Maschinen- und Anlagenbau

Innovativ aus Tradition

Autor*in: ULLA SCHMITZ

Die Wirtschaftskraft des Oldenburger Münsterlandes ist geprägt von Traditionsunternehmen – wobei nur wenige von ihnen in der Lage sind, auf ein über 100-jähriges Bestehen zurückblicken zu können. Eines dieser Unternehmen, dem es trotz aller unternehmerischen und (wirtschafts-) politischen Höhen und Tiefen gelang, erfolgreich zu bleiben, ist die ATLAS GmbH mit ihrem heutigen Hauptsitz und Baggerwerk in Ganderkesee sowie den weiteren Niederlassungen Vechta, Delmenhorst und Bradford/Großbritannien.

ATLAS GmbH-Geschäftsführer Brahim Stitou.   

Die ATLAS-Erfolgsstory begann 1919, als Hinrich Weyhausen einen Stall des elterlichen Bauernhofes in Hasbergen, Delmenhorst, zu einer kleinen Werkstatt für landwirtschaftliche Geräte und Werkzeuge umbaute. Damit schuf der damals 29-Jährige die Basis für ein heute weltweit bekanntes und geschätztes Unternehmen. Denn, was nach heutiger Diktion als Start-up begann, entwickelte sich zur treibenden Kraft – zuerst vor allem in der Landwirtschaft, später auch in den Bau- und Industriebranchen. In dieser Zeit kurz nach dem 1. Weltkrieg, in einer Zeit voller Unwägbarkeiten, Gewalt und Verzweiflung eine wirtschaftliche Selbstständigkeit anzustreben, bewies viel Mut und nötigt noch heute großen Respekt ab. Hätte Hinrich Weyhausen seinen Plan nicht dermaßen gradlinig umgesetzt, wäre die Geschichte von ATLAS nie geschrieben worden – wobei der äußerlich eher unscheinbare Mann weder blauäugig noch selbstverliebt war. Auch kann man ihn kaum als Altruisten bezeichnen.

Zwar sahen Hinrich Weyhausen und seine Frau Hanny die Notwendigkeit einer dringenden Ankurbelung der Landwirtschaft, „damit die Menschen wenigstens wieder was zu essen hatten". Gleichzeitig erkannten sie aber auch das wirtschaftliche Potenzial, das sich auf dem Sektor der Bauwirtschaft eröffnen würde. Dies geschah um 1950 mit dem ATLAS 600 als Wegbereiter. Zuvor aber galt es, die „H. Weyhausen Werkstatt zur Reparatur landwirtschaftlicher Geräte und Maschinen" zuverlässig zu etablieren, damit sie die erste ihrer Art in der Umgebung sein würde.

Dabei rückte die tatsächliche Bedeutung der oben benannten „treibenden Kraft" das Bild der damaligen Entwicklung in ein völlig neues Licht. Denn dass ATLAS seit seinem Bestehen Garant ist für die Entwicklung und Fertigung zeitgemäßer Technologien bei Ladekranen, Umschlagmaschinen, Radladern, Mobil-, Raupen- und Zweiwegebaggern, das ist der Verdienst Hinrich Weyhausens: Er war es, der den damals noch weitgehend unbekannten Einsatz von Hydraulik und die Entwicklung dieser Methode erstmalig in der Landwirtschaft und in der Bauindustrie vorantrieb. Damit bereitete er den Weg für den heute selbstverständlichen und weltweit genutzten Fortschritt in den betreffenden Branchen und darüber hinaus; Weyhausen bewies, was möglich sein würde.

Hinrich Weyhausen (rechts), der Gründer der heutigen ATLAS GmbH, in den 1950er Jahren mit einem Kunden auf einer der ersten Landwirtschaftsmessen in Vechta.   

Ein Jahrhundert der Technik

1919 bis 2019 – nie zuvor in der Menschheitsgeschichte war ein Jahrhundert derart innovativ von industriellen und technologischen Entwicklungen geprägt wie dieses. Dass die heutige ATLAS GmbH einen nicht unwesentlichen Teil an diesem Fortschritt für sich in Anspruch nehmen kann, ist nicht zuletzt auch der ständigen Nähe zum Kunden zu verdanken. Von ihnen erfuhr Hinrich Weyhausen immer direkt, woran es beim Einsatz der Geräte haperte, was anders und besser gemacht werden konnte. Und eben das setzte er um, tüftelte, schweißte, verwarf und probierte das Ganze neu – so lange, bis sein und damit der Anspruch der Kundschaft erfüllt war.

Diese Grundeinstellung ist Ausdruck des traditionellen ATLAS-Qualitätsversprechens, das sich in allen ATLAS-Werken täglich bestätigt: „Wir versorgen unsere Kunden mit Produkten und Dienstleistungen von höchster Qualität. Maßstab für Qualitätsstandards und Kundenzufriedenheit sind Serviceleistung, Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit. Unsere Unternehmensphilosophie, -ziele und -grundsätze sind darauf ausgerichtet, nach kontinuierlichen Prozessverbesserungen zu streben, um im Kostendruck des Wettbewerbs zu bestehen; dabei verbessern wir ständig die Qualität unserer Produkte und Servicestandards – immer mit dem Ziel, zu den Besten in unserer Industrie zu gehören. Bei dieser Entwicklung stand immer der Nutzen für alle Beteiligten im Vordergrund. An dieser Wertvorstellung hat sich bei uns nichts verändert, denn die Nähe zum Kunden und ihre Zufriedenheit haben bei uns Priorität!"

So stellte sich anlässlich der Jubiläumsfestwoche im Mai 2019 den Händlern und Kunden ein von ATLAS perfekt organisiertes Willkommen dar. Obwohl in der Produktion wie üblich gearbeitet wurde, bot das Baggerwerk in Ganderkesee an den drei geöffneten Werktagen stündliche Führungen an – eine Gelegenheit, die täglich rund 400 Gäste wahrnahmen. „Es ist spannend, wie nah man bei Atlas an die Produktion herankommt und so auch mal sehen kann, wie viel Know-how und Arbeitszeit es braucht, um alleine einen Bagger oder einen Kran zu produzieren – ganz abgesehen von den Sondermodellen, für die ATLAS über die normalen Maschinentypen hinaus bekannt ist!" So und ähnlich enthusiastisch wurden die Eindrücke von den Besuchern zusammengefasst. Und so und ähnlich wird seit 100 Jahren von ATLAS gesprochen, auch, wenn heftiger Gegenwind es den Traditionen nicht immer leicht machte, fortzubestehen. Dann wurde nach bewährter „Weyhausen-Sitte" getüftelt, Mut geschöpft, sich neu formiert und so lange am symbolischen Gerüst geruckelt, bis ATLAS wieder ATLAS war. Getreu seiner Werte, »denn die Nähe zum Kunden und ihre Zufriedenheit haben bei uns Priorität!«

ATLAS auf der „bauma 2019“, der größten Baumaschinenmesse der Welt   
Der ATLAS 310 blue, das „Kraftpaket für alle Situationen"   
Der ATLAS 140W blue, der erste Bagger seiner Klasse mit Straßen-TÜV-Plakette   

Vertrauen in die Marke

Diese Zusicherung galt gerade nach den Turbulenzen in den Jahren zwischen 1999 und 2010 als Ehrenwort. Und das wurde in der Branche so auch angenommen. Denn obwohl diese Verbindlichkeiten ausgesprochen ambitioniert erschienen, war das Vertrauen zur Marke ATLAS ungebrochen. Nun ging es »nur noch« darum, dass die neuen Verantwortlichen das Unternehmen im Spiegel der honorigen Tradition wiederbeleben würden – was auch so geschah. Seit April 2012 firmiert das Weyhausen-Erbe als ATLAS GmbH. Zur Unternehmensgruppe gehören die AGS GmbH (Atlas Group Services GmbH), die SPS (Spare Part Services GmbH), die ATLAS Kompakt GmbH und Atlas Cranes UK. Inhaber der Firmengruppe ist Fil Filipov. Als allein verantwortlicher Geschäftsführer zeichnet Brahim Stitou seit 2015.

Der Neuanfang war ein Kraftakt, denn „wir haben jeden Stein umgedreht", erinnert sich Brahim Stitou, der das Ergebnis dieser Bemühungen schon nach neun Monaten in Form schwarzer Bilanzzahlen vor sich liegen sah. Seither ist ATLAS zurück. Und es ist effizienter als zuvor, weil mit Filipov und Stitou die richtigen Männer kompromisslos an den „richtigen Schrauben" gedreht haben – mit dem Erfolg, dass ATLAS mit drastisch geschrumpftem Personalbestand und dadurch kürzeren Wegen deutlich effizienter arbeiten kann. Die Orderbücher sind voll mit Aufträgen aus 50 Ländern der Erde. Dabei stammen rund 40 Prozent von Kunden aus Deutschland. Ihre Bestellungen werden in den Werken in Ganderkesee, Delmenhorst, Vechta und Bradford/UK gefertigt, natürlich nach modernen Standards und häufig auch als Sonderanfertigungen.

Sicher hoch hinaus: Ein ATLAS 206.3E A5 bei der Arbeit in Finnland.   

Premiumqualität made in Germany

„Wir stellen Premiumqualität made in Germany her", sagt Brahim Stitou und begründet so den Erfolg der heutigen ATLAS-Produkte mit der direkten Kundennähe. 

„Wir haben festgestellt, dass wir durch unser Bestreben, immer sehr nahe am Kunden und auch an den Fahrern zu sein, einen deutlichen Wettbewerbsvorteil erreicht haben." ATLAS bleibt so immer dicht am Menschen, denn die wissen um die Dienste, die sie einer Maschine abverlangen. Und sie wissen, was sie sich selbst zutrauen. Um daraus eine für alle Seiten kompatible Summe zu entwickeln, bleibt Stitou auch auf diesem Feld den traditionellen Prinzipien von ATLAS treu, indem er Kunden und Händler auch außerhalb festlicher Anlässe regelmäßig zum direkten Austausch ins Werk einlädt. „So können bei der Diskussion um die Perfektionierung eines Produkts maßgebliche Erkenntnisse direkt in der Fertigung gewonnen werden", erklärt er und ergänzt, dass diese Einflüsse sich auf eine ganze Produktlinie auswirken können.

Kundenwünsche konsequent umsetzen

So können sich ATLAS-Kunden darauf verlassen, dass ihre Sonderwünsche zu einhundert Prozent umgesetzt werden – wenn es denn technisch und rechtlich möglich ist, denn auch diese Verantwortung nimmt man bei der ATLAS GmbH selbstverständlich wahr. In der hochmodernen Fertigung laufen derzeit jährlich bis zu 1.000 Bagger und Radlader sowie rund 2.000 Ladekrane für Lastwagen vom Band. Im Entwicklungszentrum bestimmen Entwicklung und Tests neuartiger Kran- und Baggertechnologien den Rhythmus des Innovationskarussells. Große Steigerungen strebt das Unternehmen gegenwärtig nicht an. „Aufgrund unserer international anerkannten Reputation als Nischenhersteller blockieren wir diese Kapazitäten nicht, sondern bauen das, was unsere Kunden brauchen", sagt Stitou.

Dennoch ist kein Platz für Sorglosigkeit (wenn es diesen Zustand bei einem solchen Unternehmen überhaupt geben kann), denn ATLAS ist extrem auf die Zuverlässigkeit seiner Lieferanten angewiesen. Also hat das Unternehmen in den vergangenen Jahren einige Zulieferfirmen aufgekauft, um künftig möglichst unabhängig agieren zu können. Demzufolge lagern auf den Werksgeländen Teile im Wert von fast 60 Millionen Euro, da nur so eine schnelle und auftragsgetreue Fabrikation der anspruchsvollen Maschinen möglich ist.

200 Millionen Euro jährlicher Umsatz sind die buchhalterische Bilanz der Neuaufstellung des nunmehr 101-jährigen Unternehmens. Garanten für diese Entwicklung sind die Mitarbeiter von ATLAS – egal, in welcher Niederlassung, in welchem Ressort oder an welcher Stelle. Sie sind unter anderem Schlosser, Elektriker, Maler und Lackierer, Schweißer oder Bootsbauer von Beruf oder zeichnen sich durch einen besonderen kaufmännischen Hintergrund aus. Die meisten sind schon zehn Jahre und länger Teil von ATLAS, einige bereits über 20, andere schon 40 Jahre oder noch länger dabei. Mehr als 90 Prozent sind Männer, etwa in den Produktionsbereichen der vier Stammwerke in Ganderkesee, Vechta, Delmenhorst und Bradford, während der überwiegende Teil der Mitarbeiterinnen im administrativen Bereich tätig ist.

ATLAS Zweiwegebagger heute – das Basismodell war eine Erfindung von Hinrich Weyhausen.   

Tradition und Leidenschaft

Insgesamt stammen die Mitarbeiter aus mehr als zehn unterschiedlichen Nationen. Doch gleich, welcher Hautfarbe sie sind, welcher Religion sie angehören, ob sie ledig sind oder Partner*innen haben, welche beruflichen Vorbildung sie mitbrachten – es ist die Leidenschaft für die Produkte und die langjährige Tradition von ATLAS, die alle Mitarbeiter gleichermaßen verbindet, die meisten seit Beginn ihrer Arbeitstätigkeit. Denn ATLAS kann noch so multi-modern in seinem technischen Auftritt sein – die „ATLAS-Menschen", und dazu zählen natürlich auch alle Händler und Kunden weltweit, sind die Seele des Ganzen – zum Nutzen für alle. Das ist ein Wert, der auch zukünftige Zeiten prägen wird. Es geht um Authentizität und Bodenständigkeit. Und das passt haargenau zum Oldenburger Münsterland.

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