Lebenswelt

Wilmering bewegt

Autor*in: Petra Hellmann

Vor 80 Jahren auf den Weg gebracht, gehört die Wilmering-Gruppe inzwischen zu den größten inhabergeführten Verkehrsunternehmen im öffentlichen Personennahverkehr Niedersachsens. Mit einem fast 270-köpfigen Team und 170 eigenen Omnibussen bewegt sie jährlich rund 17,5 Millionen Fahrgäste. Dabei bewältigt sie mit 7,8 Millionen Kilometern eine Strecke von mehr als zehn Mal zum Mond und zurück.

Miriam und Leo Wilmering: „Wir sind stolz darauf, ein waschechter Familienbetrieb zu sein, in dem menschliche Wärme, Respekt und jede Menge Teamgeist die tragenden Säulen sind."

Der Start der heutigen Gerhard Wilmering Omnibusbetrieb GmbH & Co KG war einigermaßen kurios. Ausgerechnet ein ausgeschlachteter Bus, der auf einer Wiese in Calveslage als Hühnerstall sein Dasein fristete, brachte als Objekt des Anstoßes alles ins Rollen: Der ursprüngliche Eigentümer des Busses aus Oldenburg ärgerte sich über die Ruine, auf der sein Firmenschriftzug prangte und forderte dessen Entfernung.

Nach einigem Hin und Her lenkte Firmengründer Gerhard Wilmering ein und ließ den Schriftzug entfernen. Aus dem anfänglichen Streit entwickelte sich eine lebhafte Diskussion, die in dem Ratschlag mündete: „Wenn Du Linie fährst, haste immer fünf Mark über." Das überzeugte Gerhard Wilmering, seinen 1940 gegründeten Landmaschinen-, Traktor- und Autohandel um eine Buslinie ins nahe Umland zu erweitern.

Die nächste Generation

Anfang der neunziger Jahre wurde der Generationswechsel in dem Familienunternehmen vollzogen. Die Witwe des Firmengründers, Maria Wilmering, übergab die Geschäftsführung an ihren Enkel Leo Wilmering, der nach seinem abgeschlossenen Studium der Wirtschaftswissenschaften und ersten Berufserfahrungen nach Vechta zurückkehrte: „Als mein Großvater die Buslinie im ersten Nachkriegsjahr einrichtete, war die Aussicht auf fünf Mark Gewinnmarge sicherlich ein wesentlicher Aspekt." Am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts aber waren tragfähige Unternehmenskonzepte gefragt: „Eine schwarze Zahl am Ende der Jahresbilanz ist zwar schön, aber keinesfalls ausreichend, um ein Unternehmen auf Dauer zukunftssicher zu gestalten, Arbeitsplätze zu erhalten und neue zu schaffen." Mit Blick auf die Bevölkerungsentwicklung und der damit verbundenen Personenbeförderung in den ländlichen Gemeinden sowie über den Tellerrand des Landkreises Vechta hinaus analysierte er den Status quo und kam zu der Erkenntnis: „Öffentlicher Personennahverkehr bietet ein interessantes Wachstumspotenzial." Logische Konsequenz: Eine solide Expansion über die Kreisgrenzen hinaus.

Viele Busse für viele Wege

Ein Vierteljahrhundert später hat er die Maxime erfolgreich umgesetzt. Das moderne überregionale Verkehrsunternehmen befördert in den Landkreisen Vechta, Cloppenburg, Oldenburg und Diepholz mit eigenen 153 Solo- und 17 Gelenkbussen, die in den zwei eigenen Werkstätten regelmäßig gewartet werden, täglich bis zu 50.000 Fahrgäste – Tendenz vor allem durch Zunahme der Beförderung Berufstätiger steigend. Zusätzlich greift das Unternehmen auf zuverlässige Auftragsunternehmen zurück, die mit weiteren 70 Bussen für einen reibungslosen Ablauf der Verkehre sorgen.

Nach Regionen aufgeteilt firmieren inzwischen sechs Verkehrsbetriebe unter dem Dach der heutigen Wilmering-Gruppe: Der Omnibusbetrieb G. Wilmering sowie die Wilmering Stadtverkehre, die Verkehrsbetriebe Oldenburg Land, Diepholz Nord und Diepholz Süd sowie die Verkehrsbetriebe Oldenburger Münsterland. Nach wie vor ist gerade in den ländlichen Regionen die Schülerbeförderung die tragende Säule des Unternehmens: „Mittlerweile bringen wir die Enkelkinder unserer Fahrgäste der ersten Stunden sicher zur Schule und zurück nach Hause." Insgesamt 146 Schulen werden Tag für Tag von den Bussen der Wilmering-Gruppe angefahren und gewährleisten somit circa 11.500 Schülerinnen und Schülern einen sicheren Weg zu deren Schule.

„Zusätzlich betreiben wir gemeinsam mit den Aufgabenträgern Vechta und Cloppenburg sowie anderen Verkehrsunternehmen der Region das Rufbussystem „moobil+". Auch der 2008 ins Leben gerufene „Stadt- Bus" in Vechta ist für viele Menschen fester Bestandteil des täglichen Lebens geworden. Durch diese Ergänzungen zum klassischen Schülerverkehr, dessen Schwerpunkt in den frühen Morgenstunden und mittags ist, gewährleistet das Unternehmen nahezu allen Mitarbeitern eine Vollbeschäftigung.

Viele Busse und viele Wege Mit 170 eigenen Omnibussen bewegt die Wilmering-Gruppe jährlich rund 17,5 Millionen Fahrgäste. In der ganzen Region ist die Wilmering-Gruppe mit sechs Verkehrsbetrieben auf Erfolgsspur.

We are familiy

Trotz des enormen Wachstums ist die Wilmering- Gruppe immer noch ein waschechter Familienbetrieb, in dem menschliche Wärme, Respekt und jede Menge Teamgeist die tragenden Säulen sind. Dass der Chef sich durchaus auch mal selbst hinters Lenkrad klemmt, wenn Not am Mann ist, ist dabei bestes Beispiel für gelebten Teamgeist: „Vor allem in den Wintermonaten kommt es immer mal wieder zu kurzfristigen krankheitsbedingten, die wir mit unserer Stammbesetzung nicht ausgleichen können. Dann springe ich gerne ein." Mehr als 230 Busfahrerinnen und Busfahrer aus aller Herren Länder sind täglich am Start: „Wir sind zwar ausschließlich regional unterwegs, aber unser Fahrerteam ist an allen Standorten international", stellt Leo Wilmering fest. Frauen und Männern aus mehr als 15 Nationen bietet er einen krisensicheren Arbeitsplatz: „Sie sind alle ihrer verantwortungsvollen Aufgabe entsprechend ausgebildet, hoch motiviert und umsichtig."

Das Wachstum des Unternehmens machte eine Reorganisation der Verwaltung sowie aller alten und neuen Verkehrsbetriebe notwendig. Während sich die Verkehrsbetriebe mit Fahrpersonal, Disposition und Backoffice alle gleichermaßen strukturieren, gibt es in der Verwaltung unterschiedliche Ressorts wie zum Beispiel Verkehrsplanung, Personal und Buchhaltung bis hin zum Qualitätsmanagement, die für die Verkehrsbetriebe übergreifend tätig sind. Hier wird ein motiviertes Team allen Anforderungen eines zukunftsträchtigen, modernen Verkehrsbetriebes gerecht. Die Kommunikation läuft auch hier zunehmend digitaler, sicherlich ist die Pandemie diesbezüglich ein Treiber. Dennoch kommt der analoge Austausch nicht zu kurz in Jour Fixes, Workshops oder informellen kurzen Besprechungen. „Mittlerweile benötigen wir für unseren Besprechungsraum einen Belegungsplan" so Miriam Wilmering. Dennoch ist ihr der persönliche Austausch mit Kollegen und Mitarbeitern sehr wichtig „und wenn es nur ein kurzer Schnack am Telefon oder auf dem Hof ist". Dieses Miteinander und die kurz gebliebenen Dienstwege prägen die Unternehmenskultur.

Wilmering reloaded: Leo Wilmering mit Leo Wilmering 2.0.

WILMERING | BEWEGTE GESCHICHTE

1946 | Kauf von zwei gebrauchten Linienbussen
1964 | Plötzlicher Tod des Firmengründers Gerhard Wilmering und Weiterführung des Unternehmens durch seine Witwe Maria Wilmering
1995 | Der Enkel des Gründers, Leo Wilmering jun., übernimmt die alleinige Geschäftsführung
2003 | Ausbau des Liniennetzes über die Kreisgrenzen hinaus in den Verkehrsverbund Bremen Niedersachsen (VBN)
2008 | Einführung des »StadtBusVechta«
2010 | Übernahme der Wolters Linienverkehrsbetriebe in Brinkum/Stuhr und damit Anstieg der Beförderungsfälle .auf über 2 Millionen Fahrgäste pro Jahr
2011 | Gründung der »Wilmering Stadtverkehre« in Oldenburg
2017 | Gewinn der Ausschreibung der Verkehrsleistung »Oldenburg West« und Gründung der »Verkehrsbetriebe Oldenburg Land«
2018 | Nach Gewinn der Verkehrsleistung »Diepholz Nord West« Neuausrichtung der Unternehmensgruppe und .Gründung der »Verkehrsbetriebe Diepholz Nord«
2019 | Gewinn der Ausschreibung der Verkehrsleistung »Diepholz Süd Ost« und Gründung der »Verkehrsbetriebe Diepholz Süd«
2020 | Übernahme der Linienverkehre der Fa. Hanekamp in Kooperation mit Partnern der Region und Gründung der »Verkehrsbetriebe Oldenburger Münsterland«

Der Firmengründer Gerhard Wilmering mit Hund Wilma.

Digital in die Zukunft

Die Implementierung digitaler Prozesse wird immer mehr zum zentralen Thema für den Öffentlichen Personennahverkehr. Schon längst erfolgt die Disposition der Verkehre über hochleistungsfähige branchenspezifische Softwareanwendungen. Über 2.000 Haltestellen sind digitalisiert und die Fahrzeuge lassen sich auf dem Meter genau im Online-Modus nachverfolgen. Der umfangreiche Einsatz von Echtzeitsystemen bietet gerade für die Fahrgäste einen großen Mehrwert und die Ausrüstung der Busse mit sogenannten Lichtsteuerungsanlagen sorgt vor allem in den Städten für eine freie Fahrt. Es bedarf eines professionellen Datenmanagements, um immer wieder Fahrplanänderungen umzusetzen, die sich aufgrund von Baustellen, geänderten Schulzeiten oder verdichtete Wochenendangebote ergeben: „Spannend wird es vor allem dann, wenn die Anzahl der zu befördernden Personen wie beispielsweise durch den Wegfall oder die Wiederaufnahme des 13. Jahrgangs an den Gymnasien exponentiell ab- oder zunimmt", erklärt Wilmering und ergänzt, dass die Zahlen aber überwiegend konstant seien: „Wir generieren sie aus uns vorliegenden Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung in den entsprechenden Landkreisen und passen uns darüber hinaus an die Gegebenheiten unserer Auftraggeber an" – so wie in den Landkreisen Diepholz und Oldenburg Land.

Sonderfahrten & Co.

Wer nun glaubt, die Wilmering-Gruppe sei ausschließlich im Linienverkehr unterwegs, der irrt gewaltig: „Wir bringen selbstverständlich auch abseits unserer festen Fahrpläne bestimmte Gruppen nach entsprechender Absprache ans Ziel", weist Leo Wilmering auf Sonderfahrten wie Sport- und Schwimmfahrten für Schulen oder Klassen-Transferfahrten in der näheren Umgebung der Schulen hin. Und auch die Fahrten für die Mitarbeiter des Andreaswerks des Landkreises Vechta sind etwas Besonderes – anders als der tägliche Linienverkehr, den jeder nutzen kann, rollen die hierfür vorgesehenen elf Busse ausschließlich für die Werkstätten.

Fremde Lande

Beruflich regional unterwegs, zieht es den passionierten Golfspieler in seiner Freizeit gern in fremde Lande. „Ich buche immer im FIRST Reisebüro Vechta. Da fühle ich mich bestens aufgehoben, fast wie zuhause", sagt er mit einem Schmunzeln und verweist damit auf einen weiteren Unternehmensbereich, der die Menschen der Region bewegt.

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