Agrar- und Ernährungswirtschaft

Alle Leute an einen Tisch

Autor*in: UWE BARTELS

Die Wirtschaftskraft des Agribusiness-Clusters im Oldenburger Münsterland zu erhalten und nachhaltig zu stärken, die Wahrnehmung sowie das Ansehen der Wirtschaftsregion in der Öffentlichkeit, Politik und den Verwaltungen zu verbessern – diesen Aufgaben widmet sich das Agrar- und Ernährungsforum Oldenburger Münsterland OM, gegründet im Jahr 2006. Seit dem Jahre 2012 ist der ehemalige niedersächsische Landwirtschaftsminister Uwe Bartels Vorsitzender des AEF.

Seit 2012 Vorsitzender des AEF: Der niedersächsische Landwirtschaftsminister a.D Uwe Bartels.   

Eine Vielzahl von Themen setzt die Branche unter enormen Druck: Mangelnde gesellschaftliche Akzeptanz, hohe rechtliche Auflagen, bürokratische Hürden, globaler Wettbewerbsdruck, Emissionen aus der Tierhaltung, die Nährstoffproblematik sowie eine stärkere Berücksichtigung des Tierwohls in der Nutztierhaltung. Und nicht nur die Landwirtschaft hat mit diesen Herausforderungen zu kämpfen, sondern die gesamte Agribusiness-Wertschöpfungskette vor Ort. Dieses Cluster gilt noch heute als der wichtigste Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg und ist für bis zu 40 Prozent aller Beschäftigungsverhältnisse in Südoldenburg verantwortlich. Daher kommt die Branche nicht umhin, sich diesen Herausforderungen selbstkritisch zu stellen und gemeinsam mit allen Verantwortlichen nach praxisnahen und umsetzbaren Lösungsansätzen zu suchen. Denn ohne gesellschaftliche Akzeptanz ist die erfolgreiche Nutztierhaltung in Deutschland und insbesondere in der Veredelungsregion Südoldenburg massiv gefährdet.

Das Agrar- und Ernährungsforum OM steht den Landwirten und der gesamten Wertschöpfungskette bei diesem Transformationsprozess flankierend zur Seite. Insbesondere das initiative Handeln, das Erarbeiten von Strategien und konkreten Lösungen mit unterschiedlichen Akteuren der Region zu aktuellen Herausforderungen haben das AEF zu einem verlässlichen und angesehenen Partner von Verwaltung, Praxis und Öffentlichkeit werden lassen. So pflegt das AEF einen intensiven Austausch mit der Politik auf Bundes- und Landesebene.

In regelmäßigen Abständen finden Hintergrundgespräche und ein konstruktiver Meinungsaustausch mit Regierungsvertretern und Abgeordneten auf EU-, Bundes- und Landesebene, mit den kommunalen Politikern und den Behördenvertretern statt.

Der Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration, das Kastenstandsurteil sowie der Druck der EU beim Kupierverzicht sind große Herausforderungen für Schweinehalter.   

Arbeitsgruppen und Experten

Ein wesentlicher Baustein für den Erfolg des AEF sind seine themenspezifischen Arbeitsgruppen und Expertenkreise. Bearbeitet werden in erster Linie die Herausforderungen: Tierwohl, Tiergesundheit, Nährstoffsituation, Digitalisierung sowie der Ressourcen- und Klimaschutz.

Diese Arbeitsgruppen setzen sich vorrangig aus Vertretern der AEF-Mitgliedsunternehmen, der Verwaltung und der Wissenschaft zusammen. Denn nur mit dem Know-how und dem Engagement seiner Mitglieder ist das AEF in der Lage, die benannten Herausforderungen strategisch anzugehen, an zukunftsweisenden Projekten mitzuwirken und entsprechende Lösungsansätze zu erarbeiten.

So hat sich zum Beispiel die Arbeitsgruppe „Tierwohl" unter Leitung von Josef Abeling zur „Einführung des Staatlichen Tierwohllabels" mit einem im Juni 2019 veröffentlichten Papier positioniert und darin deutlich gemacht, dass ein nicht bis zum Ende durchdachtes Vorgehen bei der Umsetzung des Tierwohllabels zu dramatischen Fehlentwicklungen und Strukturbrüchen führen kann, die nur schwer korrigierbar und rückgängig zu machen sind. Deshalb, so die Prämisse des AEF, müsse bei diesem Vorgehen Sorgfalt vor Schnelligkeit gelten. Darüber hinaus fordert das AEF in seinem Positionspapier eine verpflichtende Haltungs- und Herkunftskennzeichnung sowie die Einbeziehung jeglichen Fleisches in das staatliche Tierwohllabel, welches in den Verzehr geht. Das beinhaltet die gesamte Palette von Fleisch und Fleischwaren sowie alle Marktsegmente wie den Großhandel und die Gastronomie.

Die niedersächsische Landesregierung hat diese Positionen aufgegriffen und daraufhin einen Entschließungsantrag in den Bundesrat eingebracht. Über diesen Entwurf wird nun in den entsprechenden Ausschüssen verhandelt.

In Niedersachsen werden bundesweit die meisten Kartoffeln angebaut – das sind immerhin rund 40 Prozent der deutschen Erntemenge.   

Nationale Nutztierstrategie

Vor dem Hintergrund der seit Jahren laufenden und an Intensität zunehmenden gesellschaftlichen und politischen Diskussion zu dem erforderlichen Transformationsprozess in der Nutztierhaltung fehlt indes ein übergreifender Agrar-Konsens von Bund und Ländern mit allen gesellschaftlich relevanten Gruppen. Initiativ ausgehend vom AEF hat bereits im Jahr 2017 ein parteiübergreifendes Bündnis, bestehend aus den drei ehemaligen niedersächsischen Landwirtschaftsministern Meyer, Lindemann und Bartels sowie dem Präsidenten des Deutschen Tierschutzbundes Thomas Schröder in Berlin zu einer gemeinsamen Nationalen Nutztierstrategie – für schrittweise Veränderungen in der Tierhaltung mit rechtsverbindlicher Planungssicherheit für die Landwirte – aufgerufen. Ohne eine verbindliche Zielbestimmung der Bundesregierung zur Weiterentwicklung der Tierhaltung in Deutschland ist es für die im globalen Wettbewerb stehende Landwirtschaft unmöglich, einen verlässlichen und wirtschaftlich planbaren Transformationsprozess zu gestalten. Diese dringend benötige Nutztierstrategie wird nun von dafür eigens vom Bundesministerium für Ernährung und Wirtschaft eingerichteten Kompetenznetzwerk für Nutztierhaltung unter Leitung des ehemaligen Bundesagrarministers, Jochen Borchert, erarbeitet.

Es zeigt sich zudem, dass in vielen Fragen zur Ausrichtung der modernen Nutztierhaltung die Agrar-und Umweltministerien auf Bundesebene nicht ressortübergreifend und wenig zielführend die notwendige Transformation der Agrar- und Ernährungswirtschaft begleiten. Was fehlt, ist eine diesen Prozess begleitende und strategische Steuerung auf Bundesebene.

Für die Akteure der Veredlungswirtschaft hat der derzeitige politische Stillstand fatale Konsequenzen. Die tierhaltenden Betriebe und Unternehmen des vor- und nachgelagerten Bereichs werden durch weiterhin bestehende Zielkonflikte zwischen Tierund Immissionsschutz sowie weitreichende Beurteilungslücken in Genehmigungsprozessen auf absehbare Zeit vor die Frage gestellt, ob sie ihre Produktion aufgrund von Planungs- und Investitionsunsicherheit sowie mangelnder Perspektiven einstellen oder Kapazitäten ins Ausland verlagern.

Deutsche essen immer mehr Geflügel. Im Jahre 2018 lag der Verzehr an Geflügelfleisch laut BLE bei genau 13,19 Kilogramm pro Kopf.   

Dramatischer Strukturwandel

Besonders deutlich wird der Strukturwandel, wenn man sich die Entwicklung bei der Schweinehaltung in Deutschland ansieht. Nach einer Studie der ISN wollen aktuell 30 Prozent der Schweinemäster ihren Betrieb innerhalb der nächsten zehn Jahre aufgeben. Ein noch dramatischeres Bild zeigt sich bei den Sauenhaltern. Hier will über die Hälfte der Betriebe in Deutschland innerhalb der nächsten vier Jahre aussteigen.

Die Gründe dafür sind vielfältig: Die überwiegend kritischen Berichte über die Tierhaltung, die Unbestimmtheit in der politischen Diskussion sowie die Summe der zu erfüllenden Auflagen – etwa zum Kupierverzicht, zur Ferkelkastration oder zu der noch immer  offenen Kastenstandsdebatte.

Wer soll das bezahlen?

Gleichwohl stellt sich mit dem Umbau der Tierhaltung auch die berechtigte Frage nach der Finanzierung, denn der Transformationsprozess in der Nutztierhaltung ist nicht zum Nulltarif zu haben. Die Rechnung, dass der Verbraucher diese Mehrkosten finanziert, geht leider nicht auf. Darauf lassen Praxistests im Rahmen einer Studie schließen, die die Hochschule Osnabrück Anfang 2019 durchgeführt hat. Demnach sind nur 16 Prozent der Kunden im Einzelhandel tatsächlich bereit, an der SB-Theke statt konventionell erzeugte Ware das teurere Tierwohl-Fleisch zu kaufen. Unterm Strich wird hier deutlich, dass der Verbraucher sich mit der Paradoxie von „billig kaufen und Tierwohl fordern" arrangiert hat. Daher fordert das AEF von der Politik ein schlüssiges Finanzierungskonzept.

Dabei müssen neben der Ermittlung des Gesamtfinanzbedarfs finanzpolitische Förderinstrumente für landwirtschaftliche Betriebe und Unternehmen ausgelotet und des weiteren aufgezeigt werden, wie und mit welchen finanzpolitischen Instrumenten eine Gegenfinanzierung des zusätzlichen Finanzbedarfs stattfinden kann. Das AEF hat hierzu eine Fleischabgabe für jedes Kilo in Deutschland gehandelte Fleisch ins Gespräch gebracht. Diese Forderung hat das AEF – gemeinsam mit der ISN und dem NGW – im August 2019 an Bundesministerin Julia Klöckner in einem Gespräch vorgetragen.

Landwirtschaft am Scheideweg: Einerseits zwingen Klimawandel, Flächenknappheit sowie die Endlichkeit fossiler Brennstoffe die Branche zum Umdenken. Andererseits wirt FAO die Weltbevölkerung bis zum Jahre 2050 auf mehr als 9 Milliarden anwachsen. Bis dahin gilt es, die weltweite Produktion an Lebensmitteln ungefähr zu verdoppeln.   

Klima- und Ressourcenschutz

Alle Bestrebungen für den notwendigen Transformationsprozess in der Nutztierhaltung müssen auch unter dem Aspekt des Klima- und Ressourcenschutzes beleuchtet werden. Allen Akteuren der Branche ist klar, dass die Agrar- und Ernährungswirtschaft einen Spagat zwischen den Herausforderungen Welternährung, Anpassung an den Klimawandel und dem Beitrag zur Erhöhung ihrer Reduktionsanteile leisten muss. Dabei gilt es, künftig auf eine moderne, produktive und innovative Landwirtschaft zu setzen.

Wesentlicher Klimaschutz wird bereits heute in der Landwirtschaft über eine verbesserte Nährstoffeffektivität, über den Humusaufbau in Ackerböden, den Erhalt von Dauergrünland, eine effizientere und alternative Wirtschaftsdüngeraufbereitung und Vergärung sowie mit der Verbesserung der Futterverwertung und der Tierhaltung erreicht. Das AEF hat den Vorschlag der Landesregierung, gemeinsam mit Vertretern aus der regionalen Agrar- und Ernährungswirtschaft seine bisher erbrachten Klimaschutzleistungen sowie noch mögliche CO2-Einsparpotenziale und emissionsmindernde Lösungen aufzuzeigen, angenommen. Unterlegt ist dieser Masterplan mit einem an die Politik gerichteten Forderungs- und Maßnahmenpapier. So ist das AEF bei der Bearbeitung aller Themen seiner Grundhaltung stets treu geblieben. Es geht immer darum, die Herausforderungen nicht zu negieren, sondern im Schulterschluss mit Praxis, Politik, Verwaltung und Wissenschaft an Lösungsansätzen für erforderliche Anpassungsprozesse zu arbeiten und umzusetzen. Das alles aber geschieht stets vor dem Hintergrund, die Zukunftsfähigkeit der Agrar- und Ernährungswirtschaft im Oldenburger Münsterland zu erhalten und weiterzuentwickeln.

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