Wirtschaftsregion

Infrastruktur vorantreiben

09.01.2024
Autor: Roland Kühn

Wer sich einen Blick in die Geschichte des OM erlaubt, wird merken, dass die großen Infrastrukturmaßnahmen der Vergangenheit stets einen wirtschaftlichen Schub für die Region mit sich brachten. Der Bau von Schienen- und Wasserwegen, Bundesstraßen und der A 1 bedeutete den Anschluss an die deutschen Wirtschaftszentren. Investitionen in Infrastruktur sind also immer auch Wirtschaftsförderung. Längst geht es dabei nicht mehr nur um den reinen Gütertransport. Im Werben um Fachkräfte spielt heute auch der ÖPNV eine immer wichtigere Rolle. Über aktuelle Konzepte sprachen die beiden Landräte Wimberg und Gerdesmeyer mit Roland Kühn. 

ALLE ZWEI JAHRE IM AMT WECHSELND Cloppenburgs Landrat Johann Wimberg (links) und sein Vechtaer Kollege Tobias Gerdesmeyer stehen dem Verbund Oldenburger Münsterland als Präsidentenduo vor.

Herr Wimberg, Sie haben dem Niedersächsischen Wirtschafts- und Verkehrsminister Olaf Lies ein eigenes Gutachten zur Wirt­schaft­lichkeit der Reaktivierung der ehemaligen Bahnstrecken Essen (Oldenburg)–Meppen sowie Cloppenburg–Friesoythe–Ocholt überreicht. Für eine Reaktivierung braucht es Geld vom Land, das diese beiden Trassen im Kreis Cloppenburg aber nicht in die nächste Auswahlstufe hochgezogen hat. Die Linien hatten im Kriterienkatalog zu wenig Punkte erhalten. Nun bescheinigt Ihr Gutachten einer Reaktivierung gute Voraussetzungen. Auch der Minister hat eine nochmalige Prüfung der bisherigen Beurteilung zugesagt. Kommt jetzt doch eine Reaktivierung?

Wimberg: Die Untersuchungen der TU Braunschweig und der PTV Transport Consult GmbH Düsseldorf, die Sie ansprechen, bescheinigen die technische Machbarkeit und die Wirtschaftlichkeit  für eine Reaktivierung der beiden Bahnstrecken. Auf der Strecke von Essen über Löningen weiter nach Meppen sind die Gleise vollständig vorhanden. Die Strecke wird für den Güterverkehr durchgängig genutzt. Auf der zweiten Strecke von Cloppenburg über Garrel und Bösel nach Friesoythe sind ebenfalls noch die Gleise verlegt. Die Herausforderung für diese Strecke wird eine Verlängerung sein, der Lückenschluss von Friesoythe über den Küstenkanal und die B 401. Auf ­Saterländer und Barßeler Gebiet nach Ocholt/Westerstede ist auch eine für den Güterverkehr genutzte Schieneninfrastruktur vorhanden. Durch die nötigen Brückenbauten im Bereich des Küstenkanals ergibt sich hier eine größere Investition. Dennoch schneiden beide Strecken im Gutachten sehr gut ab und geben Anlass, weiter eine Reaktivierung ­anzustreben.

Bei uns sind die Potenziale vorhanden, denn wir fangen planerisch nicht bei Null an, was ja in Deutschland den meisten Aufwand ­bedeutet und die meiste Zeit beansprucht. Wenn man in der großen Politik schon von Verkehrswende in Deutschland spricht, dann muss man auch im ländlichen Raum zeigen, was möglich ist, denn die großen Zentren sind ja erschlossen. Wenn jemand Verkehrswende sagt, dann muss er diese am Ende auch durchführen. Man muss jetzt in der Fläche der Republik schauen: Wo kann ich die Infrastruktur verbessern?

Für den Landkreis würden die Reaktivierungen bedeuten, dass mehr als die Hälfte der 13 Städte und Gemeinden – dann sieben – an das überregionale Bahnnetz angeschlossen wären. Bahnkunden könnten dann fast ohne Umsteigen die Metropolen erreichen.

Es ist wichtig, an das bundesweite Schienennetz angebunden zu sein. Je öfter ein Mobilitätskunde den Verkehrsträger wechseln muss, umso unattraktiver wird eine Fahrt. Für uns geht es um weitere Mobilität, ohne auf das Auto angewiesen zu sein. Da spielt die Bahn eine wichtige Rolle und da haben wir, glaube ich, vor Ort noch Nachholbedarf. Darüber hinaus begrüßen wir sehr, dass das Land Niedersachsen die Umsetzung der Elektrifizierung der bestehenden, durch den Landkreis führenden Eisenbahnlinie Wilhelmshaven–Oldenburg–Osnabrück angekündigt hat. Auch diese Linie RE 18 ist wichtig fürs OM. Hier brauchen wir eine höhere Taktung, eine Verbesserung der Pünktlichkeit und einen durchgehenden Halbstundentakt. Wenn es jede halbe Stunde eine Anbindung gäbe, wäre die Region gut erschlossen. Wir wollen Veränderungen! 

Herr Gerdesmeyer, die Zahl der Verkehrs­projekte im Landkreis Vechta ist nicht so umfangreich wie im flächenmäßig wesentlich größeren Kreis Cloppenburg, aber der Anschluss an das überörtliche Bahnnetz ein guter Hinweis. Auch Ihr Landkreis hatte zuletzt keine Verbindung mehr an das In­tercity-Netz. Die gab es aber schon einmal über den Bahnhof in der Stadt Diepholz, bis der Halt dort abgeschafft wurde.

Gerdesmeyer: Tatsächlich ist es so, dass seit Mitte Dezember 2023 wieder EC- und ICE-Halte in Diepholz stattfinden. Das sind zwei Verbindungen Richtung Hamburg morgens in den frühen Morgenstunden, eine abends mit dem ICE. Richtung Ruhrgebiet haben wir ebenfalls morgens und abends EC- und ICE-Anschluss. Die Zeiten liegen ­zwischen 5 und 6 Uhr sowie 22 und 23 Uhr. Für uns ist das sehr wichtig.

Auch wir brauchen die Anbindung an das überörtliche Bahnnetz. Die schaffen wir aber nicht über eine eigene Bahnverbindung aus dem Landkreis Vechta nach Diepholz. Die gibt es nicht. Wir setzen deshalb auf die Einrichtung einer so genannten landesbedeutsamen Buslinie. Zwischen den beiden Kreisstädten im OM, zwischen Cloppenburg und Vechta, gibt es bereits eine regelmäßige Busverbindung im Stundentakt. Würde man diese als landesbedeutsame ­Linie weiterführen nach Diepholz, dann wäre der Zustieg in die schnellen Züge möglich. Die Landkreise im OM sind auch bei diesem Thema eng bei­einander. Wir werden dem Verkehrsminister dazu bald ein gemein­sames Papier über­reichen.

Wimberg: Die IHK Oldenburg hat – auch durch eine im Vorfeld erfolgte Einbindung der ansässigen Unternehmen – ein Thesenpapier erstellt. Darin werden die Schwerpunkte der Verkehrswegeentwicklung im ­Oldenburger Land definiert. Eine wichtige Trasse für die Kreise Cloppenburg und Vechta ist die bereits angesprochene Bahnlinie von Wilhelmshaven über Oldenburg nach Osnabrück. Die hat für uns hohe ­Priorität.

Gerdesmeyer: Wir fühlen uns als Region schon ein wenig zurückgesetzt, was die ­Verkehrswege angeht. Wir im Kreis Vechta legen viel Wert auf die Linie RB 58 von ­Bremen über Vechta nach Osnabrück. Auch hier geht es perspektivisch um eine Elektrifizierung oder Teilelektrifizierung der Strecke. Wir haben aktuell eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, weil wir dafür Bahn­übergänge schließen müssten.

Wir haben noch zu viele technisch nicht ­gesicherte Übergänge. Es sind noch sechs Gemeinden im Kreis, in denen das der Fall ist. Die Sicherung ist letztlich die Voraussetzung, dass wir auf Dauer die Geschwindigkeit und die Taktungen der Züge erhöhen können. Wir wollen auch ein Ausweichgleis bauen und sind parallel mit der Landesverkehrsgesellschaft und der Nordwestbahn im Gespräch, weil ab 2026 eine Neuausschreibung der Verbindung ansteht und möchten natürlich unsere Wünsche umgesetzt sehen.

Schließungen von Bahnübergängen sind immer problematisch …

Gerdesmeyer: Es gibt immer ein Sowohl-als-auch. Und man muss ehrlich sein: Wenn wir als Kreis alles technisch Machbare für die öffentliche Mobilität und gesicherte Bahnübergänge wollen, dann hat das auch Auswirkungen auf die Gemeinden und die Anlieger. Man muss im Dialog Lösungen ­finden – etwa dann, wenn Bahnübergänge ­geschlossen werden sollen. An diesen technischen Sicherungen sind wir dran. Das Thema bearbeiten wir parallel zum Anschluss an die überörtlichen schnellen Bahnlinien in Diepholz. Im Zusammenhang mit der Linie RB 58 gibt es noch eine weitere Teilfacette: Wir schauen derzeit, wo Gewerbegebiete einen eigenen Gleisanschluss erhalten könnten, um auch wieder mehr Güter auf die Bahn zu bekommen. Das ist möglich. In einer Gemeinde gibt es bereits konkrete Überlegungen gemeinsam mit einem ansässigen Unternehmen. Das wollen wir unterstützen. Weitere Standorte für den Güterumschlag sind möglich, weil bei uns die Nordwestbahn fast durch den gesamten Landkreis fährt.

Eben solche Anschlussmöglichkeiten sind ja auch oft der Grund für die Reaktivierung von Strecken, wie etwa aktuell in Garrel im Südkreis Cloppenburg.

Wimberg: Da baut ein Mischfutterhersteller einen eigenen Gleisanschluss, weil er dauerhaft mehr Güter mit der Bahn transportieren will. 2024 wird der Anschluss in Betrieb genommen. Diese Investition ist möglich, weil die Strecke im Eigentum der Friesoy­ther Eisenbahngesellschaft erhalten werden konnte und dort bereits Holzumschlag stattfindet. Sonst aber ist die Schaffung neuer Bahninfrastruktur nicht so einfach – vor allem, weil es sehr viele regulatorische Vorschriften gibt. Das eingangs angesprochene Gutachten hebt zwar auf den Personenverkehr ab, der Güterverkehr ist aber ebenso wichtig. Grundsätzlich geht es um ein vernünftiges Kosten-Nutzen-Verhältnis. Und da sind wir wieder bei der Reaktivierung: Das Land schaut nur, wie viele Bürger und damit ­Nutzer über die Wiederbelebung einer Bahnstrecke erreicht werden können.

Von den beiden Strecken war die Nordstrecke von Cloppenburg nach Friesoythe und potenziell weiter nach Westerstede bei vorangegangenen Bewertungen immer besser eingestuft, da es mehr Einwohner an der Strecke gibt. Wenn auch zwischen Essen und Meppen weniger Einwohner leben, so muss man dort auch das Potenzial sehen, das diese Strecke für die Kreisbewohner als Anbindung an die überörtlichen Bahnverbindungen mit sich bringt. Die Bevölkerung wird die Verbindung nutzen, wenn es dort Personenzüge gibt.

Gerdesmeyer: Das stimmt. Wichtig ist nicht nur, wie viele Personen die Bahn nutzen, sondern auch, was an Güterumschlag zu erwarten ist. Wenn Güter aus dem Kreis Vechta bis nach Osnabrück gehen können, dann sind das unzählige Lkw-Bewegungen im Jahr, die nicht mehr auf der Straße unterwegs sind. Wir sprechen mit einer Gesellschaft des Landkreises Osnabrück, die
auch eine eigene Lok betreibt und sich eine ­Zusammenarbeit im Güterumschlag durchaus sehr gut ­vorstellen kann.

Über viele alte Bahnstrecken im Kreis Cloppenburg führen heute Fahrradwege. Insbesondere in Friesoythe dürfte eine Wiederinbetriebnahme der alten Strecke schwierig werden, da diese fast durch den Stadtkern führt.

Wimberg: Eine neue Trasse kann verlegt werden, da die Streckenführung durch ­Friesoythe planungsrechtlich immer noch ­vorhanden ist. Das ist auch kein Horror­szenario für Anlieger. Überall fahren Züge durch Städte – in Bremen oder in Oldenburg genauso wie anderswo. Man kann Niederflurgleise verlegen und Geschwindigkeiten verringern. Und man muss die Strecke baulich an die Gegebenheiten anpassen. Den Kaufleuten am Europaplatz zum Beispiel, also dort, wo früher einmal der Friesoyther Bahnhof stand, ist bekannt, dass dort eines Tages wieder Zugverkehr kommen könnte. Aber natürlich ist eine Weiterführung ab Friesoythe hin zum Industriepark c-port sowie die Querung des Küstenkanals und der Bundesstraße 401 der finanziell größere Wurf. Die Brückenbauwerke zu bauen, ist nicht billig. Aber für den Per­sonenverkehr wäre diese Anbindung sehr in­teressant. Im Norden des Kreises gäbe es dann Anschluss an ICE und Regionalexpress. Das wäre für uns im Kreis schon ein großer Schritt nach vorne. Sehr attraktiv wäre natürlich der Gütertransport auf der Strecke, gerade weil sie zum Küstenkanal führt.

Was sagt denn der Niedersächsische ­Wirtschaftsminister zur Reaktivierung der Strecken im Kreis Cloppenburg?

Wimberg: Der zeigte sich positiv gestimmt. Allerdings wird es am Ende – wie bei so ­vielen Dingen – am Geld liegen. Wir haben in Niedersachsen über 50 zur Reaktivierung angemeldete Strecken. 14 sind jetzt übrig geblieben. Auffällig war allerdings, dass die meisten der berücksichtigten Strecken nicht im Nordwesten lagen, sondern im Südosten des Landes. Und da fragen wir uns natürlich auch: Wie kann das sein? Das Land muss Ausgewogenheit herstellen, sehen, dass der Bahnverkehr die Menschen überall im Land erreicht. Wenn wir hier im Nordwesten keine Anbindungen bekommen, dann ist das doch schon ein bisschen besorgniserregend.

Zurück zum ÖPNV mit weiteren Verkehrs­trägern. Herr Gerdesmeyer, Sie sprachen den Busverkehr an.

Gerdesmeyer: Die jetzt anlaufende landesbedeutsame Buslinie zwischen Vechta und Cloppenburg wird auch in der Wahrnehmung der Bevölkerung ein Meilenstein sein. Sieben Tage in der Woche ein Angebot vorzuhalten, von 5 Uhr morgens bis 23 Uhr, und kürzere Fahrzeiten zwischen den beiden Kreisstädten – das ist, glaube ich, wirklich eine sehr gute Möglichkeit, die beiden Zentren des OM angemessen zu verbinden, ­gerade wenn es darum geht, kulturelle ­Veranstaltungen und Einkaufsmöglichkeiten wechselseitig zu nutzen.

Wichtig wäre es außerdem, eine weiterführende Bus­linie mit Diepholz hinzubekommen. Wie ­diese nun genau ausgestaltet wird, wäre noch zu klären. Aber die drei Kreise eng miteinander zu verzahnen, idealerweise natürlich auch mit unserem Rufbussystem moobil+, das wäre schon ein Angebot, dass weiter in die Fläche ausstrahlt.

Wir haben dabei ausdrücklich die Nutzung durch Berufspendler, Studenten und Auszubildende im Blick. Die überregionalen Buslinien werden auch eine hohe Bedeutung für den Tourismus haben. So etwa würden Verbindungen zwischen dem Dümmer-See oder der Thülsfelder Talsperre bis hin zur Küste entstehen. Das Angebot muss aber verlässlich sein, damit es dann auch in den Köpfen der Menschen ankommt.

Bei alledem müssen wir uns immer bewusst machen: Wir werden natürlich im ländlichen Raum immer eine gewisse Bedeutung des Individualverkehrs haben, und das ist auch, das sage ich ganz offen, überhaupt nicht verkehrt. Denn wir können nicht alle Wege durch öffentliche Angebote abdecken.

Daher ist für unsere Landkreises auch das Thema Mikromobilität von großer Bedeutung. Es gibt eine ganze Bandbreite zusätz­licher, insbesondere ökologischer Mobilität. Elektrofahrräder, Lastenräder, Bus oder ­Auto: Es wird Mischformen geben. Darauf müssen wir als Landkreise reagieren, und durch breite Pendlerradwege oder andere Verkehrswege die Infrastruktur dafür schaffen, sich umweltfreundlicher in unserer ­Region bewegen zu können.

Wimberg: Ich wehre mich als Vertreter eines Flächenlandkreises allerdings dagegen, dass pauschal gesagt wird, es gibt den guten Verkehrsträger und den schlechten. Jeder Verkehrsträger hat aktuell seine Berechtigung, auch vor dem Hintergrund ökologischer Betrachtungen oder dem Klimaschutz. Wir bleiben weiter auf leistungsfähige Straßenverbindungen angewiesen – vor allem, weil alternative, umweltfreundliche Kraftstoffe und E-Mobilität auf dem Vormarsch sind. Wir im Landkreis diskutieren seit 40 Jahren über die Neuausrichtung unserer Straßen, unserer Magistralen. Der Straßenverkehr nimmt stetig zu, aber uns daran mit einem Ausbau anpassen, das haben wir bisher nicht können.

Gerdesmeyer: Wir können den Verkehrs­trägerwechsel begleiten. Kann ich mein E-Bike am Bahnhof oder an der Bushaltestelle gut und geschützt abstellen? Gibt es künftig ein Package-System für die Räder? Bekommen wir vielleicht sogar ein Mietsystem für Fahrräder in unseren beiden Landkreisen hin, wie man es von Großstädten und den dort nutzbaren E-Rollern kennt?  Vielleicht müssen wir so etwas kreisweit implementieren, weil das eine Gemeinde allein vielleicht nicht kann. Das Szenario halte ich aber für ganz wichtig und ich würde auch eine Lanze dafür brechen wollen.

Wenn wir etwa breite und oder neue Rad­wege nach holländischem Beispiel wollen, bekommen wir das nicht immer an vorhandenen Straßen hin. Deshalb haben wir ganz bewusst einen Inge­nieur eingestellt, der sich genau mit diesem Thema auseinandersetzen soll: Verbes­serung von Radwegen und Infrastruktur. Neue ­Verkehrswege zu bauen, ist leider nicht immer ­populär. Allerdings müssen wir, nehmen wir die Verkehrswende ernst, diese Themen ­angehen.

Kommen wir zum Straßenverkehr: Herr Gerdesmeyer, die Landesstraße 846 von Vechta über Lohne und Steinfeld nach Damme führt durch den halben Landkreis und ist eine der am stärksten befahrenen Straßen im Land. Es gibt seit Jahrzehnten die Diskussion, diese Straße auszubauen. Wie weit sind diese Pläne gediehen?

Gerdesmeyer: Bei den durch den Landkreis führenden Bundesstraßen 69 und 214 gibt es unserer Ansicht nach keine großen Verkehrsprobleme – zumindest keine, von denen wir glauben, dort mit dem Bund gemeinsam etwas machen zu müssen. Das funktioniert alles ganz gut.

Was die Landesstraße 846 angeht, gibt es derzeit keine Ausbaupläne. Angesichts der propagierten Verkehrswende bezweifle ich, dass Pläne, diese Straße in der Breite zu verdoppeln – was an vielen Stellen wahrscheinlich auch faktisch gar nicht möglich ist – zurzeit überhaupt durchführbar sind. Es gibt sicherlich stark belastete Stellen, aber man muss dann sehen, wie man diese Knotenpunkte auflöst, so wie man es momentan an der Kreuzung mit der B 214 in Steinfeld macht.

Herr Wimberg, der Landkreis Cloppenburg hat ein großes Projekt vor der Brust, nämlich den Ausbau der E 233/B 213 von Hollands Grenze bis zur A 1. Im Kreisgebiet soll zwischen der Kreisgrenze zum Landkreis Emsland über Löningen, Lastrup und Cloppenburg bis nach Emstek zur A 1 die Fahrbahn ausgebaut werden. Das Projekt ist nicht unumstritten. Aktuell kommen Vorschläge auf den Tisch, vom geplanten vierspurigen Ausbau Abstand zu nehmen und einen so genannten 2-plus-1-Ausbau
wie zwischen Cloppenburg und der A 1 vor­zunehmen. Was sagen sie dazu?

Wimberg: Ich habe das Projekt mit meinem Amtsantritt 2008 übernommen. Bereits viel früher hatten sich die Kreise Cloppenburg und Emsland entschlossen, den Ausbau zu forcieren und entsprechende Planungen auf den Weg zu bringen. Der Wille zum Straßenausbau ist also nichts Neues.

Die aktuelle Frage lautet, wie es mit Planung und dem Straßenausbau weitergeht. 2-plus- 1 ist ganz zu Beginn untersucht worden. Das Ergebnis war eindeutig: Der vierspurige Ausbau ist leistungsfähiger. Mit ihm wird eine höhere Verkehrssicherheit erreicht und deutlich Reisezeit eingespart. Im Übrigen wäre die Erstellung eines dreispurigen ­Ausbaus ähnlich vorzunehmen wie ein vierspuriger. Brückenbauwerke müssten für die Kreuzungsbereiche mit bestehenden Straßen immer errichtet werden. 

Wir haben jetzt mit zwei Landkreisen die Planung von sieben Abschnitten für Bund und Land vorgenommen. Da können wir kurz vor der Planfeststellung nicht die Ausbauüberlegungen ändern. Wenn wir alle bisherigen Planungen einstampfen und ganz neu drei­spurig ­planen, beginnen wir wieder bei Null und vernichten Planungskosten in Mil­li­o­nen­­­höhe. Für neue Planungen würden dann erneut zehn Jahre oder mehr ins Land gehen. Auch Preisentwicklungen sind hierbei zu beachten.

Das alles geht nicht, zumal, und das ist eigentlich das wichtigere Argument für mich, die Abwägung der Alternativen ja bereits stattgefunden hat. Die 2-plus-1-Variante wurde ausdrücklich verworfen, gerade auch vor dem Hintergrund der hohen Belastung der E 233 mit Schwerlastverkehr.

In den Niederlanden ist die Strecke bereits ausgebaut. Wir sind also auf der deutschen Seite wieder ein deutliches Stück hinterher. Es wird höchste Zeit, dass wir den Ausbau jetzt voranbringen. Das Verkehrsministerium in Hannover wissen wir auf unserer Seite, auch was die Priorisierung im Bundesverkehrswegeplan angeht. Wir und der Landkreis Emsland gehen davon aus, dass die Planungen in der bisherigen Form rea­lisiert werden. Dass das nicht einfach wird, da öffentliche Mittel knapper werden, dar­über sind wir uns schon im Klaren.

Der Laie würde trotzdem sagen: Wenn schon eine vierspurige Planung da ist, dann kann es doch nicht unmöglich sein, diese auf die 2-plus-1-Variante herunterzubrechen?

Wimberg: Das ist deutsches Planungsrecht. Man kann nicht einfach sagen, wir nehmen jetzt eine Spur weniger, denn die ganzen Querschnitte der Trasse werden anders. Viele durchgeprüfte Dinge würden erneut geprüft werden müssen. Das dürfte insbesondere auf die Betrachtung der Einwirkungen auf Natur und Landschaft zutreffen.

Gerdesmeyer: Mir steht es nicht zu, über die Planungen unseres Partnerlandkreises zu urteilen. Aber, davon losgelöst, vertrete ich die Meinung, auch wenn sie nicht populär ist, dass wir auch in Zukunft noch Straßeninfrastruktur brauchen. Ich glaube, wenn man sich, nachdem man die Notwendigkeit eines Projektes festgestellt hat, heute den Mühen der Planung und dem damit verbundenen Aufwand stellt, dann sollte man es auch umsetzen – egal, ob es ein Parkhaus oder eine andere Infrastrukturmaßnahme ist.

Man sagt uns allgemein ein weiteres Wachstum von Verkehr voraus. Man muss also im Prinzip auch heute immer noch schauen, ob dem steigenden Bedarf in der Zukunft Rechnung getragen wird. Und ich sage auch: Selbst wenn der ÖPNV hier einen Effekt haben wird, werden wir noch über Jahrzehnte eine große Bedeutung des Individualverkehrs in unserer Region haben.

Aus Vechtaer Sicht passt der Bau der neuen Anschlussstelle an der A 1 an der Kreisstraße 149/Riester Damm/Niedersachsenpark sehr gut in diesen Kontext der Zukunftsplanungen. Da hat bislang wirklich alles in der Zusammenarbeit mit dem Bund schnell und sehr gut geklappt. Wir sind jetzt in der Ausschreibung. Die Bauarbeiten sollen im Frühjahr 2024 losgehen, die Fertigstellung ist bis Ende 2025 geplant. Der Anschluss ist wirklich eine Maßnahme, die unser interkommunales Gewerbegebiet Niedersachsenpark mit einer eigenen Abfahrt stärkt und obendrein für die anliegenden Orte eine große Bedeutung hat.

Beim Thema Anbindung von Gewerbegebieten kommt auf der Cloppenburger Seite der Ecopark in Emstek-Drantum im Kreuzungsbereich von B 72/A 1 in den Blick. Das Gewerbe- und Industriegebiet soll an der B 72 einen weiteren Anschluss in Höhe der Gemeinde Cappeln erhalten. Wie weit sind die Planungen?

Wimberg: Das ist der Abschnitt 8 der oben erörterten Ausbauplanungen der E233, der sich im Feststellungsverfahren befindet. Der Ecopark wird damit zusätzlich über die Anschlussstelle Cappeln-Siehenfelde am westlichen Ende des Parks angeschlossen. Wann gebaut wird, darüber würde ich keine Prognose abgeben wollen. Wir wollten schon viel weiter sein als jetzt. Aber es zeigt sich, dass Planung in Deutschland manchmal ein Buch mit sieben Siegeln ist.

Die Planung auf acht Abschnitten zwischen Emstek/A 1 und, ich sage mal, der Autobahn 31 ist langwierig. Wir hoffen, dass wir noch in dieser Legislaturperiode des Landtages einen ersten Spatenstich an der E 233 hinkriegen. Das dürfte dann beim ersten Abschnitt an der A 31 in Meppen passieren, da ist man am weitesten. Da aber auch noch gegen jeglichen Planfeststellungsbeschluss geklagt werden und es weitere zeitliche Verzögerungen geben kann, ist es schwierig, eine Prognose zu treffen.

Gerdesmeyer: Da muss ich loben, dass es mit der Anschlussstelle für den Niedersachsenpark so schnell ging, vor allem mit dem Anschluss der Landesstraße 78 in Vörden. Was gute Verkehrspolitik bewirken kann, das sieht man gerade deutlich im Südkreis Vechta. Die Verbindung von der A 1 zur A 31 und nach Holland hat für beide OM-Landkreise eine hohe Bedeutung. Das wird auch in der Wirtschaft so gesehen. Bei aller Kritik hat so ein Straßenbau auch viele positive Facetten. Für den Kreis Vechta ist es wichtig, dass es eine gute Anbindung in die Niederlande und die dortigen Häfen gibt.

Wichtig ist auch die Bündelungsfunktion, die solche überregionale Trassen haben können, beispielsweise, wenn man Strom- oder Gasleitungen dort entlang verlegen kann. Auch die gewerbliche Entwicklung wird natürlich angestoßen. Und eine mögliche Entwicklung beeinträchtigt nicht die vorhandenen Strukturen in den Orten, denn der Durchgangs- oder Lieferverkehr bleibt weitgehend in den Gewerbeflächen an den Magistralen.

Ein Verkehrsthema, dass beide Landkreise angeht: Die Rufbuslinie moobil+ ist inzwischen in ihren Kreisen etabliert. Wird sie auch gut angenommen? Man hört von mangelndem Zuspruch. Gerade ist die Gemeinde Saterland im Nordkreis Cloppenburg sogar aus der Mitfinanzierung ausgestiegen.

Gerdesmeyer: Wir haben seit jetzt zehn Jahren das Angebot moobil+ als unser eigenes zentrales ÖPNV-Angebot im Kreis Vechta. Die Besonderheit ist, dass die Busse nicht auf starren Linien fahren, sondern sowohl feste Haltepunkte als auch bedarfsorientierte Fahrten haben, die durch den Kunden angefordert werden können. 2023 hatten wir mit Stand Mitte November 155.000 Nutzer. 2022 waren es 140.000. Die Akzeptanz des Systems wird zunehmend größer. Für den Kreis Vechta sind die 15 Linien ein Erfolgsmodell, das aktuell noch um die Va­riante moobil+-Taxi ergänzt wurde. Wichtig ist, so glaube ich, eine einfache Nutzung ­anzubieten, heute also eine gute App zu ­haben. Die haben wir jetzt.

Wir müssen aber schauen, wo wir das ­Modell erweitern können, etwa mit Fahrten am Wochenende oder in Randzeiten. Wir streben natürlich auch an, dass wir einen einheitlichen Tarif mit der Nordwestbahn gestalten. Zurzeit funktioniert das mit dem 49-Euro-Ticket, allerdings nicht über ein gemeinsames Buchungs- und Bezahlsystem für moobil+ und Bahn. Wir werden uns jetzt explizit dieser Thematik und der Schaffung einer klaren Tarifstruktur annehmen.

Im Landkreis selbst haben wir das 19-Euro- Monatsticket für moobil+ angestoßen. Wo­rüber ich mich besonders freue ist, dass unsere Aktion „Fahrschein statt Führerschein“ gut ankommt. Rund 80 Personen haben ihren Führerschein gegen eine Jahresfahrkarte für den Bus eingetauscht. Ich bin der Überzeugung, dass das landkreisübergreifende System ein wichtiger Baustein in unserem ÖPNV-Angebot im OM ist.

Wimberg: Wir sind ja später eingestiegen in die Personenbeförderung mit moobil+. Ähnlich wie im Kreis Vechta ist der Rufbus eine wichtige Ergänzung der vorhandenen ÖPNV- Angebote, mit dem sich auch Lücken schließen lassen. Wir erreichen Bevölkerungsgruppen, denen man zuvor gar kein Angebot gemacht hat. Auch wir schauen, wo wir das System noch optimieren können. Wir fahren jetzt montags bis freitags. Man muss natürlich darüber nachdenken, ob man auf Samstag und Sonntag ausbauen will. Das wird durchaus verlangt. Da es aber auch viel Geld kostet, das System wochentags ans Laufen zu bekommen, müssen wir neue Ideen immer sehr genau prüfen.

Das Rufbussystem hat sich aber auch bei uns positiv entwickelt. Wir sind ja in der ­Coronazeit gestartet, als die Menschen nicht unbedingt geneigt waren, sich mit ­anderen in den Bus zu setzen. Wir haben dennoch steigende Zahlen. Aktuell sind 14 Busse im Einsatz – in Friesoythe wegen der großen Fläche zwei, sonst ein Bus je Stadt oder Gemeinde im Kreis. 2020 hatten wir rund 14.000 Fahrgäste, 2021 waren es 16.000, 2022 sogar 64.000 und bis zum 31. Oktober 2023 knapp 85.000. Die Kurve zeigt also deutlich nach oben. Der Landkreis Cloppenburg hat deshalb auch die Verste­tigung von moobil+ ­beschlossen und will das System als ­dauerhaftes An­gebot ­erhalten.

Eine Linie, die Saterländer Linie, wird ab dem 1. April 2024 allerdings entfallen. Die Saterländer haben das An­gebot nicht angenommen. Das ist leider zur Kenntnis zu nehmen. Wir hätten gerne ein flächendeckendes Angebot gehabt, aber der Ausstieg war nun einmal  der Wunsch der Gemeinde. In Cloppenburg wird mit vier neuen Stadtbus­linien eine Ausweitung des Systems erfolgen. Hier werden bald acht Busse fahren.

Grundsätzlich ist zu sagen, dass ÖPNV im ländlichen Raum eine Herausforderung ist und bleibt. Den Menschen neue Verkehrs­träger nahezubringen, braucht auch Geduld und Geld auf Seiten des Anbieters.

Wir investieren in das System und wollen es sich entwickeln lassen. Je mehr Menschen in ­unseren Bussen sitzen, umso leiser werden die Kritiker werden. Wir merken jedenfalls: Es tut sich was.

Gerdesmeyer: Das ist genau das Spannungsfeld. Es wäre einfacher, wenn regelmäßig ein Bus auf festen Strecken fahren würde. Dann aber gäbe es immer auch Zeiten, in denen ohne Gäste gefahren würde. Das ist dann auch sehr aufwändig und kostet viel Geld. Dort, wo wir merken, dass das Angebot gut angenommen wird, verstetigen wir natürlich die Linien. Das ist bei uns tatsächlich die Nord-Süd-Achse, über die wir vorhin auch schon beim Straßenbau gesprochen haben. Und das ist die Buslinie S 60, die im Süden von Damme in den Nordkreis fährt, und so gut angenommen wird, dass wir diese per­spektivisch aus dem moobil+-Bedarfs­system herausholen und künftig im Stundentakt verkehren lassen wollen. Eine weitere Linie, die wir im Blick haben, ist die aus dem Südkreis Vechta zur Stadt Osnabrück, die Linie 585.

Die Erkenntnisse, ob eine Linie gut läuft oder nicht, gewinnt man erst, wenn so ein System wie bei uns jetzt zehn Jahre läuft. Ein nächster Schritt ist es für uns, das bestehende und gut laufende Stadtbussystem in Vechta einzubinden. moobil+ nehmen Kreis und Kommunen heute in der Finan­zierung als Gemeinschaftsaufgabe wahr. 374.000 Euro zahlt der Landkreis jährlich. Und 334.000 ­Euro, also etwa genauso viel, zahlen die zehn Städte und Gemeinden, Gott sei Dank, sehr einmütig.

Auch, wenn wir jetzt die Mobilitätsthemen E-Ladestruktur, alternative Kraftstoffe oder Carsharing außer Acht lassen: Wie sehen Sie beide Ihre Landkreise in Bezug auf die bestehende und zukünftige Verkehrswege- und Mobilitätsinfrastruktur aufgestellt?

Wimberg: Wenn wir über Mobilität und In­fra­struktur sprechen, dann kann ich festhalten, dass sich beide Landkreise, also das Oldenburger Münsterland insgesamt, gut aufgestellt haben. Wir stehen allen neuen Mobilitätsformen aufgeschlossen gegenüber – wohl wissend, dass es keine gute und keine böse Mobilität gibt, sondern eine Mobilität, die vielschichtig ist und aufeinander abgestimmt sein muss. Man darf nicht mit ideologischen Scheuklappen das eine verteufeln und das andere bejubeln.

Gerdesmeyer: Da stimme ich zu. Der In­dividualverkehr mit dem Auto oder dem Fahrrad und der ÖPNV auf der Schiene oder mit dem Bus haben allesamt ihre Berechtigung. Wichtig ist, eine Durchlässigkeit zu schaffen, das Angebot, von einer Mobilitätsform in die andere wechseln zu können.

Für die Zukunft sehe ich in unseren Landkreisen besonders die Buslinie zwischen den beiden Kreisstädten Vechta und Cloppenburg, die ja jeweils auch einen Halt an den jeweiligen Bahnhöfen hat, als äußerst bedeutsam an. Wenn erst bekannter wird, dass man zwischen den beiden Städten in einem akzeptablen zeitlichen Rhythmus hin und her fahren kann, wird die Verbindung auch genutzt. Am Ende ist das Wichtigste, die ÖPNV-Angebote auch im ländlichen Raum in die Köpfe zu bekommen.

IM GESPRÄCH Ende November 2023 trafen die beiden Landräte auf den für die Wirtschaft bei OM-Medien zuständigen Reporter Roland Kühn.
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