Böllern

Sie lassen es krachen

16.12.2022

Geböllert wird nur an Silvester? Weit gefehlt! Im Oldenburger Münsterland ist Böllern eine Tradition. Wichtige Anlässe werden damit geehrt. Ein Brauchtum, bei dem im Gegensatz zur Silvesterknallerei ganz andere Geschütze aufgefahren werden.

Nicht weniger als ein Spektakel verspricht der Böller-Klub Vechta bei seinen Auftritten. „Wir böllern traditionell in einer Landknechtsuniform, mit unterschiedlichen originalgetreuen Böllern“, erklärt Christof Lienesch, der seit zwei Jahren dabei ist. Mit den schillernden Uniformen der Männer und den mittelalterlichen Gewändern der Frauen ist die Truppe nicht nur laut, sondern auch ein echter Hingucker. Kein Wunder, dass der Verein wächst. Die wohl publikumsstärksten Auftritte des Jahres sind die Eröffnung und das Beenden des Stoppelmarktes. Drei Schüsse in unterschiedlichen Lärmstufen künden davon. Schon das „Probeschießen“ zieht Schaulustige an.

Knallen gegen böse Geister

So alt wie das Schwarzpulver ist auch die menschliche Faszination für laute Explosionen. Die Chinesen sollen es im 11. Jahrhundert erfunden haben. Bald verkündeten Könige und Fürsten freudige Anlässe durch Kanonenschüsse. Oder warnten andere oder baten um Hilfe. Das Böllern als Brauchtum lässt sich bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen. In Bayern ist es heute noch weit verbreitet. Auch im Oldenburger Münsterland hat es eine lange Tradition. Zum Beispiel wenn Hochzeit gefeiert wird. Am Vorabend oder am frühen Morgen vertreiben die „Böllerjungen“ mit lautem Knallen böse Geister. Klar, dass sie für ihre Arbeit angemessen bewirtet werden. Auch Feiertage oder Volksfeste werden traditionell mit Kanonendonner begangen. Salutschießen ist immer auch Ehrenschießen und etwas Besonderes.

Außerdem ist das Böllern ein großer Spaß – der mit zeitgemäßem Ernst betrieben wird. Wer sich Böllerschütz:in nennen möchte, muss Lehrgänge belegen, Sachkunde nachweisen und eine Unbedenklichkeitsbescheinigung vorlegen. Auch die Uhrzeiten, zu denen geböllert werden darf, sind geregelt. Zur Sachkunde gesellt sich dann das Wissen um das Brauchtum. Es gibt traditionelle Abfolgen von Schüssen wie das Lauffeuer, den Doppelschlag oder den Salutschuss. Beim Rad steigert sich die Geschwindigkeit, bis die letzten Böllerschützen fast gleichzeitig abschießen. Treffen sich mehrere Böllervereine, werden oft besondere Choreografien gezündet. Neben Kanonen gibt es unter anderem Handböller, Standböller oder Schaftböller. Die Vereine stellen sie zum Teil selbst her.

 

 

„Wir böllern traditionell in einer Landknechtsuniform, mit unterschiedlichen originalgetreuen Böllern.“

Christof Lienesch
© Andreas Heidkamp

Böller-Hochburg Saterland

Im Saterland ist die Liebe fürs Böllern besonders groß. Allein fünf Vereine sind hier zuhause. Eine Besonderheit: Das Böllercomité von 1888 in Ramsloh. Wer den „12 Aposteln“, wie sie sich auch nennen, beitreten möchte, muss Saterfriesisch sprechen. Der benachbarte Verein aus Wittensand hat in den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts die Tradition wieder aufleben lassen. Die Böllerkanone von 1962 ist immer noch in Betrieb. Abgefeuert wird das Sauerstoff-Gas-Gemisch über eine elektrische Zündung. 2017 wurde in Sedelsberg der jüngste Böllerverein im Saterland gegründet.

Wer die Böllerer einmal selbst sehen und hören möchte, hat übers Jahr reichlich Gelegenheit dazu. Die Vereine richten eigene Veranstaltungen aus und sind gern gesehene Gäste bei den örtlichen Volksfesten. Ob Karnevalssession im Saterland, der Silvesterlauf an der Thülsfelder Talsperre oder der Stoppelmarkt – erst wenn die Kanonen donnern, geht es richtig los.