Lebenswelt

Wissenschaft trifft Gesellschaft

09.12.2022
Autor*in: Karin Bokop, Katrin Hedemann, Hannah Hoff und Dr. Daniel Ludwig

Seit 2012 zeigt der Science Shop Vechta/Cloppenburg als Außenstelle der Universität Vechta in Cloppenburg die gesellschaftliche und regionale Verantwortung der Universität. Im Wissenschaftsladen (die deutsche Übersetzung für Science Shop) geht es um gesellschaftliche Teilhabe und Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Forschung für die Region, in der Region und mit der Region ist der Leitgedanke.

Karin Bokop Seit 2016 vermittelt sie im Science Shop/Vechta Cloppenburg zwischen Wissenschaft und Zivilgesellschaft.

Was steckt hinter dem Begriff Wissenschaftsladen? Es geht um Vernetzung von Wissenschaft und Gesellschaft. Dabei sollte der Begriff Laden/Shop nicht täuschen: Ein Wissenschaftsladen ist nicht kommerziell orientiert, stattdessen geht es um gemeinschaftlichen Nutzen und gesellschaftliche Relevanz. Genauso auch im Science Shop Vechta/Cloppenburg: Er ist Anlaufstelle der Universität Vechta für sämtliche Anliegen der Zivilgesellschaft. Die Anfragen reichen von der Durchführung von Informationsveranstaltungen über konkrete Fragestellungen mit Bedarf nach wissenschaftlicher Expertise bis hin zur Umsetzung anwendungsorientierter Projekte im Oldenburger Münsterland – und darüber hinaus. Die Vielfalt der Themen zeigt sich auch in den konkreten Projekten des Wissenschaftsladens, bei denen Partizipation, Service Learning (Englisch für Lernen durch Engagement) und Bürgerbeteiligung im Fokus stehen.

Gemeinsam Der Science Shop Vechta/Cloppenburg initiiert gemeinsam mit beiden Landkreisen des Oldenburger Münsterlands zahlreiche regionale Projekte.

Bisherige Projekte

Das Projekt „EnRRICH" (Enhancing Responsible Research and Innovation through Curricula in Higher Education, 2015 – 2018) war stark an der Arbeitsweise internationaler Wissenschaftsläden orientiert. Gemeinsam mit Akteur*innen aus der Gesellschaft wurden Ansätze für verantwortungsvolle Forschung an Hochschulen ermittelt und unterschiedlichste Formate erprobt, um Fähigkeiten, Wissen und Einstellungen in der Hochschullehre zu entwickeln und um auf Forschungsbedarfe der Gesellschaft reagieren zu können. Ein Ergebnis ist das mehrmals durchgeführte Seminar „Über den Tellerrand – partizipative Forschung mit Menschen aus der Region". Dort forschen Studierendengruppen aus unterschiedlichen Fächern zu Themengebieten und Fragestellungen, die aus der Region über den Science Shop an die Universität herangetragen wurden. Die Themen und Fragestellungen deckten dabei ein breites Themenspektrum ab: von der Nutzung von Betreuungs- und Entlastungsdienstleistungen für pflegende Angehörige über eine Erhebung des Einkaufsverhaltens mit Blick auf artgerechte und nachhaltige Tierhaltung bis hin zu einer Untersuchung medialer Darstellung von Umweltproblemen in regionalen Zeitungen.

„Meer davon – Berlin liegt an der Nordsee" (2016/2017) war ein Verbundprojekt von Wissenschaftsläden im ganzen Bundesgebiet, das darauf abzielte, gemeinsam den Zusammenhang zwischen Ergebnissen der Meeresund Ozeanforschung und dem eigenen Handeln – auch im Binnenland – zu entdecken. In unterschiedlichen, interaktiv gestalteten Formaten wurden dabei Themen behandelt, die von der Gesellschaft gefragt waren. Im Oldenburger Münsterland ging es dabei unter anderem um die Auswirkung von Nitraten im Wasserkreislauf sowie um das Thema (Mikro-)Plastik im Ozean.

Das Ziel von „KulTour Cloppenburg" (2018 – 2020) ist, zusammen mit den Menschen vor Ort eine digitale Stadtführung zu entwickeln, die über QR-Codes an interessanten Orten einfach und kostenlos mit mobilen Endgeräten abgerufen werden kann. Dabei zielt das Projekt auch darauf ab, die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den ortshistorischen Besonderheiten anzuregen und auf diese Weise die Pflege und den Erhalt des kulturellen Erbes in der Region zu stärken. Darum werden die Inhalte des digitalen Stadtführers (Texte, Bilder, Audiobeiträge, Karten, Literaturhinweise und zusätzliche Informationen) gemeinsam mit engagierten Bürger*innen vor Ort ausgewählt und erarbeitet.

„ReKuTe" (2018 – 2021) steht für „Partizipative Wissenschaft für Region, Kultur und Technik". Ein Hochschulverbund bestehend aus der Universität Vechta, der Jade Hochschule Oldenburg, der Universität Oldenburg und der Hochschule Emden/Leer will den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft in der Region Nordwest-Niedersachsen fördern. Zusammen mit lokalen Initiativen und Vereinen, kommunalen Einrichtungen, Schülerund Studierendengruppen sowie interessierten Bürger*innen etablieren sie verschiedene regionale Projekte. Ein Teilprojekt in Vechta widmet sich „Musik und Demenz". Besonders zum Mitmachen aufgefordert sind die Menschen aus der Region beim Teilprojekt „Feierkultur". Aus ihren Beiträgen zur Umfrage „Was geht?! Von Feiern und Festen im Nordwesten" entstand eine Ausstellung im Museumsdorf Cloppenburg.

Gemeinsames Klimahandeln – hier und jetzt! Unter diesem Motto arbeiten seit Anfang 2019 im TeRRIFICA-Projekt acht europäische Partnerorganisationen daran, gemeinsam mit Akteur*innen vor Ort Maßnahmen im Bereich Klimaschutz und Klimaanpassung zu entwickeln. TeRRIFICA steht dabei für „Territorial Responsible Research and Innovation Fostering Innovative Climate Action": In enger Kooperation von Wissenschaft und Gesellschaft soll in den ausgewählten Regionen innovativ und partizipativ auf den Klimawandel reagiert werden. Im Oldenburger Münsterland – der deutschen Pilotregion – beteiligen sich bereits regionale Akteur*innen aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Verbänden, Wissenschaft und Gesellschaft auf vielfältige Weise. Im Sommer 2020 wurde die Aktionsreihe „Klimafreundliche Gärten und Balkone" gestartet, um  Menschen direkt vor ihrer Haustür mit dem Thema Klimawandel und Klimaanpassung in Verbindung zu bringen. Bis Mitte 2022 wird es vor allem auch noch darum gehen, gemeinsam Klimaanpassungsstrategien für das Oldenburger Münsterland zu entwickeln und in diesem Prozess auch neue Formen der Zusammenarbeit zu erproben und weiterzuentwickeln.

Projekt TeRRIFICA Diskussionsgruppe beim Kick-off-Brunch

Orientiert an regionalen Bedarfen

Zusätzlich zu den durch Forschungsgelder finanzierten Projekten setzt der Science Shop Vechta/Cloppenburg regelmäßig Veranstaltungen zu regional relevanten Themen um. So bieten wir den wichtigen Raum für Austausch und Diskussionen mit interessierten Zuhörer*innen vor Ort oder online zugeschalteten Teilnehmenden. Angeregt wird dies oftmals durch einen kurzen wissenschaftlichen Impuls. Die Veranstaltungsthemen werden dabei nicht vorgegeben, sondern orientieren sich an Bedarfen vor Ort. So finden Studieninformationsveranstaltungen statt und informieren jährlich über Studienangebote der Universität Vechta und das Studium im Allgemeinen. Auch bei der Gründerwoche Deutschland wird seit 2013 jährlich durch Online- und Präsenzveranstaltungen mitgewirkt. 2015 fand zudem eine überregionale öffentliche Konferenz in Oldenburg statt. Unter dem Motto „Exzellenz für Alle?!" setzten sich über 100 Teilnehmende aus Zivilgesellschaft, Hochschulen, Wissenschaftsläden und Forschungspolitik mit dem Zusammenwirken von Bürgerwissenschaft, Wissenschaftsläden und Hochschulen auseinander.

Überregional und international

Der Science Shop Vechta/Cloppenburg arbeitet in überregionalen und internationalen Netzwerken mit, die sich dem Dialog von Wissenschaft und Gesellschaft verschrieben haben, beispielsweise im „wissnet – Netzwerk deutschsprachiger Wissenschaftsläden" oder dem europäischen Netzwerk von Wissenschaftsläden und anderen Einrichtungen partizipativer Wissenschaft „Living Knowledge". Im Kontext von Living Knowledge wurden unter anderem auch die hier genannten Projekte EnRRICH und TeRRIFICA mit zahlreichen europäischen Partnereinrichtungen gestartet. Aktuell arbeitet im Rahmen des „European Science Shop Exchange" (ESSE) eine slowakische Gast-Wissenschaftsmanagerin an Projekten des Science Shop Vechta/Cloppenburg mit, leider gerade unterbrochen durch Corona-Schutzmaßnahmen.

Machen auch Sie mit!

In unseren abgeschlossenen und auch laufenden Projekten haben wir gelernt, dass es in unserer Region einzigartige Wissensbestände fernab von der Universität und anderen institutionellen Bildungseinrichtungen gibt, die eine unerlässliche Quelle für die Arbeit des Science Shop sind. Vereine, Verbände, private und auch öffentliche Archive und Museen sind hier als Beispiele zu nennen. Aber vor allem auch das Erfahrungs- und Praxiswissen jedes Einzelnen kann eine wertvolle Grundlage regionaler Entwicklung und regionalen Zusammenlebens sein. Daher: Werden Sie zum Teil unseres Science-Shop-Netzwerks und unterstützen Sie unsere laufenden und künftigen Projekte mit Ihrem Wissen!

In TeRRIFICA sammeln wir mithilfe der Klimakarte (http://klimakarte.terrifica.eu/) positive und negative Erfahrungen mit klimawandelbedingten Ereignissen. Wo ist es zum Beispiel während extremer Hitzeperioden immer noch angenehm kühl? An welchen Orten hält man es vor stehender Hitze und mangelnder Luftzirkulation dagegen nicht mehr aus? Oder wo sammelt sich nach jedem größeren Regenguss das Wasser und kann dann zum Beispiel aufgrund von versiegelten Flächen nicht ablaufen? Diese Erkenntnisse können nicht innerhalb der Universität gesammelt werden, dafür benötigen wir Ihr Wissen vor Ort. Tragen Sie also klimatische Hotspots in der Klimakarte ein und unterstützen Sie uns so dabei, konkrete Projekte im Bereich Klimaschutz und Klimaanpassung zu initiieren.

Ähnlich sieht es mit der KulTour Cloppenburg aus. Es braucht kein historisches Seminar, um an der Erforschung der Geschichte der Stadt Cloppenburg mitzuwirken. Das geschieht längst. Was bisher fehlte, ist eine Plattform, um die Geschichte(n) zu erhalten und an kommende Generationen weiterzugeben. Welche Geschichten würden Einwohner*innen erzählen, welche Orte ihrer Stadt sind besonders und warum? Dieses Wissen wird für eine Online-Plattform aufgearbeitet und dadurch unterschiedlichen Zielgruppen zur Verfügung gestellt. Das Besondere der KulTour? Sie wird niemals komplett fertig sein. Es gibt immer wieder neue Anekdoten und Geschichten der Stadt, die Teil ihrer Geschichte werden. Informationen zum Mitmachen sind auf der Projektseite https://www.kultour-clp.de/ zu finden.

Als Team des Science Shop freuen wir uns auf viele weitere spannende Projekte zusammen mit den Menschen aus der Region!

Kontakt
Science Shop Vechta/Cloppenburg
Bahnhofstraße 57
49661 Cloppenburg
science.shop@uni-vechta.de
www.wissen-teilen.eu

Klimakarte Erfassung von positiven wie negativen Hotspots

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