Ist das schon heute oder doch noch gestern? Wer sich anschaut, welche Gerätschaften Theresa Wedemeyer in ihrem Werkzeugkoffer mit sich führt, kommt um diese Frage nicht herum. Etwa die Ahle, mit der sich Löcher vorstechen lassen. Die Registerschere und die Bündezange. Das Falzbein und das Radiermesser. Alles Utensilien für ein Handwerk, dessen Ursprünge weit zurückgehen. Bis ins 12. Jahrhundert, genau genommen.
Und noch eine Frage: Sind Bücherfreunde nicht per se Nostalgiker? Hoffnungslose Romantiker? Leute, die womöglich sogar den Anschluss an das Jetzt verpasst haben? Warum also wird eine junge, toughe Frau heute Buchbinderin? Theresa Wedemeyers Antwort ist entwaffnend. „Weil ich Bücher liebe", sagt sie. „Sie sind facettenreich und ästhetisch, fühlen sich gut an, sind einfach schön." Jedenfalls dann, wenn sie intakt sind.
Ist das noch Handwerk oder schon Kunst?
Dass das nicht immer der Fall ist, sichert der 30-Jährigen ihr Auskommen. Und so landet schon mal eine zerfledderte Hausbibel oder ein lädiertes Märchenbuch auf ihrem Tisch. „Könnten Sie vielleicht mal ...?" Ja, sie kann. Vorsichtig zerlegt sie den Band. Lose Seiten werden akkurat wieder eingefügt, der Buchrücken repariert, der Einband gekonnt überholt. Ist das noch Handwerk oder schon Kunst? Theresa Wedemeyer lässt die Frage im Raum stehen. Klar ist: Ein von ihr so wunderbar aufgepäppeltes Buch hat ein zweites Leben geschenkt bekommen.
Ihre Arbeit ist auch ein Statement gegen die moderne Ex-und-hopp-Mentalität. Kaufen, lesen, wegwerfen – das passt so gar nicht zu der Emstekerin, die nach der Buchbinderlehre in Marburg für dreieinhalb Jahre auf der traditionellen Handwerkerwalz unterwegs war. „Diese Zeit möchte ich nicht missen", betont sie. Die Gemeinschaft der Wandergesellen habe sie geprägt, überall habe sie zusätzliches Wissen einsammeln und ihre Fähigkeiten stetig verbessern können.