Man nennt sie Babyboomer. Ihre Gemeinsamkeit: Sie kamen zwischen 1955 und 1970 zur Welt. Jahr für Jahr gab es in dieser Zeit in der Bundesrepublik über 1,1 Millionen Neugeborene. Zum Vergleich: Für 2019 weist die Geburtenstatistik 778.000 Kinder aus.
Aus den Nachkriegsbabys wurden junge Männer und Frauen, viele Arbeitnehmer, manche auch Chefs und Unternehmer. Jetzt geht die Generation der Babyboomer in den Ruhestand. Bis 2030 werden rund zwölf Millionen das Rentenalter erreichen. In den Führungsetagen steht ebenfalls ein Generationswechsel bevor – auch in mittelständisch und von Familienunternehmen geprägten Regionen wie dem Oldenburger Münsterland. So erwartet allein der Zentralverband des deutschen Handwerks (ZFH) in den nächsten Jahren rund 200.000 Betriebsübergaben. In zwei von drei betroffenen Firmen gibt es noch keine konkreten Vorbereitungen für den Stabwechsel.
Unterschiedliche Lebensplanungen erschweren die Nachfolge.
Früher war das einfacher. Da war der Sohn zur Stelle, wenn Vater in Pension ging. Die Bereitschaft, in ein Familienunternehmen einzusteigen, ist jedoch rapide gesunken. Immer weniger sind Angehörige oder Verwandte an einer Übernahme oder Fortführung der Betriebe interessiert. Die Gründe für diese Entwicklung sind nach Angaben des ZDH vielfältig: Ein höherer Anteil von Studienabschlüssen, der Wunsch nach beruflicher Abkoppelung vom Elternhaus und der Wertewandel in der Gesellschaft hin zu vermeintlich sicheren und akademischen Berufen sind nur einige Ursachen.
Dabei scheinen die Familienangehörigen um so weniger zu einer Weiterführung bereit, je kleiner der Betrieb ist: 29,8 Prozent der Kleinstbetriebe geben an, dass Kinder oder Verwandte die Firma nicht weiterführen wollen, bei Betrieben mit mehr als 50 Beschäftigten sind es lediglich 14,2 Prozent.
Ein Problem besteht zudem darin, dass die Suche nach geeigneten Nachfolgern vielfach von Unruhe und Gerüchten begleitet wird. Häufig springen sogar Kunden und Lieferanten ab, wenn es ihnen an der Überzeugung fehlt, dass die gewohnte Qualität und Zuverlässigkeit gewahrt werden kann. Verhandlungen müssen also äußerst diskret geführt werden. Ein gleitender Übergang ist in der Regel einem abrupten Wechsel vorzuziehen. Nur so lassen sich Vertrauensverlust und Gewinneinbußen vermeiden.
Spätestens mit 55 Jahren sollten die Weichen für die Nachfolge gestellt werden.
Wie es gehen kann, zeigt das Beispiel eines selbstständigen Kfz-Mechanikers aus dem Landkreis Vechta. Er einigte sich mit dem Vorbesitzer seiner Werkstatt auf eine zweijährige Übergangszeit, in der dieser als Angestellter weiterhin vor Ort war. Das kam bei den Kunden gut an und der Nachfolger profitierte von den Kontakten und Fertigkeiten seines Vorgängers. Der Übergang verlief vollkommen reibungslos.
Experten raten, spätestens im Alter von 55 Jahren die Weichen für den Generationswechsel zu stellen. Viel zu oft denke der Senior zu spät daran. Und dann läuft irgendwann die Zeit davon. Statt sich sorgsam und professionell vorbereitet der Aufgabe zu stellen, werde nun hektisch und überstürzt nach der erstbesten Lösung gegriffen.
Im Idealfall bleibt die Firma natürlich Familiensache. Aber wenn das nicht klappt? Dann gibt es Alternativen. Nach Angaben des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft kann sich inzwischen jeder zweite Altinhaber eines mittelständischen Unternehmens die Übergabe an einen externen Käufer vorstellen. Im Zweifelsfall müsse die Kontinuität eines Unternehmens deutlich mehr Gewicht haben, als etwa die eventuelle Fortführung der Familientradition. Hier habe eine simple Regel zu gelten: „Der Bauer ist nichts, der Hof ist alles."
Trennen muss man sich darüber hinaus von der Vorstellung, die Neubesetzung der Kommandobrücke mit einem Betriebsfremden berge ausschließlich Risiken. In ihrer Dissertation „Unternehmensnachfolge im Agribusiness" schrieb Dr. Anne-Lene Mahr 2017, damals wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Vechta, „dass ein nachfolgebedingter Akteurswechsel auch als Chance betrachtet werden muss, mit dem Innovations- und Erneuerungsimpulse sowohl im Familienunternehmen als auch im Produktionsnetzwerk gesetzt werden".
Weitere Informationen
Wenn eine Betriebsübergabe ansteht, geht es nicht ohne kompetente Beratung. Die Wirtschaftsförderungen der Landkreise Cloppenburg und Vechta sind dafür ebenso gute Adressen wie die IHK oder die Handwerkskammer. Jeden dritten Donnerstag im Monat bietet die Kreishandwerkerschaft Cloppenburg einen betriebswirtschaftlichen Sprechtag an. Anmeldungen über Andrea Arndt (Tel. 0 44 71 – 1 79 12, a.arndt@handwerk-cloppenburg.de). Annika Hörnschemeyer von der Handwerkskammer Osnabrück fungiert als Nachfolgemoderatorin auch für Betriebe im Oldenburger Münsterland (Tel. 05 41 – 692 99 60, a.hoernschemeyer@hwk-osnabrueck.de). Einen bundesweiten Überblick ermöglicht die Website www.nexxt-change.org. Sie wird unter anderem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, der KfW Bankengruppe und den Handelskammern betrieben.