Maschinen- und Anlagenbau

Zukunft für den letzten Dreck

09.02.2023
Autorin: Petra Hellmann

In Deutschland fallen jährlich etwa 40 bis 50 Millionen Tonnen Klärschlamm an. Die stinkende Brühe ist Fluch und Segen zugleich. Denn neben schädlichen Stoffen wie Kunststoffpartikeln, Hormonen, Desinfektions- und Reinigungsmitteln, Krankenhausabfällen sowie Schwermetallen enthält sie auch wertvolle Mineralien wie Phosphor, Kalium und Stickstoff. Unter der Maxime »Aus der Region – für die Region« präsentiert die LANDGAS THERMODIREKT GmbH & Co KG aus Vechta leistungsstarke Anlagen, die die Menge an Klärschlamm minimieren, die Schadstoffe neutralisieren und zugleich den Rohstoff Phosphor zur Rückführung in den Nährstoffkreislauf erhalten.

„Der Fokus des Unternehmens LANDGAS THERMODIREKT liegt auf der Verwertung des Energie- und Nährstoffpotenzials von Klärschlämmen aus kommunalen Kläranlagen“ , erklärt der geschäftsführende Gesellschafter Uwe Heider.

Wir alle brauchen ihn – als lebensnotwendiger Nährstoff ist Phosphor das wichtigste Element für den Energiestoffwechsel von Menschen, Tieren und Pflanzen. Doch seine natürlichen Ressourcen sind begrenzt und weisen zunehmend Verschmutzungen auf, die die Umwelt belasten. Bislang ist Europa beinahe zu 100 Prozent auf Importe aus geopolitisch unsicheren Ländern angewiesen, obwohl sich allein im deutschen Klärschlamm rund 65.000 Tonnen Phosphor befinden. Eine Vorgabe der Bundesregierung soll das zukünftig ändern: Ab 2029 muss der im Klärschlamm enthaltene Phosphor wieder dem Nährstoffkreislauf zugeführt und so effizient nutzbar gemacht werden. Kommunen sind schon ab Ende 2023 gefordert, ein Konzept zur nachhaltigen Phosphorrückgewinnung vorzulegen.

Phosphor recyceln für kleinere Kommunen

Vor 13 Jahren gegründet, liegt der Fokus des Unternehmens LANDGAS THERMODIREKT auf der Verwertung des Energie- und Nährstoffpotenzials von Klärschlämmen aus kommunalen Kläranlagen. „Der Schutz der Umwelt, Ressourcenschonung, Nachhaltigkeit und Klimaneutralität sind wesentliche Aspekte unserer Firmenpolitik“, erklärt Gründungsgesellschafter Rudolf Cordes und ergänzt: „Darum setzen wir bewusst auf den Phosphor, der im Klärschlamm enthalten ist – ohne vorgelagerte Verbrennung, ohne weite Transportwege und ohne den Einsatz von Chemikalien.“

Dabei konzentriert sich das Unternehmen auf Kläranlagen, die für 15.000 bis 100.000 Einwohner ausgelegt sind: „Um eine wirtschaftliche und flächendeckende Klärschlammverwertung in Deutschland erreichen zu können, sind diverse dezentrale Klärschlammverwertungsanlagen notwendig. Unser System kann unabhängig von der Größe der jeweiligen Kläranlage betrieben werden“, stellt Geschäftsführer und Mitgesellschafter Uwe Heider fest. „Das ist ein Vorteil vor allem für kleinere Kommunen.“ Kleinere Kommunen können direkt vor Ort eine Aufbereitungsanlage errichten lassen, die die gesetzlichen Vorgaben erfüllt und auf kurzem Weg zu erreichen ist: „Das reduziert neben den Logistik- auch die Transportkosten und trägt mit dem damit verbundenen verringerten CO2-Ausstoß zum Klimaschutz bei. An sich heißt das nichts anderes, als dass auf jede kleine und mittelgroße Kläranlage eine Anlage von LANDGAS gehört“, sagt Uwe Heider lächelnd.

 

Stoffflussdiagramm einer Kläranlage mit Klärschlammverwertung.

Vom Klärschlamm zum Wertstoff

Das zukunftsorientierte LT-Verfahren besteht aus einer Kombination von drei Modulen: Den Kern der Anlage bilden ein Trommeltrockner mit einer sowohl für Deutschland als auch europaweit zum Paten angemeldeten Gaserzeugungseinheit. Ergänzt wird das Paket durch einen Biofilter und gegebenenfalls einen vorgeschalteten Flüssiggastank. Bei dem Verfahren wird der anfallende Klärschlamm nach der mechanischen Entwässerung über Förderbänder dem Trommeltrockner zugeführt und auf eine Restfeuchte zwischen 5 und maximal 20 Prozent getrocknet. Das Ergebnis ist ein sehr homogenes, körniges Material.

Nach der Zwischenlagerung in einem Vorlagebehälter, der gleichzeitig als Pufferspeicher dient, wird der getrocknete Klärschlamm mittels Kettenförderer und Stopfschnecke in die Gaserzeugungseinheit geleitet. Durch die spezielle Bauform und die kontinuierlich drehende Bewegung des Moduls wird das zugeführte Material durchmischt und optimal zerkleinert. Dieser Vorgang wird durch die in der rotierenden Trommel vorhandenen hochtemperaturbeständigen Keramikkugeln unterstützt. Gleichzeitig werden damit die so genannten Anbackungen an der Innenwand des Behälters vermieden. Das getrocknete Klärschlammmaterial durchläuft während des Prozesses in unterschiedlichen Kammern der Gaserzeugungseinheit definierte Temperaturbereiche. Die jeweiligen Temperaturen werden durch Sensoren kontrolliert und durch die Mengensteuerung sowie mehr oder weniger Luftzufuhr geregelt.

Durch die hohen Temperaturen werden schädliche chemische Verbindungen wie Pharma- und Krankenhausrückstände, Hormone, Pflanzenschutzmittel oder Mikroplastik und weitere Störstoffe „gecrackt“, also in ihre ursprünglichen und damit unschädlichen, chemischen Elementarzustände aufgelöst bzw. überführt werden. Das Ergebnis ist so genial wie einfach: Die große Menge an ursprünglichem Klärschlamm wird auf ein Minimum reduziert, Schad- und Störstoffe werden eliminiert, die enthaltenen Nährstoffe konzentriert – mit dem Ergebnis, dass der größte Teil des Klärschlamms nicht mehr kostenpflichtig entsorgt werden muss. Zugleich wird phosphorhaltige Asche gewonnen, die aufgrund ihres hohen Phosphoranteils einer Weiterverarbeitung zur Phosphor-Rückgewinnung zugeführt oder direkt als Anwendungshilfsmittel eingesetzt werden kann. Und das Beste an der Sache ist, dass die hierfür notwendige Energie aus dem Klärschlamm selbst stammt.

Die kompakte LANDGAS THERMODIREKT-Anlage braucht weniger Fläche als ein Tennisplatz und ist in kurzer Zeit einsatzbereit.

Nachhaltige Kreislaufwirtschaft

In der Gaserzeugungseinheit wird der getrocknete Klärschlamm bei hohen Temperaturen vom festen in den gasförmigen Zustand überführt. Dieses Gas, auch Synthese- oder Pyrolysegas genannt, dient dem gesamten Prozess als Energie- und Wärmequelle. Das Verfahren ermöglicht durch maximale Wärmenutzung einen geschlossenen Energiekreislauf. Lediglich während der Hochfahrphase des Trocknungsprozesses wird Erd- oder Flüssiggas, das in dem optional lieferbaren Flüssiggastank vorgehalten wird, benötigt. Sobald der Prozess der Gaserzeugung angelaufen und Synthesegas entstanden ist, wird dieses in einem Mehrstoffbrenner in thermische Energie umgewandelt und die heißen Abgase werden direkt dem Trocknungsprozess zugeführt. Die während des Gaserzeugungsprozesses anfallende Asche wird im Ascheaustrag absorbiert.

Auch das Abgas, das ausgangs des Gasbrenners entsteht, wird mit einem Gebläse abgesaugt. Anschließend wird das Abgas durch einen Wärmetauscher geführt, dabei abgekühlt und anschließend in einer Kombination aus alkalischem Gaswäscher und Biofiltrationssystem gereinigt. Die Abgasemissionen, im Besonderen von Stickoxiden (NOx) werden hier drastisch reduziert. Neben dem schon erwähnten Phosphor liegen die weiteren Bestandteile der Asche in ihrem elementaren Zustand vor – so wie sie in der Natur vorkommen und so, wie sie in die Kläranlage eingebracht wurden. Für die Eliminierung der restlichen Immissionen sorgen immobilisierte Bakterien im Biofiltrationsverfahren.

Geringer Platzbedarf und kurzfristig einsatzbereit

Die aus drei bis vier Containern bestehende kompakte Anlage braucht weniger Fläche als ein Tennisplatz und ist in kurzer Zeit einsatzbereit: „Lieferung, Montage und Inbetriebnahme erfolgen in drei Wochen“, garantiert Uwe Heider und weist darauf hin, dass „alle Komponenten modulartig kombiniert und erweitert werden können“.

Das Gaserzeugungsmodul ist als Zwei- Raum- Container konzipiert: Während in dem einen die Gaserzeugungseinheit inklusive Pufferbehälter für die Lagerung des getrockneten Klärschlamms sowie zusätzliches Inputmaterial untergebracht ist, dient der zweite als Büro. Von hier aus kann die gesamte Technik überwacht und gesteuert werden. „Alle Komponenten unserer Anlage stammen aus hiesigen Betrieben, womit Arbeits- und Ausbildungsplätze in der Region gesichert werden“, so Uwe Heider.

Das bei der Aufbereitung des Klärschlamms gewonnene phosphorhaltige Endprodukt kann einer Phosphor-Rückgewinnung zugeführt oder direkt als Anwendungshilfsmittel eingesetzt werden.

Innovative Technik, die überzeugt

Die erste LANDGAS THERMODIREKT Anlage ist seit 2019 im Klärwerk der Kreisstadt Vechta in Betrieb. Das Unternehmen präsentiert den Kommunen unterschiedliche Nutzungsmodelle: vom Verkauf oder Leasing der Anlage bis hin zu Kooperationsmodellen mit der Kommune oder dem langfristigen Betrieb durch LANDGAS THERMODIREKT. Planungs- und Kostensicherheit machen den Eigenbetrieb für Städte und Gemeinden
besonders interessant: „Durch den Eigenbetrieb wären die Kommunen unabhängig von anderen Firmen, die ihre Preise für die Entsorgung des Klärschlamms in der Regel jedes Jahr neu festlegen“, sagt Heider.

Wegen der derzeit unkalkulierbaren Kostenentwicklungen bei den klassischen Entsorgungswegen wie Abtransport zu Mono- oder Mitverbrennungsanlagen sowie Deponien und den damit verbundenen Umweltbelastungen wird das dezentrale Konzept von LANDGAS von Tag zu Tag interessanter und lukrativer. Vor allem die robuste Technik, das einfache Handling und der geringe Personalaufwand sind neben den vergleichsweise niedrigen Investitions- und Betriebskosten weitere Pluspunkte. „Wir haben hier ein System, das mit nachhaltiger Kreislaufwirtschaft unsere Lebensqualität für die Zukunft erhält und unsere Umwelt, das Klima und den Geldbeutel schont“, fasst Uwe Heider zusammen.