Mit dem Holzbock fing es an
Der Vater ihres Mannes war Inhaber der „Ölzentrale" in Löningen, verkaufte Öl und Fette, berichtet Hildegard Remmers. Zuerst in der Garage der Eltern lagerte der 2004 verstorbene Bernhard Remmers sein Warenangebot. Dieses sei „allumfassend" gewesen, berichtet die 94-Jährige.
Ihr Mann sei nach dem Krieg von Löningen aus mit dem Motorrad über Land gefahren. Er habe den Landwirten „alles verkauft, was diese gebrauchen konnten". Darunter auch ein Produkt, das in der Gegend sehr gut nachgefragt wurde: Ein Mittel zur Bekämpfung des Holzbockes. Schnell übernahm Remmers für seinen Holzschutz-Lieferanten die Vertretung im gesamten norddeutschen Raum. Die Angestelltenzahl wuchs permanent, Hildegard Remmers als Kassenführerin und mit der Hand auf den Lohnzahlungen immer sehr wichtiger Teil der Entwicklung des Familienbetriebes.
Das Verhältnis von Remmers zum Lieferanten des Mittels gegen den Holzbockbefall war sehr gut. „Eines Tages brachte Bernhard dann das Rezept für das Mittel mit nach Hause", erinnert sich Hildegard Remmers an den Moment, als die Produktion eigener Holzschutzmittel in Löningen beginnen konnte. Um das Stammhaus herum wurde erweitert, wuchsen nach und nach neue Gebäude in die Höhe. „Das Geld, was wir verdienten, wurde sofort wieder investiert", erinnert sie sich.
Einen weiteren Wachstumsschub gab es für die Firma mit der Einstellung eines Chemikers Anfang der 60er-Jahre, den Bernhard Remmers aus Düsseldorf nach Löningen lotsen konnte. „Dafür hatte Bernhard ein Talent – er hat immer gute Leute gefunden, die ihm bei der Weiterentwicklung des Betriebes geholfen haben – er selbst war ja gar kein Chemiker, aber ein ausgezeichneter Kaufmann und Chef," sagt Hildegard Remmers. Mithilfe neuer Verfahren und über spezielle Verkieselungsmittel gelang die Bauwerksabdichtung gegen Feuchtigkeit und Nässe. Nun wurde auch der Bautenschutz zu einem gewinnbringenden Geschäftsfeld der Firma.
Gerd-Dieter Sieverding
Maßgeblich getrieben wurde die weitere Firmenentwicklung von Gerd-Dieter Sieverding. „Beruflich hatte ich vorher so gar nichts mit Chemie zu tun", erinnert sich der heute 74-Jährige an eine für ihn „spannende Zeit". Eigentlich sollte der Betrieb von Günther Remmers weitergeführt werden – so der Plan der Eltern. Besonders Bernhard Remmers bereitete seinen Sohn konsequent auf die spätere Führungsrolle im Unternehmen vor. Der frühe Unfalltod des potenziellen Nachfolgers bereitete aber allen Planungen ein schreckliches Ende, so Hildegard Remmers, die noch heute ihrem Schwiegersohn Gerd-Dieter sehr dankbar ist, dass er „damals bereit war, der Familie zu helfen. Er hat das Unternehmen zusammengehalten und schließlich weiter ausgebaut." Schnell hatte sich Sieverding in die für ihn fremden Geschäfte eingearbeitet, die er als Vorstandsvorsitzender 20 Jahre lang bis 2006 führte.
Er blickt zurück auf eine Unternehmensentwicklung, in der es nie „grundsätzliche Einbrüche" gab, sondern „immer eine kontinuierliche Entwicklung". Dabei habe er, wie alle in der Familie, stets die drei Leitmotive der Familie verfolgt: „Kontinuität, Innovation und Expansion". Es versteht sich, dass diese Remmers-Philosophie auch Sohn Dirk Sieverding in sich trägt. Der 45-Jährige führt seit 2006 als Vorstandsvorsitzender der inhabergeführten Unternehmensgruppe die Geschäfte.
Gesunde Firma, organisches Wachstum
Das Unternehmen sei gesund, sagt Gerd-Dieter Sieverding, der heute den sechsköpfigen Aufsichtsrat als Vorsitzender führt. Es habe zwar schon Kaufanfragen für Remmers gegeben, aber der Familie sei „nie in den Sinn gekommen" das Unternehmen zu veräußern. Man sei über die Jahrzehnte immer gewachsen, vornehmlich aus eigener (Finanz-)Kraft. Das organische Wachstum habe immer im Vordergrund gestanden. Nur einmal habe man ein Unternehmen übernommen. Mit dem Kauf der Firma „3H-Lacke" sei es gelungen, sich im Bereich der Möbellacke neu aufzustellen. Sieverding sieht als Meilenstein der Entwicklung von Remmers insbesondere die Umstellung von lösemittelbasierten auf wasserbasierte Lacksysteme: „Remmers war der erste Hersteller am Markt, der wasserbasierte Lacke angeboten hat."
Gegen den Wettbewerb grenze man sich deutlich ab. „Ein wesentlicher Teil unserer Geschäfte ist der Know-how-Transfer". Remmers verkaufe „erklärungsbedürftige Produkte". Über Schulungen der Verarbeiter in der eigenen Bernhard Remmers Akademie oder auch auf der Baustelle gelinge es, die Stärken der Produkte zu transferieren.
Architekten und Planern wird über das Bernhard Remmers Institut für Analytik (BRIfA) Fachwissen im Bereich Bautensanierung und Denkmalschutz zur Verfügung gestellt. Fachplanerische Leistungen und bauphysikalische Untersuchungen sind wesentliche Bausteine und zusätzliche Serviceleistung in diesem Bereich. Die eigenständige Remmers Fachplanung steht im Kundenverhältnis sogar verbindlich für ihre Beratung ein.
Das Unternehmen Remmers gilt als führend im Bereich Bauwerkserhaltung in Europa. Nicht nur die Produkte, sondern auch eine leistungsfähige Logistik sowie Service- und Analyseangebote für Handwerker und Planer bilden ein einzigartiges Gesamtpaket für die Kunden.
Aktuell hat Remmers mehr als 400 Produktsysteme in seinem Programm. Bautenschutz- und Instandsetzungssysteme, Holzschutz- und Holzveredelungssysteme, Bodenschutz- und Bodenbeschichtungssysteme sowie Bauwerkserhaltung und Baudenkmalpflege bilden die vier Säulen des Unternehmens. Die als gemeinnützige Gesellschaft operierende Bernhard Remmers Akademie würdigt übrigens seit dem Jahr 2000 mit einem eigenen Preis herausragende handwerkliche Leistungen in der Baudenkmalpflege.
332 Mio. Euro Umsatz, 38 Prozent Export
Der Umsatz der Remmers-Gruppe betrug im Jahr 2018 insgesamt 332 Millionen Euro. Der Hauptsitz ist in Löningen, Zweigwerke sind in Bad Düben bei Leipzig sowie Hiddenhausen/Ostwestfalen, eine Niederlassung befindet sich in Heidelberg. Darüber hinaus gibt es europaweit 16 Tochtergesellschaften. Die Exportquote liegt bei inzwischen 37,5 Prozent. Ein Vertrieb in weltweit 30 Ländern garantiert für den Absatz der Produkte. Neben dem Verkauf in den deutschsprachigen Ländern sind vor allem Europa sowie östliche Staaten wie etwa Russland Absatzschwerpunkte.
Sehr viel hat man in den vergangenen Jahren investiert, erzählt Gerd-Dieter Sieverding. Remmers verfügt in Löningen über hochmoderne Produktionsanlagen und Maschinen; gerade wurden fast 8 Mio. Euro in ein neues Kompetenzzentrum Holzoberflächen gesteckt, das bald bezogen wird. Dieses dient auch der eigenen Entwicklungsabteilung zur Erprobung neuer Produkte.
Obwohl nicht mehr im operativen Geschäft tätig, ist Gerd-Dieter Sieverding immer noch regelmäßig im Unternehmen. Das Personal, damit das Betriebsklima, liegt ihm am Herzen. „Im Unternehmen wird bis hoch in die Führungsetage das Prinzip der offenen Tür gepflegt. Die Familie ist und bleibt Ansprechpartner. Wir gehen alle offen und ehrlich miteinander um, wie die so genannten Runder-Tisch-Gespräche zeigen, zu denen wir uns regelmäßig treffen, und uns auf allen Ebenen austauschen."
Zugleich pflegt Remmers das Bild des unternehmerisch handelnden Mitarbeiters. Für das gute Verhältnis zu den Mitarbeitern steht auch das Modell Vertrauensarbeitszeit. Zeichen des guten Umgangs miteinander ist die Wahl in die Riege der 1.000 besten Arbeitgeber Deutschlands. Dabei steht Remmers vor allem für eine gute Ausbildung. 90 Auszubildende lernen in den Unternehmen der Gruppe ihren Beruf.
Nach einer Studie von Focus Money aus dem Jahre 2019 sind die Löninger bester Ausbildungsbetrieb in der Chemieindustrie und haben dabei sogar Bayer oder Evonik hinter sich gelassen.
Gerd-Dieter Sieverding hat das vor allem bei den größeren Unternehmen im Südkreis Cloppenburg gelebte Konzept „Ausbildung plus" entscheidend mitentwickelt. Die frisch ausgelernten Industriekaufleute im Haus können über Zusatzqualifikation und Auslandsaufenthalt einen dem Betriebswirt gleichgestellten Abschluss erwerben.
In Löningen zu Hause
Remmers ist nicht nur wichtiger Arbeitgeber. Das Engagement in der Region ist ebenfalls groß. So unterstützt das Unternehmen den nach ihm benannten Remmers-Hasetal-Marathon des VfL Löningen. Rund 3.000 Laufsportbegeisterte sind alljährlich dabei. Remmers-Mitarbeiter können sich im Rahmen des betriebseigenen Gesundheitsmanagement-Programms „remmersfit" auf den Lauf vorbereiten. Ein besonderes Steckenpferd von Gerd-Dieter Sieverding ist der Erhalt und der Ausbau der einzigartigen Kinotechnischen Sammlung Dr. Heinz Dobelmann in Löningen. Der Trägerverein, in dem er Vorsitzender ist, zeigt hier über 100 verschiedene Projektoren aus den Anfangszeiten des Kinos. Für die Unterstützung der Sammlung gab es 2016 den Niedersächsischen KulturKontakte-Preis.
Bis zum Alter von 80 Jahren war auch Hildegard Remmers, die noch immer im Stammhaus auf dem Firmengelände wohnt, regelmäßig im Buchhaltungsbüro, „bis man mich da nicht mehr gebrauchen konnte. Es wurde dann ja alles elektronisch", lächelt die rüstige Dame. „In den ersten Jahren im Ruhestand konnte ich mich nicht wirklich trennen", blickt sie ein wenig wehmütig zurück.
Bis vor wenigen Jahren war sie überdies regelmäßiger Gast auf dem Treffen der ehemaligen Mitarbeiter, „doch mittlerweile kenne ich da kaum noch jemanden, die sind ja alle viel jünger als ich." Den Unternehmerpreis für das unternehmerische Lebenswerk „nehme ich auch für meinen Mann entgegen", ist sie schon ein wenig stolz über so viel Anerkennung.
2019 feierte Remmers das 25-jährige Bestehen des Werkes in Bad Düben, 70 Jahre Unternehmen und 100 Jahre Geburtstag von Bernhard Remmers, da passt doch der Preis des Oldenburger Münsterlandes für das Lebenswerk sicher ganz gut in die Reihe? „Wir werden bestimmt noch Platz dafür haben", schmunzelt Gerd-Dieter Sieverding.
Gefeiert wird der Preis in der Gründungsgarage? „Nein", lacht Sieverding, „die gibt es heute nicht mehr!"