Offen bleiben für Veränderung

Autor*in: Dr. Michael Plasse, Elisabeth Wehring

Tatkraft und neue Ideen – mehr denn je ist die „Unternehmer-DNA " im Oldenburger Münsterland gefragt. Die Pandemie und strukturelle Veränderungen wichtiger Branchen stellen die Region vor große Herausforderungen. Dr. Michael Plasse und Elisabeth Wehring von OM-Medien stellten 20 Fragen an die Landräte Herbert Winkel und Johann Wimberg.

Die Corona-Pandemie bedeutet auch für das Oldenburger Münsterland eine Zäsur. Was glauben Sie, wie wirkt sich die aktuelle Krise auf den finanziellen Gestaltungsspielraum der Landkreise und Kommunen aus?

Winkel: Das lässt sich derzeit noch nicht sicher abschätzen. Deshalb sind die Haushaltsplanungen derzeit auch mit vielen Unsicherheiten verbunden. Bei der Kreisumlage, unserer wichtigsten Einnahmequelle, sind noch keine Einbrüche zu verzeichnen. Unsere Kommunen haben zum Teil hohe Ausgleichszahlungen für Gewerbesteuerausfälle im Zuge der Pandemie erhalten. In diesem Jahr profitieren wir noch von einer höheren Dividende der EWE und durch die höhere Beteiligung des Bundes an den Kosten der Unterkunft nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch. Aufgrund unserer regional starken Wirtschaft haben wir vergleichsweise stabile öffentliche Finanzen. Das ist aber keine Garantie dafür, dass wir in den kommenden Jahren auf demselben Niveau weiter investieren können, wie wir es gewohnt waren.

Wimberg: Vor allem die Gewerbesteuereinnahmen sind bei vielen unserer Städte und Gemeinden bereits spürbar gesunken. Darauf hat der Kreistag reagiert, indem die Kreisumlage, aus der sich der Landkreis hauptsächlich finanziert, ein weiteres Mal gesenkt wurde. Damit sollen die Städte und Gemeinden erneut entlastet werden. Der Landkreis Cloppenburg gehört mit Vechta zu den drei Landkreisen in Niedersachsen mit der niedrigsten Kreisumlage überhaupt. Auch die Kreisverwaltung wird ihre Ausgaben für das kommende Jahr auf den Prüfstand stellen müssen.

Stichwort Wirtschaftsförderung: Wie kann den Unternehmen vor Ort geholfen werden?

Winkel: Der Landkreis Vechta hat kein eigenes Hilfsprogramm aufgelegt. Eine Ausnahme ist der Schutzschirm für die Betriebe der Schülerbeförderung, also Bus- und Taxiunternehmen. Soweit ich von meinen Kollegen aus dem Oldenburger Land weiß, hat die große Mehrheit der Landkreise und kreisfreien Städte das genauso gehandhabt. Damit sollten auch Doppelstrukturen in der Förderung vermieden werden. Unsere Wirtschaftsförderung hat die Unternehmen vor Ort vor allem durch Beratung und Informationen zu den Förder- und Hilfsprogrammen unterstützt – und das sehr intensiv. Dass es erheblichen Bedarf gab, kann ich an einigen Zahlen deutlich machen: Bis Anfang August sind alleine im Landkreis Vechta 2.227 Anträge auf Corona-Soforthilfen mit einem Volumen von 15,8 Millionen Euro bewilligt worden.


Wimberg: Mittlerweile haben Bund und Land umfangreiche Hilfsprogramme für fast alle betroffenen Zielgruppen aufgelegt. Der Landkreis Cloppenburg führt seit Beginn der Pandemie eine laufend aktualisierte Übersicht auf seiner Homepage, um Unternehmer schnell und übersichtlich über Hilfsmöglichkeiten zu informieren. Unsere Wirtschaftsförderung steht darüber hinaus den Unternehmen stets als Ansprechpartner zur Verfügung.

In der Vergangenheit wurde häufig von der „Unternehmer-DNA" im Oldenburger Münsterland gesprochen. Kann sie jetzt bei der Krisenbewältigung helfen?

Winkel: Diese Mischung aus Mut, Pioniergeist, Erfindungsreichtum und Pragmatismus ist es, die in aktuellen Krisen wie der heutigen gefragt ist. Was uns in der Krise sicherlich auch hilft, ist die relativ gute Eigenkapitalquote vieler Firmen und die Tatsache, dass wir viele familien- und inhabergeführte Unternehmen haben. Das führt aus meiner Sicht zu einem ganz anderen Umgang mit Krisen, auch hinsichtlich des Umgangs mit der eigenen Belegschaft.

Wimberg: Während in manch anderen Regionen Probleme diskutiert werden, sucht man hier schnell nach Lösungen und die Unternehmer krempeln die Ärmel hoch. Diesen zupackenden Geist kann man auch seit der Pandemie in vielen Betrieben beobachten. Schnell wurden bei vielen Firmen neue Nischen gesucht und gefunden, um neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Die OM-DNA zeigt sich auch darin, dass die mittelständischen Betriebe so lange wie möglich zu ihren Mitarbeitern stehen und diese nicht sofort entlassen.

"Während in manch anderen Regionen Probleme diskutiert werden, sucht man hier schnell nach Lösungen und die Unternehmer krempeln die Ärmel hoch."
Johann Wimberg

Die Gesundheitsämter führten in der Vergangenheit fast ein Schattendasein, aktuell sind sie aber die Hauptakteure im Kampf gegen die Pandemie. Wie muss das Gesundheitsmanagement in Zukunft aufgestellt sein?

Wimberg: Möglicherweise hat man die Gesundheitsämter nicht so wahrgenommen wie in der jetzigen Pandemie, aber ein Schattendasein haben sie nie geführt. Sie waren auch in der Zeit vor Corona ein wesentliches Standbein des Infektionsschutzes und der Gesundheitsvorsorge. Von der Schuleingangsuntersuchung bis zum Umgang mit Tuberkulose waren die Fachleute aus dem Gesundheitsamt stets präsent und in der öffentlichen Wahrnehmung vorhanden. Neben dem Gesundheitsamt sind auch viele weitere Ämter mit der Bekämpfung der Pandemie beschäftigt und unterstützten das Gesundheitsamt personell. Es mangelt allerdings an einer einheitlichen und verlässlichen Software sowie an einer Vernetzung aller Gesundheitsämter in Deutschland. Alle müssten verlässlich mit den gleichen hoch leistungsfähigen Programmen und Standards arbeiten. Darüber hinaus darf der Datenschutz nicht zum Hemmschuh werden.

Winkel: Was unsere Kolleginnen und Kollegen seit Beginn der Pandemie unter schwierigen Bedingungen leisten, ist enorm. Dafür bin ich sehr dankbar. Für das Gesundheitsmanagement der Zukunft haben Bund und Länder mit dem „Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst" wichtige Weichen gestellt. So sollen die Ämter im Wettbewerb mit anderen ärztlichen Arbeitgebern wettbewerbsfähiger werden, mehr Stellen geschaffen und ein einheitliches Deutsches Elektronisches Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz (DEMIS) eingeführt werden. Auch als Kreisverwaltung haben wir einiges in Bewegung gesetzt. Im Mai hat der Kreisausschuss den Weg für bis zu 15 weitere Stellen im Gesundheitsamt freigemacht, die für die Pandemie-Bekämpfung eingesetzt werden. Die Aufstockung ist zwar zunächst auf zwei Jahre befristet, zeigt aber, dass wir hier bei Bedarf personell reagieren können.

Die Tourismus- und Freizeitbranche leidet stark unter den Beschränkungen. Auf der anderen Seite gewinnt der Urlaub oder die Freizeitgestaltung vor der eigenen Haustür an Bedeutung. Gibt es dazu im Rahmen der Standortförderung neue Konzepte und Initiativen?

Wimberg: Die fünf Erholungsgebiete im OM entwickeln gerade mit unserem Verbund OM neue Ideen. Außerdem ist eine neue Radwanderkarte OM und ein begleitendes Tourenbuch für den Landkreis Cloppenburg fertig gestellt worden, damit die Region noch besser erfahrbar wird. Die Erholungsgebiete weisen wie der Verbund auch vielfach in den sozialen Medien auf besonders attraktive Ziele und Touren hin.

Winkel: Dass das Oldenburger Münsterland immer häufiger als Reisedestination angesteuert wird, beweist, dass sich die Marketingstrategie des Verbundes auszahlt. Vor allem der Radtourismus wird hervorragend vermarktet. Auch viele Einheimische haben während der Reisebeschränkungen das Oldenburger Münsterland als Erholungsort ganz neu kennen- und schätzen gelernt.

Ein Blick in die Glaskugel: Das Oldenburger Münsterland im Jahr 2050. Welche Vision im Sinne einer festen Vorstellung von der Zukunft haben Sie für unseren Wirtschaftsstandort?

Winkel: Für mich müssen 2050 vor allem drei Dinge erfüllt sein. Erstens: Wir müssen in puncto digitale Infrastruktur voll leistungs- und wettbewerbsfähig sein und uns als ländliche Region infrastrukturell mit urbanen Zentren und Metropolen messen lassen. Nur so bleiben wir als Standort attraktiv. Zweitens: Wir müssen die Transformation der Agrar- und Ernährungsbranche gemeistert haben. Das heißt, dass unsere Betriebe ihr Produktportfolio auf die Lebensmittel eingestellt haben, die in drei Jahrzehnten in den Einkaufswagen unserer Kinder und Enkelkinder liegen. Drittens: Uns ist es im OM gelungen, eine lebendige Start-Up-Szene zu entwickeln. Das mag zunächst befremdlich klingen, weil mit diesem Schlagwort eher Berlin, Hamburg oder Leipzig in Verbindung gebracht werden. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass gerade aus der ländlichen Perspektive heraus interessante Geschäftsideen entstehen können.

Wimberg: Es ist immer wichtig, für Veränderungen offen zu sein und Innovationen jeglicher Art zu fördern, denn man weiß nie, welche sich langfristig durchsetzen werden. Daher müssen wir weiter mutig und zupackend voran gehen. Das betrifft vor allem die Bereiche Digitalisierung und Wirtschaft 4.0. Um auf dem neuesten Stand zu bleiben, werden wir als Kreisverwaltung auch weiter den offenen Dialog mit der Wirtschaft pflegen. Dieser Dialog ist wichtig, um der Wirtschaft das geben zu können, was sie zu einem gesunden Wachstum braucht. Damit uns nicht die zum Wachstum nötigen Fachkräfte ausgehen, müssen beide Landkreise gemeinsam ihre Stärken bündeln und so um Fachkräfte werben. Wir folgen dabei der regionalen Handlungsstrategie Weser-Ems sowie der Handlungsstrategie der Metropolregion Nordwest. Es werden Masterpläne in Bioökonomie, Energie, Maritimes und Daseinsvorsorge überregional koordiniert. Dazu wird der Markenstrategie für das Oldenburger Münsterland und dem regionalen Raumordnungsprogramm gefolgt. Es wird an einer langfristigen Strategie in Sachen Klimaschutz, Bildung, Wissenschaft und Mobilität im Landkreis in Absprache mit unseren Städten und Gemeinden gearbeitet.

Eine große Herausforderung der Region bleibt die Transformation der Agrar- und Ernährungsbranche mit den vor- und nachgelagerten Bereichen. Wie kann das in Ihren Augen bestmöglich gelingen?

Winkel: Ich bin fest davon überzeugt, dass die Tierzahlen im OM in Zukunft zurückgehen werden. Gleichzeitig wird die Digitalisierung zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Die Stichworte lauten hier „Lebensmittelproduktion 4.0" oder „Smart Farming". Hier muss die Agrar- und Ernährungsbranche vor Ort Pionier sein und den OM-typischen Erfindergeist ins Digitale übersetzen. Deswegen freue ich mich, dass das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur das Konzept „5G Nachhaltige Agrarwirtschaft" fördern will, das von der Uni Vechta und unserer Wirtschaftsförderung ausgearbeitet wurde. Wir werden im Landkreis Vechta ein Reallabor einrichten, um zu erforschen, wie sich mittels neuester Mobilfunktechnologie und künstlicher Intelligenz die Lebensmittelproduktion nachvollziehbarer, nachhaltiger und sicherer machen lässt. Dabei geht es auch um Fragen des Tierwohls und der Tiergesundheit. Getestet wird dies an den Wertschöpfungsketten im Geflügel und Schweinesektor. Durch in Echtzeit übermittelte Daten soll so beispielsweise der Antibiotikaeinsatz gesenkt und das Nährstoffmanagement verbessert werden.

Wimberg: Damit der Wandel gelingt, müssen die Probleme definiert, eine Folgenabschätzung betrieben und Lösungen erarbeitet werden. Diese müssen dann mit allenrelevanten Akteuren abgestimmt und die Ziele langfristig verfolgt werden. Natürlich muss bei solchen Transformationen die Nachhaltigkeit im Blick behalten werden: Ökonomie, Ökologie und Soziales genießen aus unserer Sicht eine gleichwertige Priorität. Unsere Leitidee hierbei ist, intelligentes Wachstum zu ermöglichen, nachhaltig zu planen bedeutet hier auch Qualität vor Quantität.

Branchenwechsel: Wie beurteilen Sie die Chancen und Risiken mit Blick auf unser Cluster in der Kunststoffindustrie?

Winkel: Die Kunststoffindustrie spielt gerade im Landkreis Vechta für Wertschöpfung und Beschäftigung eine große Rolle. Ähnlich wie in den Bereichen Agrar und Ernährung ist auch die Kunststoffindustrie im Umbruch, weil die Bedeutung von geschlossenen Materialkreisläufen und Recycling weiter zunimmt. Darauf stellen sich unsere Firmen bereits ein. Pöppelmann in Lohne hat beispielsweise schon längst komplett recycelbare Pflanztöpfe im Angebot. Für recycelte Kunststoffe müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen unbedingt angepasst werden. Ich denke hier vor allem an die Lebensmittelzulassung. Wenn wir auch hier frühzeitig auf die sich ändernden Rahmenbedingungen in Gesellschaft, Markt und Politik reagieren, sehe ich eine gute Zukunft für das Cluster Kunststoffindustrie.

Wimberg: Dies ist ein Bereich, der bestimmt auch auf große Veränderungen eingestellt sein muss, gerade im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Fragen der Wiederverwertung von Produkten. Doch unsere Unternehmen zeichnen sich ja gerade dadurch aus, dass sie solche Herausforderungen nicht beklagen, sondern annehmen.

Und wie geht es bei den Automobilzulieferern in der Region weiter?

Winkel: Die Automobilzulieferer im Landkreis sind direkt abhängig von den Marktentwicklungen der großen Automobilhersteller. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass internationale Lieferketten viel fragiler sind als bisher angenommen. Darin könnte durchaus eine Chance für die Unternehmer in Deutschland und damit auch im Oldenburger Münsterland liegen.

Wimberg: Die Kernfrage lautet hier: Wie bleiben wir mit unseren Produkten in der Lieferkette, wenn die Automobilindustrie weiter vom Verbrennungsmotor auf Elektro oder Hybrid umstellt? Die Zulieferer werden sich auf die neuen Entwicklungen umstellen müssen. 

Start-Ups und Neugründungen: In den größeren Städten im Umland wie Osnabrück oder Oldenburg entstehen oder existieren verschiedenartige Zentren für Gründer. Warum gibt es keine vergleichbaren Einrichtungen im Oldenburger Münsterland?

Winkel: Gründungsberatung findet im Oldenburger Münsterland bereits statt, auch über die Landkreise. Unsere Wirtschaftsförderung hat im letzten Jahr immerhin 16 Existenzgründer und Firmennachfolger mit 340.000 Euro gefördert. Daraus sind 86 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze entstanden. Außerdem haben diese Firmen rund 3,6 Millionen Euro im Landkreis investiert. Dennoch müssen wir hier mehr machen, da sind Johann Wimberg und ich uns einig. Unser Ziel ist, eine OM-weite Gründungslandschaft unter einem institutionellen Dach zu schaffen. Im Landkreis Vechta ist neben der Stadt Vechta auch die Universität Vechta bei der Entwicklung dieses Konzeptes im Boot. An der Uni haben wir mit dem EXIST-Programm schon sehr gute Strukturen. Die Stadt Vechta hat in der Geschwister-Scholl-Oberschule bereits Platz für Büro- und Besprechungsräume, Coworking Spaces und Veranstaltungen zur Verfügung gestellt, die noch saniert werden. Hier wird das Thema Start-Up-Förderung also bereits ganz konkret.

Wimberg: Bei uns liegt die Gründungsintensität auf den vorderen Plätzen in Niedersachsen. Dazu existiert ein gutes Netzwerk in der Gründerförderung. Es gibt diverse Anlaufstellen und räumliche Angebote, wie beispielsweise das Gründerbüro der Kreisstadt Cloppenburg.

Endlich wird's schneller: Allein bis Juni 2020 wurden bereits 5.000 Adressen im Landkreis Cloppenburg dank einer Landesförderung mit Glasfaser erschlossen.

Beide Landkreise haben sich die Weiterentwicklung der digitalen Infrastruktur auf die Fahne geschrieben. Wo sehen Sie das OM mit Blick auf das „Internet der Dinge" oder Standards wie 5G im Jahr 2025?

Wimberg: Es muss noch sehr viel passieren. Bis Juni 2020 wurden bereits rund 5.000 Adressen in unserem Landkreis mit einer Landesförderung mit Glasfaser erschlossen. Derzeit befinden sich noch rund 500 Gewerbeadressen im Abschluss. Dazu wird ein neues Förderverfahren für 6.000 Adressen beauftragt. Die dann noch unterversorgten Adressen werden auf einen möglichen Ausbau hin untersucht. Parallel befindet sich der eigenwirtschaftliche Ausbau von Breitband per Richtfunk und Verbesserung des Mobilfunks bereits in Arbeit. Wir werden in den nächsten drei Jahren zusätzlich rund 100.000 Millionen Euro dafür im Landkreis investieren. Rund 40 Millionen Euro müssen dafür von uns und unseren Städten und Gemeinden aufgebracht werden.

Winkel: Nur mit Glasfaser lassen sich die Mobilfunkmasten mit den erforderlichen Bandbreiten für 5G aufrüsten. Dafür hat der Landkreis Vechta mit dem Breitbandausbau das größte Infrastrukturprojekt seiner Geschichte auf den Weg gebracht. Nach der ersten Ausbaustufe sind wir dieses Jahr in die Planungen für die zweite Ausbaustufe für weitere 2.500 unterversorgte Adressen eingestiegen. Der Bund fördert das mit 20 Millionen. Ich bin zuversichtlich, dass wir auf diesem Wege die infrastrukturellen Voraussetzungen für 5G schaffen. Ob das „Internet der Dinge" sich auch im Oldenburger Münsterland realisieren lässt, ist für unseren Wirtschaftsstandort eine entscheidende Zukunftsfrage.

Die E-Bike-Branche boomt, viele Menschen wünschen sich schnellere Radwege im OM. Wie ist hier der Stand?

Winkel: Wir brauchen hinsichtlich der Radwege keinen Vergleich zu scheuen. Der Anteil an Radwegen an Kreisstraßen liegt derzeit bei 92 Prozent. Wir geben jährlich 1,5 Millionen Euro aus, um Straßen und Radwege zu erhalten und weitere 3,6 Millionen Euro für die Grunderneuerung und Sanierung der Verkehrsinfrastruktur. Wenn wir neue Radwege bauen, peilen wir mittlerweile eine Breite von 2,5 Meter an. Damit wollen wir auf den zunehmenden Begegnungsverkehr mit E-Bikes reagieren. Durch die Förderung von direkten, schnellen und sicheren Verbindungen zwischen Städten und Gemeinden – so genannte Pendlerradwege – sollen außerdem Anreize für neue, schnelle Radwege auch außerhalb der Hauptverkehrsstraßen geschaffen werden, insbesondere für Berufspendler. 

Traum für E-Biker, beispielsweise in Lohne: Glatte Fahrbahn, wenig Verkehr und nicht an jeder Ecke drei Ampeln - so käme der Mensch wunderbar durchs ganze Oldenburger Münsterland.

Wimberg: Auch im Fuhrpark unserer Kreisverwaltung werden bereits seit einiger Zeit E-Bikes genutzt, um den Mitarbeitern für kurze Dienstfahrten eine klimafreundliche und schnelle Alternative zum Auto zu bieten. Und neben dem Kreishaus wird ein neues Fahrradparkhaus mit Lademöglichkeiten entstehen. Der Landkreis Cloppenburg ist Sitz von führenden Fahrrad- und E-Bike-Produzenten und auch daher dem Thema sehr verbunden. Die Planungen zu einem modernen Radverkehrsnetz laufen bereits. Es sind aktuell drei sogenannte Korridore im Gespräch: Von Cloppenburg aus Richtung Lohne über das Saterland nach Westerstede und ins Emsland oder nach Haselünne könnten hochwertige Radverkehrsverbindungen führen, die auch genutzt würden. Denkbar ist auch eine Verknüpfung der drei Strecken in einer Art Fahrradring um die Kreisstadt Cloppenburg herum. Der Kauf von Elektroautos wird gefördert, es werden mehr E-Autos zugelassen.

Wie ist es um die Ladesäulen-Infrastruktur im Oldenburger Münsterland bestellt?

Winkel: An unseren kreiseigenen Liegenschaften werden bereits mehrere Ladesäulen aufgebaut, alleine fünf davon im Gebiet der Stadt Vechta. Erst kürzlich haben wir eine Ladesäule am Kreishaus in Betrieb genommen. Geplant sind zudem weitere Ladestationen am Gymnasium Antonianum, am Haupt- und Nebengebäude der Justusvon- Liebig-Schule, an der Adolf-Kolping-Schule (AKS) Lohne und am Lohner Gymnasium. Außerdem errichtet das Wasserwerk weitere neun Ladesäulen in Vechta und Langförden. Bei allen kreiseigenen Neubauten berücksichtigen wir zudem das Thema Elektromobilität. Beim Bau des neuen Parkhauses am Kreishaus sollen sogar fünf Ladestationen mit Parkplätzen für insgesamt zehn E-Autos geschaffen werden.

Wimberg: Bei uns gibt es bereits in jeder Stadt und in jeder Gemeinde eine E-Ladesäule. Mit einem weiteren Förderprogramm des Landkreises sollen noch mehr öffentliche und halböffentliche Ladesäulen entstehen. Viele der bereits vorhandenen Ladesäulen befinden sich direkt in den Ortskernen, so dass man bequem während des Einkaufs oder beim Essen das E-Auto oder E-Motorrad laden kann. Eine möglichst breit gestreute Verteilung von öffentlichen Ladesäulen ist wichtig, da nicht jeder die Möglichkeit hat, sein Fahrzeug zu Hause zu laden. Außerdem brauchen wir diese Infrastruktur auch für die Besucher und Gäste der Region, die hier mit einem E-Fahrzeug unterwegs sind und dann auch Lademöglichkeiten benötigen.

Jetzt aber: Ende 2020 lag die Anzahl der Ladestationen in Deutschland bei rund 21.600, im Vorjahresquartal nur bei 17.600. Dennoch brauchen wir viel, viel mehr - auch im OM.

Gibt es Neuigkeiten zu Fragen der Verkehrsanbindung und zur besseren Vernetzung von Bus und Bahn?

Winkel: Gemeinsam planen wir eine landesbedeutsame Buslinie zwischen den Kreisstädten. Diese Anbindung soll durch eine stündliche Taktung und Fahrten bis spät abends und am Wochenende auch für Berufspendler attraktiv werden. Durch den Start von moobil+ im Landkreis Cloppenburg werden wir im Bereich der Mobilität noch enger zusammenarbeiten und kreisübergreifende Fahrten abstimmen. Ziel sollte ein OM-einheitliches Tarifsystem sein, um so den ÖPNV im Oldenburger Münsterland weiter zu stärken.

Wimberg: Rufbusse sind mittlerweile ein fester Bestandteil unseres Straßenbilds geworden. Es ist dazu geplant, die Bahnen im Landkreis halbstündig fahren zu lassen. Dazu befinden wir uns bereits in Gesprächen und Verhandlungen mit anderen Nachbarlandkreisen. Zudem kümmern wir uns federführend um die Entwicklung eines neuen Bus-Schiene-Grundnetzes für den Nordwesten Niedersachsens.

Stichwort Standortmarketing: Welche Region macht das in Ihren Augen besonders gut und was können wir davon lernen?

Wimberg: Für mich ist die Region Südtirol ein gutes Beispiel, der es sehr gut gelungen ist sogar international bekannt zu werden, obwohl auch diese Region ganz sicher nicht der Nabel der Welt ist. Auch wenn wir uns damit nicht direkt vergleichen können, müssen wir eben auch konsequent unsere Stärken ausbauen und sichtbar machen.

Winkel: Die Alpenregionen haben natürlich alleine schon durch ihre atemberaubende Bergkulisse ein Alleinstellungsmerkmal. Und genau das ist das Stichwort: Die Alleinstellungsmerkmale herauszuarbeiten ist das, was wir davon lernen können. Und das gelingt uns mit der neuen Marketingstrategie des Verbundes inzwischen sehr gut.

Was ist in Ihren Augen in wenigen Worten der Kern vom Kern des OM?

Winkel: Es bleibt die Erzählung einer Region, die sich von einem kargen Landstrich in wenigen Jahrzehnten zu einem der führenden Wirtschaftsstandorte in Nordwestdeutschland entwickelt hat. Und das, obwohl das OM aus Sicht mancher Leute als sehr konservativ und auf Traditionen fixiert gilt. Dabei stehen Innovation und Tradition überhaupt nicht im Widerspruch. Außerdem ist das Oldenburger Münsterland, soweit ich weiß, die einzige Region, in der zwei Landkreise im Regionalmarketing und der Wirtschaftskommunikation institutionell ihre Kräfte auf diese Weise bündeln und den Blick auf einen Landstrich bieten, der mehr zu bieten hat als die landläufige Einschätzung es vermuten lässt. Das Oldenburger Münsterland selbst ist in diesem Sinne eben ein echter „Hidden Champion".

"Das Oldenburger Münsterland ist ein echter „Hidden Champion"."
Herbert Winkel
Wimberg: Wir hier im Oldenburger Münsterland sind eine Region mit vielen tatkräftigen Menschen voller guter Ideen, werteorientiert und dennoch innovativ und offen für Neues. Unsere Region gibt den Menschen die Freiheit und das Potenzial zur Entfaltung ihrer Talente und eine ländliche Lebensqualität, die vielfach unterschätzt wird.

Unterscheidet uns das in Ihren Augen hinreichend im Wettbewerb um die besten Köpfe?

Winkel: Wenn sich jemand für einen neuen Arbeits- und Lebensmittelpunkt entscheidet, spielt nicht nur das Gehalt eine Rolle, es gibt weitere wichtige Faktoren: Das Wohnungsangebot, die Freizeitmöglichkeiten oder die Frage, ob es für meine Kinder gute Kitas und Schulen gibt. Gerade bei den letzten beiden Punkten schneiden wir aus meiner Sicht sehr gut ab. Letztlich kommt es aber darauf an, ob sich den besten Köpfen auch genug Karrierechancen bieten.

Wimberg: Für junge Familien ist Bauland in familienfreundlichen Kommunen wichtig, das können wir hier fast überall preiswert bieten, andere oftmals nicht. Nicht nur mit Geld und Nähe zu großen Metropolen gewinnt man gut ausgebildete Fachkräfte, auch ein freundliches Umfeld mit Menschen, die Zugezogene mit offenen Armen aufnehmen, ist ein Faktor.

Was tun wir außerhalb der eigenen Region, um Nachwuchs- und Fachkräfte für unsere Region zu gewinnen?

Wimberg: Bei der Wirtschaftsförderung des Landkreises ist auch die Geschäftsführung des Fachkräftebündnisses Nordwest angesiedelt. Es gibt das Jobportal OM, das Job-Portal des Landkreises und überregionale Kampagnen unseres Verbundes OM.

Winkel: Mit om-veranstaltungen.de wird zusammen mit den Tageszeitungen die Sichtbarkeit noch weiter erhöht. Seit diesem Jahr gibt es darüber hinaus die verstärkte Präsenz der beiden Landkreise und des Verbundes in den sozialen Medien. Über Instagram werden unsere Stellenanzeigen bundesweit sichtbar und auch gerne mit Freunden und Bekannten geteilt.

Könnten Sie sich vorstellen, dem Verbund künftig mehr eigene finanzielle Mittel zuzuweisen, etwa um dort eine zentrale Wirtschaftsförderung für das OM anzusiedeln? Das wäre doch effektive Strukturpolitik!

Winkel: Effektive Strukturpolitik bedeutet für mich, dass die Strukturen, die wir haben, gut funktionieren. Das trifft auf den Verbund zu, der mit seinem jungen Team ausgezeichnete Arbeit macht. Das trifft aber genauso auf unsere Wirtschaftsförderstellen in den Kreishäusern zu. Solange diese Aufgabenteilung funktioniert, sollten wir an ihr festhalten. Unser Kreistag hat erst im November letzten Jahres den Mitgliedsbeitrag für den Verbund auf 315.000 Euro angehoben und einen Sonderbeitrag von 160.000 Euro jährlich bis 2022 beschlossen, um den Investitionsplan des Verbundes zu finanzieren. Damit haben wir ein klares Signal für eine verlässliche finanzielle Ausstattung gesendet, da der Verbund auch im Bereich der Wirtschaftskommunikation sehr erfolgreich agiert.

Wimberg: Die Wirtschaftsförderung ist Chefsache und bundesweit Kerngeschäft der Landkreise beziehungsweise ihrer entsprechenden Wirtschaftseinheiten. Das hat sich auf vielerlei Hinsicht bewährt und soll auch so bleiben. Mittelbare Wirtschaftsförderung wird beim Verbund in enger Absprache mit den finanzierenden Landkreisen erfolgreich mit dem überregionalen Wirtschafts- und Tourismusmarketing betrieben.

Damit würde aber das oft beklagte Kirchturmdenken ein Ende haben?

Winkel: Die berüchtigten Kirchturm-Diskussionen werden wir auch in Zukunft haben. Immerhin ist das OM ein Gebilde aus 23 Kommunen und zwei Landkreisen. Diese Vielfalt soll ja auch nicht unter der Einheit des Oldenburger Münsterlandes zugedeckt werden. Wir sollten diese Diskussionen deshalb nicht überbewerten. So etwas gibt es überall in der Politik oder in der Wirtschaft, wenn verschiedene Akteure oder Standorte um den besten Weg und bestimmte Kompetenzen ringen. Wenn wir bei so grundsätzlichen Themen wie einer gemeinsamen Start-Up-Szene zusammen nach kreispolitischen Lösungen suchen, dann zeigt das eben, dass wir nicht nur auf unseren eigenen Kirchturm schauen.

Wimberg: Durch die Restrukturierung des Verbundes OM und des Regionalmarketings sind die Kirchtürme schon erheblich weiter aus dem Blickfeld gerückt als früher, und das ist gut so. Bestes Beispiel dafür sind unsere fünf Erholungsgebiete, die wir unter einem Dach der Marke OM zusammenführen konnten. Diesen Weg müssen wir weiter gemeinsam verfolgen, und zwar bei allen Themen, die sich dafür anbieten, sei es Gründung, Fachkräftesicherung, Verbesserung des Images der Region oder der Sichtbarmachung unseres vielfältigen Kulturangebots.