Familienunternehmen

Existenzgründung durch Unternehmensnachfolge

01.11.2023
Autor*in: Lisa Knoll

Die Übernahme eines bestehenden Unternehmens ist für viele junge Leute ein attraktiver Weg der Existenzgründung – oft sogar innerhalb des familieneigenen Betriebs. Doch was gilt es, dabei zu beachten? Christoph Kolbeck, Professor für Familienunternehmen und Gründung an der Hochschule Hildesheim, gibt Tipps für eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge und zeigt damit verbundene Herausforderungen auf.

Herr Professor Kolbeck, was sollten Unternehmensinhaber:innen bei der Wahl ihrer Nachfolge beachten?

Die Wahl sollte auf der Basis von Kompetenz und Eignung erfolgen – und nicht aufgrund von Familienbeziehungen. Bei der Besetzung der Führungsposition gilt der Grundsatz: Unternehmen vor Familie. Die frühzeitige und gut durchdachte Nachfolgeplanung mit den richtigen Menschen an Bord ist das Fundament, auf dem das Unternehmen und die Familie sich auf den Wechsel vorbereiten können.

Wie lange im Voraus sollte eine Unternehmensnachfolge vorbereitet werden?

Die Unternehmensnachfolge ist kein einmaliger Prozess, sondern eine systematische Management-Aufgabe. Die meisten Unternehmen veranschlagen einen Zeitraum von zwei bis vier Jahren für die Vorbereitung und Umsetzung der Übergabe. Gut ein Viertel lässt sich sogar vier bis sechs Jahre Zeit. Das ist auch aus meiner Erfahrung realistisch. Ein klarer Zeitplan mit definierten Meilensteinen – die Übergabe der Geschäftsführung, die Kommunikation mit den Mitarbeitenden sowie die Übertragung der Gesellschaftsanteile – stellt eine solide Grundlage dar.

Welche Vorteile bietet eine familieninterne Nachfolgeregelung?

Die interne Nachfolge steht vor allem für eine Fortführung der familiären Kultur und Werte, also die Weitergabe der DNA des Unternehmens im doppelten Sinne. Oft sollen durch den bestehenden Namen der Familie Kontinuität und Vertrauen bei Mitarbeitenden, Kund:innen und Geschäftspartner:innen gefördert werden. Zudem besteht durch das Zusammenfallen von Eigentum und Führung oft eine tiefe Verbundenheit und Identifikation mit dem eigenen Unternehmen. Auf Unternehmensebene kann die Beschränkung auf familieninterne Nachfolger:innen aber die Auswahl und somit die Qualität der Führungskraft limitieren. Denn der gleiche Name bedeutet nicht unbedingt auch die gleiche nötige Kompetenz. Ein Kurs kann so ins Schlingern geraten.

Welche Möglichkeiten gibt es, um eine externe Nachfolge zu finden?

Es gibt online Unternehmensnachfolgebörsen wie nexxt-change oder Biz-trade, auf denen Übergeber:innen und Nachfolger:innen einander vermittelt werden. Eine weitere Möglichkeit kann sich durchs Netzwerken ergeben: Familienunternehmen sind oft verwurzelt in einem Netzwerk aus Unternehmen, Gründungen und lokalen Institutionen wie Universitäten. Eine interessante Nachfolge-Option bieten in diesem Kontext Gründer:innen, die nach neuen Herausforderungen suchen. Sie bringen unternehmerische Denkweise sowie frische Ideen mit und sind hoch motiviert.

Welche Eigenschaften und Fähigkeiten sind für die nachfolgende Person wichtig?

Auf der persönlichen Ebene sind es Kommunikationsfähigkeit, Durchsetzungsstärke sowie Verständnis für die Bedürfnisse der Mitarbeitenden. Hinzu kommen tiefgreifende Kenntnisse über die Branche und den Markt sowie die Fähigkeit, Strategien zu entwickeln und umzusetzen. Vor allem aber sollte man sich bewusst machen, dass man selten ein Unternehmen übernimmt, um alles beim Alten zu lassen und nur Dienst nach Vorschrift zu leisten. Neue Ideen zu generieren, Mitarbeitende für innovative Themen zu begeistern und offen für die Zukunft zu sein, sind notwendige Eigenschaften einer neuen Unternehmensführung, da der Markt sich ständig wandelt.

Wo liegen die Vor- und Nachteile einer Übernahme im Unterschied zur Neugründung?

Als Nachfolger:in eines bestehenden Unternehmens treten Sie in ein bereits etabliertes System ein, mit eigenen Abläufen, Kundenbeziehungen und Marktkenntnissen – also ein vorhandenes Geschäfts- und Erlösmodell. Zudem können Sie von den Erfahrungen und dem Wissen der vorherigen Generation profitieren. Auf der anderen Seite kann die bestehende traditionelle Unternehmenskultur innovative Ideen und Veränderungen einschränken. Im Vergleich dazu bietet die Neugründung eines Unternehmens die Freiheit und Flexibilität, alles von Grund auf neu aufzubauen.

Welchen Stellenwert hat eine externe Beratung im Übergabeprozess?

Die Unternehmensnachfolge in Familienunternehmen ist eine komplexe, anspruchsvolle Managementaufgabe. Die Zusammenarbeit mit Berater:innen kann den Übergang erheblich erleichtern. Eine gründliche Bestandsaufnahme ist der erste Schritt. Auf Unternehmensebene wird eine strategische (Neu-)Ausrichtung für die nächsten Jahre festgelegt. Auf dieser Basis wird ein Anforderungsprofil für die nachfolgende Person erstellt und ein entsprechendes Qualifizierungsprogramm entwickelt, um sicherzustellen, dass sie die benötigten Kompetenzen später auch mitbringt. Auch innerhalb der Familie sollte eine solche Strategie mit den wichtigsten Spielregeln und Prinzipien für die Zukunft schriftlich fixiert werden.