnen lassen – auch wenn es vermutlich manchen Vertreter der Region in den vergangenen Jahrzehnten irritiert haben dürfte, dass er sich ausgerechnet ein vermeintlich von Rosa Luxemburg stammendes Zitat auf die Fahren geschrieben hat: „Unpolitisch sein heißt politisch sein, ohne es zu merken.“ Büngen ist ein Mann mit Prinzipien. Und seine Grundsätze stehen auch ausführlich auf der Website des Verlags. „Die von ihm verlegte Literatur muss ihren Inhalten nach Ziele verfolgen, die dem Leser eine Auseinandersetzung mit grundlegenden gesellschaftlichen und humanen Fragestellungen ermöglicht“, steht da zu lesen.
Das Verlagsprogramm umfasst also in erster Linie gesellschaftlich engagierte Literatur, die sich – so Büngen – „den brennenden Fragen unserer Zeit zuwendet“. Vorgefertigte Antworten soll es nicht geben, Leserinnen und Leser sollen im Gegenteil dazu inspiriert werden, diese selbst zu suchen. Auch hier gibt die Website die Richtung vor: „Der Verlag orientiert sich an einem demokratischen Weltbild, in dem die Bandbreite demokratischer Antworten möglich ist.“ Ob dazu eher traditionelle oder eher neue literarische Formen genutzt werden, ist zweitrangig. So reicht die Bandbreite der Veröffentlichungen von Romanen und Lyrik über Sachbücher bis zu Kinder- und Jugendbüchern.
„Junge Menschen wollen, sollen und müssen hinaus in die Welt.“
Sprungbrett für junge Autoren
Sein Herzblut steckt Alfred Büngen auch heute noch in die Vermittlung des Buchs und des literarischen Schreibens an die jungen Generationen – angesichts seiner Biografie kein Wunder. Er versteht seinen Verlag als Sprungbrett. Und tatsächlich sind etliche Autorinnen und Autoren, die unter seiner Obhut ihre ersten Schritte getan haben, inzwischen bei großen Verlagen gelandet. „Bei uns können sie ihre eigene Sprache finden und entwickeln“, erklärt der Endsechziger. Dass sie später die Region verlassen, findet er nicht schlimm: „Junge Menschen wollen, sollen und müssen hinaus in die Welt und ihre eigenen Entdeckungen und Erfahrungen machen.“
Alfred Büngen bedauert, dass es im Oldenburger Münsterland keine grundlegende kulturelle Konzeption gebe. Mit seinen Aktivitäten versucht er insbesondere im Kinder- und Jugendbereich gegenzusteuern, etwa durch Projekte mit Schulen und anderen Bildungseinrichtungen. Gemeinsam mit der Stadt Vechta ist der Geest-Verlag Initiator des „Vechtaer Jugendliteraturpreises“. Jugendliche zwischen 14 und 21 Jahren können in diesem Jahr Beiträge zum Thema „So geht’s weiter“ einreichen. Einsendeschluss ist der 31. August 2023.
Und obwohl der Verlag zum Jahresbeginn seinen Sitz von Vechta nach Visbek verlegt hat, bleibt die Verbindung zur Kreisstadt bestehen. Sein Chef hat nämlich festgestellt, dass es überall in Deutschland zwar Musik-, Kunst- oder Sportschulen gibt. Aber nur ganz wenige Schreibschulen, in denen junge Menschen lernen können, ihre Gedanken und Ideen zu Papier zu bringen. Hier will Büngen Abhilfe schaffen und nach den Sommerferien einen entsprechenden Anlauf nehmen.
Mehr Informationen: www.geest-verlag.de