Herausforderungen
Diese finanzstarken Mitbewerber stellen mittelständische Familienbetriebe wie Siemer vor neue Herausforderungen. Mit ihrer Marktmacht sind die Konzerne in der Lage, günstigere Einkaufspreise bei Maschinen und Fahrzeugen durchzusetzen. Durch die vertikale Integration haben sie entlang der gesamten Prozesskette von der Sammlung bis hin zur Vermarktung bessere Möglichkeiten die Preise zu bestimmen. Aber viele regionale Entsorger haben sich in den letzten Jahren darauf eingestellt und können durchaus mithalten. Dank kurzer Entscheidungswege und höchster Flexibilität sind sie der übermächtig erscheinenden Konkurrenz oft eine Nasenlänge voraus.
Ein gutes Beispiel dafür ist bei Siemer der geplante Umbau der erst 2019 in Betrieb genommenen Sortieranlage für Gewerbemüll. Da sich die Voraussetzungen auf dem Recyclingmarkt stark verändert haben, kam der Gedanke auf, ob sich der Standort nicht für den Einstieg in das chemische Recycling eignen würde. Mithilfe dieser Technik lassen sich PE- bzw. PP-Kunststoffe in Leichtverpackungen, die sonst in die thermische Verwertung gehen, wieder nutzbar machen. In der Kunststoffindustrie wird damit schon länger experimentiert, aber bislang lohnte sich der relativ aufwendige Prozess finanziell nicht. Das hat sich aufgrund der Rohstoffknappheit und der gestiegenen Preise geändert. Anders als in großen Konzernen fiel die Entscheidung bei Siemer für die Investition in Höhe von rund 1,5 Millionen Euro innerhalb kürzester Zeit. Es bedurfte weder langwieriger Marktstudien noch dutzender Gremiensitzungen, um die neue Recyclingtechnologie auf den Weg zu bringen.
Digitalisierung
Tradition – auch wenn sie wie bei Siemer 100 Jahre zurückreicht – genügt im harten Wettbewerb alleine schon lange nicht mehr. Deswegen setzt auch die Entsorgungsbranche auf Digitalisierung. Siemer hat beispielsweise bereits 2015 die GPS-Ortung von Fahrzeugen und die GPS-Zeiterfassung eingeführt. Für die Disposition ist das ein Meilenstein, der auch den Kunden zugutekommt. Denn wenn der Disponent jederzeit alle Fahrzeuge im Blick hat, kann die kurzfristige Abholung eines vollen Containers auf Kundenwunsch schneller mal dazwischen geschoben werden.
Mit der GPS-Technik können auch die Standorte von Altglascontainern erfasst werden. Dadurch ist es möglich, automatisch eine aktuelle Liste der Sammelstellen für das Internet zu generieren. Bei über 200 Containern, die Siemer anfährt, wäre das händisch nur mit erheblichem Aufwand zu lösen. Für die kommunale Müllabfuhr wurde zudem der digitale Tourenplan eingeführt. Dadurch kann jeder Fahrer jede beliebige Tour abfahren, bei gleichbleibender Servicequalität. Weitere Neuerungen wie die Containerortung sind bereits in Planung. Alle Investitionen in die digitalen Prozesse haben immer die Steigerung des Kundenservices und die Optimierung bestehender Workflows zum Ziel, was sich letztlich wieder in den Entsorgungspreisen niederschlägt.