Maschinen- und Anlagenbau

Aus Gülle wird Biomethan

09.02.2024
Autor*in: Holger Hartwig

Im ersten Quartal 2024 läuft der Betrieb im nordfuel-Werk im c-Port am Küstenkanal an. In einer der größten und modernsten Anlagen dieser Art in Europa wird aus wird aus Wirtschaftsdünger (Gülle und Mist), der aus der Landwirtschaft der Region kommt, Biomethan erzeugt. Im Gespräch berichtet der Geschäftsführer der nordfuel GmbH, Rainer Tögel, über die Herausforderungen beim Bau der Anlage, die mit einem dreistelligen Millionenbetrag eine der größten Einzelinvestitionen im nördlichen Kreis Cloppenburg ist, spricht über den laufenden Betrieb und geht auf die weitere Entwicklung des Werkes ein.

Eine der modernsten und größten Biogasanlagen Europas Seit 2022 wird auf einer Fläche von etwa 13,5 Hektar im c-Port am Küstenkanal gebaut. In der Endausbaustufe wird nordfuel jährlich etwa 1 Mio. Tonnen Wirtschaftsdünger, d.h. Gülle und Mist, zur Herstellung von Biomethan und Bio-LNG verarbeiten. Die Kapazität liegt bei rund 7.400 Nm³/h Biomethan, die Jahreseinspeisung bei 690 GWh. In dem Werk werden aus dem Dünger zudem jährlich 105.00 Tonnen flüssiges CO₂ gewonnen und den Gärresten etwa 8.000 Tonnen NH₃ flüssiger Ammoniak entzogen.

Herr Tögel, das nordfuel-Werk nimmt im ersten Quartal 2024 den Betrieb auf. Eine spannende Zeit liegt dann hinter Ihnen und Ihrem Team. Was waren die größten Herausforderungen?

Zunächst einmal: Der größte Meilenstein ist der erfolgreich Betriebsstart. Der Weg dahin war – das gehört bei einer Investition in einen industriellen Betrieb in dieser Größenordnung dazu – von vielen kleinen und größeren Herausforderungen geprägt.

Die Ingenieure unseres Generalunternehmers, der revis bioenergy GmbH, Münster, könnten dazu sicherlich einige Geschichten erzählen. Fest steht: Alle Aufgaben wurden gelöst und wir sind glücklich, dass wir mit der Verwertung des Wirtschaftsdüngers aus der Region beginnen. Mit der Herstellung vor allem von Biomethan bzw. Bio-LNG lei­stet nordfuel einen Beitrag zur Nachhaltigkeit und mit Blick auf die Energiewende und den Einsatz umweltfreundlicher Kraftstoffe.

Auch nach dem Start des laufenden Betriebes werden weiterhin Handwerker auf dem Werksgelände arbeiten. Können Sie einen kurzen Überblick geben, wie die Errichtung des Werkes bisher verlaufen ist?

Als erstes will ich den etwa 35 Unternehmen danken, die mit ihren Mitarbeitern zuverlässige Arbeit geleitet haben. Zeitweise waren hier über 100 Fachleute zeitgleich im Einsatz. Wir freuen uns sehr, dass wir – wie durch unsere Gesellschafter angekündigt – den größeren Teil der Arbeiten an regionale Unternehmen vergeben konnten. Lediglich bei den Spezialthemen mussten wir auf auswärtige Expertisen setzen. Abgeschlossen wurden mit Jahresende 2023 weitgehend die Arbeiten am ersten Bauabschnitt auf dem Gelände innerhalb des Ems-Dollart-Rings. Der Fokus richtet sich seitdem auf den zweiten Bauabschnitt, der Gärresteverwertung.

Für einen Laien klingt die Umwandlung von Wirtschaftsdünger – also Gülle und Mist – zu nutzbarer, nachhaltiger Energie sinnvoll. Gleichwohl ist es eine Herausforderung, zu verstehen, was bei nordfuel in den großen Behältern passiert. Können Sie kurz beschreiben, welche Prozesse für die Nutzung der Energie aus dem Wirtschaftsdünger genutzt werden?

Um zu verstehen, was wo wie exakt passiert, bedarf es einer Vielzahl von Kenntnissen über biologische und technische Ab­läufe. Das hier im Detail zu beschreiben, würde den Rahmen sprengen. Ich belasse es bei einer kurzen Beschreibung: In unserem Werk greifen biologische Prozesse und eine Vielzahl digitalisierter Techniken ineinander, die von der Anlieferung des Wirtschaftsdüngers bis zur Verwertung der ­Produkte im Detail aufeinander abgestimmt sind. Wir haben alle Abläufe industriell optimiert und damit auch sicherer gemacht. ­Unsere Anlage ist mit einer klassischen Biogasanlage, wie sie landauf landab zu finden sind, kaum zu vergleichen. So erfolgt beispielweise eine vollautomatisierte Beschickung der Anlage mit Wirtschaftsdünger über zwei parallel arbeitende Kräne. Außerdem ist hervorzuheben, dass die betriebenen Fermenter, das sind die großen Türme auf unserem Gelände, durch ihr Volumen sehr effektiv sind. Der Energieeinsatz liegt bei dem Prozess, der in den Fermenter angestoßen wird, unter 55 kW – auf 10.000 Kubikmeter bezogen. Auch die Aufreinigungstechnik bzw. Druck­wechsel­absorption, kombiniert mit einer Schraubenverdichter-Anlage zur Verflüssigung von CO₂, ist auf die anfallenden Mengen perfekt ausgerichtet. Kurzum: Wir rea­lisieren hier am c-Port eine maximal effiziente Nutzung nachhaltiger und klimafreundlicher Energie- potenziale, die der Wirtschaftsdünger aus der Landwirtschaft bietet.

Geschäftsführer Rainer Tögel Für den Aufbau und Betrieb des nordfuel-Werkes bringt er jede Menge Erfahrung mit. Der Projektentwickler hat seit über drei Jahrzehnten weltweit – unter anderem in Afrika, Afghanistan oder Rumänien – Projekte in den Sparten Landwirtschaft und Energie auf den Weg gebracht und verantwortlich realisiert.

Was erwarten Sie in den Anlaufphasen?

Wir nehmen den Betrieb der Fermenter auf und die Gas- und CO₂-Aufbereitung wird angefahren. Dabei gewinnen wir nahezu täglich Erkenntnisse darüber, wie wir den Betrieb weiter opti­mieren können. Wir haben dazu den ersten Wirtschaftsdünger aus der Region abgeholt. Auch die ersten Gaseinspeisungen werden in diesen Tagen erfolgreich umgesetzt.

Es gilt, in den kommenen Wochen und Monaten die Menge an Wirtschafts­dünger, die täglich verarbeitet werden soll, kontinuierlich zu steigern. In diesem Zusammenhang kann ich feststellen: Unser Angebot an die landwirtschaftlichen Betriebe, den Wirtschaftsdünger abzunehmen bzw. durch ­Separationstechnik auf dem Hof vor Ort für uns verfügbar zu machen, ist in der Region gut angenommen worden. Wir sind sicher, dass wir mit langfristigen Partnerschaften beste Voraussetzungen für die landwirtschaftlichen Erzeugerbetriebe und unser nordfuel-Werk geschaffen haben.

Technik ist das eine, qualifiziertes Personal das andere. Ist es gelungen, wie gewünscht die geplanten Stellen zu besetzen?

In der Tat: Qualifiziertes und motiviertes Personal sind auch bei uns ein entscheidender Faktor. Wir können bisher feststellen: Die Stellen und Aufgaben, die wir bisher ausgeschrieben hatten, konnten wir mit Fachkräften gut besetzen. Gegenwärtig ­haben wir 25 Mitarbeiterinnen und Mit­arbeiter an Bord; Ziel ist es, bis Ende 2024 weitere bis zu zwanzig Stellen zu besetzen.

Aktuell suchen wir vor allem Personal in den Bereichen Maschinen- und Anlagenbetrieb sowie Bürokräfte und Mitarbeiter im Bereich Instandhaltung. Wenn das gesamte Werk dann in Betrieb ist, werden wir nur bei der nordfuel etwa 60 neue Stellen geschaffen haben. Dazu kommen dann noch Mitarbeiter im Bereich Logistik.

Alle Stellenausschreibungen werden von uns auf unserer Homepage veröffentlicht. Wer Interesse hat, kann auch gerne eine ­Initiativbewerbung an uns senden. Wer Teil des nordfuel-Teams wird, den erwartet eine spannende und langfristige Aufgabe – und das in einem ­Unternehmen, dass für die angestrebte Energiewende einen nennenswerten Beitrag leistet.

Blicken wir nach vorne. Was wird 2024 noch bei nordfuel passieren?

Wir werden die Gärrestverwertung so weit fertigstellen, dass dort mit dem Betrieb gestartet werden kann. Im Herbst soll die maximale Kapazität zur Verfügung stehen. Ende des Jahres werden wir dem Bau des neuen Betriebs- und Verwaltungsgebäude beginnen und eine eigene Tankstelle für Bio-CNG bauen. Dann soll auch die gesamte Logistik mit Lkw abgewickelt werden, die mit unserem nachhaltigen klimafreundlichen Kraftstoff unterwegs sind.

Da stellt sich natürlich die Frage: Wird diese Tankstelle auch für die Öffentlichkeit zu nutzen sein?

Leider nein, so gerne wir das auch machen würden. Der Betrieb sieht aus unterschied­lichen Gründen nur die Nutzung durch un­sere Fahrzeuge und die Fahrzeuge unserer Dienstleister vor.

Ein Industriebetrieb dieser Größenordnung ist für die Region nicht selbstverständlich und wird das Interesse der Menschen hervorrufen. Ist vorgesehen, dass die Anlage 2024 der Öffentlichkeit mit einem Tag der offenen Tür vorgestellt wird?

Der Gedanke, dass wir unser Werk mit allen seinen technischen Innovationen zugänglich machen, ist sympathisch und nachvollziehbar. Es ist wichtig, dass viele Bürgerinnen und Bürger der Region wissen, was hier ­passiert. Allerdings: Es handelt sich um ­einen Industriebetrieb, bei dem viele Sicherheits­aspekte zu berücksichtigen sind. Deshalb ist ein klassischer Tag der offenen Tür nicht realisierbar.

Wir arbeiten aktuell an einem Konzept, wie wir das Interesse aus der Region, das während des Baus bereits durch Anfragen zu erkennen ist, bedienen können. Denkbar ist, dass wir nach Fertigstellung des gesamten Werkes für Gruppen auf Anmeldung Führungen anbieten. Fest steht: Wir wollen die Transparenz, die seit Bekanntwerden der Planungen für unser Werk praktiziert wurde, auf jeden Fall fortsetzen. nordfuel fühlt sich im c-Port und in der Region zuhause und das werden wir auch auf die unterschiedlichste Art und Weise in den kommenden Jahren unterstreichen.

© nordfuel GmbH

nordfuel am c-Port

Von der Idee zum Betriebsstart

2018:    Die erste Idee für eine Anlage im c-Port am Küstenkanal zur Verarbeitung von Wirtschaftsdünger geht bis ins Jahr 2018 zurück. Erste Überlegungen sahen vor, zwei parallele Anlagen auf die Fläche zu stellen.
2020:    Die Planungen für den Bau eines Werkes am Ems-Dollart-Ring konkretisieren sich nach internen Revisionen und Optimierungen.
2021:    Nach dem Erwerb der Flächen im c-Port wird das Genehmigungsverfahren durch den Generalunternehmer revis bioenergy GmbH aus Münster vorbereitet und die Genehmigung beim Gewerbeaufsichtsamt in Oldenburg beantragt.
2022:    Nach einer vorläufigen Genehmigung durch das Gewerbeaufsichtsamt wird im Mai mit dem Bau begonnen und die Genehmigung vom Gewerbeaufsichtsamt Oldenburg Anfang Oktober erteilt.
2024:    Das nordfuel-Werk startet den laufenden Betrieb.

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