Schottische Tradition

Die Piper von Vechta

21.07.2023
Autorin: Alke zur Mühlen

In Vechta erfüllen sich Träume von schottischer Musik. Wie in kurzer Zeit eine Musikgemeinschaft wächst, erklärt Alke zur Mühlen.

DURCHGESTARTET Von Null auf Pipe & Drum Band in nur einem Jahr. Die ersten Proben der gesamten Band waren für die Sprengepiel Pipers etwas ganz Besonderes. Zusätzlich wird in Instrumentengruppen und individuell geübt.

Wie eine Welle baut sich der Klang auf, wenn die Sprengepiel Pipers zu Scots Wha Hae ansetzen. Der Bass Drummer startet mit dem Grundschlag, die kleinen Snares kündigen die Melodie an und dann erklingt es, das charakteristische Pfeifen der Bagpipes. „Die können aus dem Nichts einen infernalischen Krach machen. Da bekommt man Gänsehaut“, beschreibt es Christof Lienesch, der seit Jahren mit dem Bagpipe-Virus infiziert ist. „Der Grundton liegt eineinhalb Töne höher als bei den meisten anderen Instrumenten. Das Vibrieren geht unter die Haut, beim Spielen fangen förmlich die Knochen an zu schwingen.“ Seit Anfang 2022 regelmäßig auch in Vechta.

Fasziniert von Musik jeglicher Art ist Lienesch schon immer – sein erstes Instrument lernt er trotzdem erst mit Anfang dreißig: chromatische Mundharmonika. Er macht lange Hausmusik, will dann etwas Neues lernen. Und verliebt sich in die Great Highland Bagpipe, den Dudelsack. Als Bandmitglied bei den Dersa Highlanders entwickelt er schnell eine Leidenschaft für schottische Musik und Kultur. Nur eines stört ihn: der lange Weg aus Vechta zu den Proben nach Damme. Lieber würde er sich nur kurz aufs Rad schwingen. „Und dann habe ich mir gedacht, ich probiere eine eigene Band im Nordkreis auf die Beine zu stellen.“ Ganz bewusst will er keine Konkurrenz zu Damme schaffen, vielmehr ein Angebot für Anfänger: innen. Eine Gemeinschaft, die zusammen lernen und wachsen soll. In Rainer Wördemann, dem Leiter der Kreismusikschule Vechta und altem Schulfreund, findet er einen Unterstützer.

Und in der Bevölkerung schon überragende Resonanz. „Zu Beginn habe ich gesagt: Wenn ich bis Ostern vier bis fünf Leute habe, zünde ich eine Kerze an.“ Bereits 15 Minuten nach seinem ersten Aufruf in den sozialen Medien hat er den ersten Interessenten. Und es werden täglich mehr. „Bei vierzig haben wir gestoppt. Es musste ja auch ein fundierter Unterricht organisiert werden.“ Für viele der neuen Bandmitglieder erfüllte sich mit der schottischen Musik ein lang gehegter Traum. Christof Lienesch hat offene Türen eingerannt. Über 2000 Jahre reichen die Ursprünge der Sackpfeife zurück. Sie wurde von Europa bis Vorderasien gespielt, bis ins 18. Jahrhundert auch in Deutschland. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erlebt sie hier ihr Revival durch schottische Pipe Bands, die mit der britischen Besatzung kommen. Eine Szene entsteht und wächst: Heute sind über 90 Pipe Bands in Deutschland organisiert, nehmen an Wettbewerben rund um den Globus teil. Sie alle eint die Ernsthaftigkeit, mit der sie die Traditionen aus den Highlands auch in Deutschland pflegen. In Schottland löst das nicht etwa Stirnrunzeln aus, sondern Begeisterung. „Wir waren mit Freunden unterwegs und haben gefragt, ob wir in einem Schlossgarten Fotos machen dürften“, erinnert sich Christof Lienesch. Die mitgebrachten Kilts, Dudelsäcke und auch die Spielkünste begeisterten so sehr, dass den Deutschen danach das Schloss offenstand. „Ins nächste sind wir dann gleich in voller Montur gefahren und wurden ebenso freundlich aufgenommen.“

HINGUCKER Die schottische Distel ziert die Bass-Drums, das Logo die Gürtelschnalle. Die Kilttasche (Sporran) macht das Outfit perfekt.

Feine Streifen in leuchtendem Purple (Violett) durchziehen die neuen Kilts der Sprengepiel Pipers. Der Vereinsname ist angelehnt an den Rittmeister Lambert Sprengepiel, der der Legende nach nachts als schwarzer Kettenhund durch Vechta spukt. Die Farbe erinnert an die schottische Distel. Der Tartan, wie das Webmuster genannt wird, wurde eigens designt und ist offiziell in Schottland registriert. Er darf nur von den Vechtaer:innen getragen werden. Zur Grundausstattung gehören außerdem Kiltstrümpfe, Strumpfmesser, Kilttasche und mehr. Der finanzielle Aufwand allein für die Outfits beträgt je Bandmitglied etwa 1.500 Euro. Die Drummer bekommen ihr Instrument durch den Verein gestellt. Die Piper investieren weitere 2.500 Euro. „Es ist kein billiges Hobby, aber ein sehr erfüllendes. Man muss dafür schon brennen.“ Starthilfe hat sich der Verein durch eine Crowdfunding-Aktion mit der örtlichen Volksbank verschafft. Dank einer Spende der Bürgerstiftung Vechta stehen ab dem Sommer auch drei Dudelsäcke als Leihinstrumente zur Verfügung. „Im August eröffnen wir damit eine neue Anfängergruppe“, freut sich Christof Lienesch.

„Wir sind eine richtig produktive Musikgruppe“, freut sich Christof Lienesch.

Montags und donnerstags treffen sich die Sprengepiel Pipers zur Probe. Sie sind in nur einem Jahr eine eingespielte Gemeinschaft geworden. Jung trifft auf alt, Menschen mit Instrumentenerfahrung auf solche, die das erste Mal musizieren. Auch ein Vater-Tochter-Gespann ist seit der Gründung dabei. Er ist Mitte fünfzig und lernt die Snare, die Melodietrommel, sie ist Anfang zwanzig und erfüllt sich mit dem Dudelsackspiel einen Jugendtraum. „Wir sind eine richtig produktive Musikgruppe, in der es keine Grüppchenbildung gibt und ein herzlich-fröhlicher Umgang gepflegt wird“, freut sich Initiator Lienesch, dass sein Plan aufgegangen ist. Inzwischen sind die Sprengepiel Pipers musikalisch so weit, dass erste Auftritte absolviert wurden. Und man kann sie buchen. Oder am besten gleich mitmachen. Dann geht die Musik direkt unter die Haut.

HERAUSFORDERND Der schottische Dudelsack ist eines der schwierigsten Instrumente der Welt. Bis Konzentration, Koordination und Atmung stimmen, braucht es viel Disziplin, Ehrgeiz und Talent. Eine einfache Übungsflöte, der Practice Chanter, hilft beim Einstieg.