Wie eine Welle baut sich der Klang auf, wenn die Sprengepiel Pipers zu Scots Wha Hae ansetzen. Der Bass Drummer startet mit dem Grundschlag, die kleinen Snares kündigen die Melodie an und dann erklingt es, das charakteristische Pfeifen der Bagpipes. „Die können aus dem Nichts einen infernalischen Krach machen. Da bekommt man Gänsehaut“, beschreibt es Christof Lienesch, der seit Jahren mit dem Bagpipe-Virus infiziert ist. „Der Grundton liegt eineinhalb Töne höher als bei den meisten anderen Instrumenten. Das Vibrieren geht unter die Haut, beim Spielen fangen förmlich die Knochen an zu schwingen.“ Seit Anfang 2022 regelmäßig auch in Vechta.
Fasziniert von Musik jeglicher Art ist Lienesch schon immer – sein erstes Instrument lernt er trotzdem erst mit Anfang dreißig: chromatische Mundharmonika. Er macht lange Hausmusik, will dann etwas Neues lernen. Und verliebt sich in die Great Highland Bagpipe, den Dudelsack. Als Bandmitglied bei den Dersa Highlanders entwickelt er schnell eine Leidenschaft für schottische Musik und Kultur. Nur eines stört ihn: der lange Weg aus Vechta zu den Proben nach Damme. Lieber würde er sich nur kurz aufs Rad schwingen. „Und dann habe ich mir gedacht, ich probiere eine eigene Band im Nordkreis auf die Beine zu stellen.“ Ganz bewusst will er keine Konkurrenz zu Damme schaffen, vielmehr ein Angebot für Anfänger: innen. Eine Gemeinschaft, die zusammen lernen und wachsen soll. In Rainer Wördemann, dem Leiter der Kreismusikschule Vechta und altem Schulfreund, findet er einen Unterstützer.
Und in der Bevölkerung schon überragende Resonanz. „Zu Beginn habe ich gesagt: Wenn ich bis Ostern vier bis fünf Leute habe, zünde ich eine Kerze an.“ Bereits 15 Minuten nach seinem ersten Aufruf in den sozialen Medien hat er den ersten Interessenten. Und es werden täglich mehr. „Bei vierzig haben wir gestoppt. Es musste ja auch ein fundierter Unterricht organisiert werden.“ Für viele der neuen Bandmitglieder erfüllte sich mit der schottischen Musik ein lang gehegter Traum. Christof Lienesch hat offene Türen eingerannt. Über 2000 Jahre reichen die Ursprünge der Sackpfeife zurück. Sie wurde von Europa bis Vorderasien gespielt, bis ins 18. Jahrhundert auch in Deutschland. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erlebt sie hier ihr Revival durch schottische Pipe Bands, die mit der britischen Besatzung kommen. Eine Szene entsteht und wächst: Heute sind über 90 Pipe Bands in Deutschland organisiert, nehmen an Wettbewerben rund um den Globus teil. Sie alle eint die Ernsthaftigkeit, mit der sie die Traditionen aus den Highlands auch in Deutschland pflegen. In Schottland löst das nicht etwa Stirnrunzeln aus, sondern Begeisterung. „Wir waren mit Freunden unterwegs und haben gefragt, ob wir in einem Schlossgarten Fotos machen dürften“, erinnert sich Christof Lienesch. Die mitgebrachten Kilts, Dudelsäcke und auch die Spielkünste begeisterten so sehr, dass den Deutschen danach das Schloss offenstand. „Ins nächste sind wir dann gleich in voller Montur gefahren und wurden ebenso freundlich aufgenommen.“