Willkommen bei den Geeks

21.07.2023

Auch diejenigen, die sich für Technik begeistern, sind im ländlichen Raum gut aufgehoben. Davon hat sich Claus Spitzer-Ewersmann überzeugt.

URSPRUNG Informatik-Lehrer Eike Baran ist der Initiator des Techniktreffs. Seine Idee stieß auf große Resonanz in Friesoythe und der Region.

Nicht, dass Eike Baran zu wenig zu tun hätte. Mit nur 21 Jahren zog er 2011 als parteiloser Kandidat in den Stadtrat von Friesoythe ein. Er gehört ihm auch heute noch an. Im Hauptberuf ist Baran Lehrer am Albertus-Magnus-Gymnasium in der Eisenstadt. Fachgebiet: Informatik. Doch damit nicht genug. Zu Beginn des Jahres hat der Mann, der sich im politischen Bereich insbesondere den Themen Klima, Umwelt und Nachhaltigkeit widmet, eine weitere Aufgabe gesucht. Er ist Initiator der Gruppe „Meet & Geek“, die sich seit dem Februar einmal im Monat zu einer Art Stammtisch der Technikinteressierten in Friesoythe trifft.

Einen derartigen Treffpunkt finde man in ländlichen Regionen normalerweise eher selten, weiß Eike Baran zu berichten. Im Oldenburger Münsterland ist ihm nichts Vergleichbares bekannt. Die Szene – wenn es eine solche überhaupt gibt – laufe hier eher „unter dem Radar“. Ganz anders sieht es in größeren Städten aus. Sogenannte „Hackspaces“ bieten vielerorts eine produktive Atmosphäre und Freiräume für den kreativen Umgang mit Technik und den Austausch unter Gleichgesinnten.

Jetzt macht sich also auch Friesoythe auf den Weg. „Der ländliche Raum hat ja nicht nur viele Traditionen vorzuweisen, sondern ist auch modern und kann jüngeren Menschen etwas bieten“, erklärt Baran. „Das wollen wir zeigen.“ Zu den ersten beiden Treffen von „Meet & Geek“ kamen jeweils 35 Interessierte. „Viel mehr als ich erwartet hatte.“ Und es meldete sich sogar jemand, der mit einer ähnlichen Idee unterwegs war. „Der sagte mir, dass er das Einladungsschreiben bereits formuliert hatte.“

Zu den ersten
Treffen des Technik-
Stammtisches kamen
jeweils 35 Interessierte.

Deutlich wurde: Das Spektrum der Themen ist breit gefächert. „Wir können uns mit Programmierung und 3D-Druck beschäftigen, mit Netzwerktechnik, Hausautomatisierung oder Reparaturkultur.“ Vor den Fachgesprächen sei es aber zunächst um das gegenseitige Kennenlernen gegangen, sagt Baran – und erklärt auch gleich noch, was sich hinter dem Begriff „Geek“ verbirgt: Anders als die eher in sich gekehrten und soziale Kontakte häufig meidenden Nerds teilen Geeks ihr Wissen und ihre Leidenschaft für die digitalen Medien oder Computerthemen gern mit anderen.

Angesprochen vom ersten Aufruf fühlte sich etwa Thies Block. Der 19-jährige Schüler begeistert sich für viele Technikthemen, ist politisch engagiert, hat eine eigene Website und ist wie viele Gleichaltrige auf einer Reihe von Social-Media-Plattformen aktiv. „Daneben auch im realen Leben auf Menschen zu stoßen, die meine Interessen teilen, ist einfach eine gute Sache“, unterstreicht er. Besonders viele Gruppen oder Initiativen, in denen sich Technikaffine treffen könnten, gebe es schließlich nicht. Deshalb, so fügt Block hinzu, werde er „selbstverständlich auch an den nächsten Treffen teilnehmen.“

Zweite Überraschung für Eike Baran: Es kamen nicht nur junge Menschen zu den ersten Treffen. Im Gegenteil. Ältester Teilnehmer der Premiere war mit Eckhard Schöler ein 83-jähriger Technikpionier aus Harkebrügge. Der gelernte Elektromechaniker hatte in den Sechzigerjahren in weiten Teilen Deutschlands und sogar in Wien Tanzschulen und Discotheken mit modernen Licht- und Tonanlagen ausgestattet, darunter auch das „Charts“ in Harkebrügge. Als Senior der Veranstaltung freute Schöler sich, seine Erfahrungen bei dieser Gelegenheit weitergeben zu können.

Am Friesoyther Techniktreff zeigt auch Dr. Claudia Neumann Interesse. „Den ersten Termin habe ich leider verpasst“, räumt die Fachärztin für Nuklearmedizin ein. Sie hat sich mit ihrem Mann, dem Neurologen und Psychiater Dr. Christian Neumann, in der Stadt niedergelassen. Nachdem sie bereits während ihrer Ausbildung eifrig programmiert hatte, um Praxisabläufe zu erleichtern, stieg sie vom zunächst favorisierten Windows auf Linux um. Dabei handelt es sich um ein kostenloses Betriebssystem, das unter der sogenannten „General Public License“ (GNU) veröffentlicht wird. Längst hat sich Linux zum größten Open-Source-Softwareprojekt der Welt entwickelt, gerade weil es neben Profis auch Hobby-Programmierer:innen viele Möglichkeiten bietet.

Claudia Neumann hat für ärztliche Praxen ein linuxbasiertes Abrechnungsprogramm namens Apraxos programmiert, das von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zugelassen wurde. „Es deckt alle Anforderungen ab, die Sie von einem modernen Praxisverwaltungsprogramm erwarten dürfen und kann vom Arzt selbst installiert und verwaltet werden“, bekräftigt sie. Wenn es um das Thema Praxissoftware geht, ist die Wahlfriesoytherin zudem bundesweit als Expertin und Vortragende gefragt. „Ich freue mich immer sehr, wenn ich junge Menschen für Linux inspirieren kann“, sagt die Medizinerin. Von „Meet & Geek“ erhofft sie sich vor allem einen regen Austausch mit Gleichgesinnten. Das Beispiel zeigt: So wie es Hidden Champions in der Wirtschaft gibt, die eher im Verborgenen erfolgreich ihren Geschäften nachgehen, so gibt es offensichtlich auch „Hidden Experts“. Und dabei sind so gut wie alle Altersgruppen vertreten. „Deshalb ist unsere Initiative vielleicht auch für Unternehmen interessant, die Fachkräfte oder Nachwuchs suchen“, vermutet Eike Baran.

LINUX-FAN Dr. Claudia Neumann hat auf Linux (Maskottchen: der Pinguin) ein Abrechnungssystem für ärztliche Praxen programmiert.