Kurs Zukunft

OM 2030

So wird die Zukunft! Heute boomt die das Oldenburger Münsterland – und 2030? Wir haben uns umgehört und berichten über Visionen und bereits eingeschlagene Wege. Eine Prognose: Wir werden noch immer zu den jüngsten Regionen Deutschlands gehören. Mehr dazu im Magazin!
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Jedes Jahr, wenn die Geburtsstatistiken veröffentlicht werden, rückt das Oldenburger Münsterland in die Schlagzeilen. Von „Deutschlands jüngsten Landkreisen" und vom „Babyboom im Nordwesten" ist dann euphorisch die Rede. Tatsächlich behauptet die Region zwischen Barßel im Norden und Neuenkirchen-­Vörden im Süden seit langem ihre Spitzen­position hinsichtlich des Durchschnittsalters ihrer Bewohner. Es liegt bei knapp 41 Jahren. Und die Entwicklung hält an. So wurden allein im Landkreis Cloppenburg 2019 erstmals mehr als 2.000 Geburten registriert.

Konsequenz: Die Einwohnerzahl steigt. „Die Stufe von 150.000 ist in Sichtweite", sagt etwa für den Landkreis Vechta der Erste Kreisrat Hartmut Heinen. Letzten Angaben ­zufolge sind in den zehn Städten und ­Gemeinden zurzeit rund 143.000 Menschen zuhause. Ähnlich fallen die Prognosen für den Kreis Cloppenburg aus: Hier wird eine Zunahme um rund 5.000 auf 176.000 im Jahr 2030 erwartet. „Man muss mit diesen Zahlen vorsichtig sein", schränkt Yasmin Afzal von der ­Stabsstelle Gleichstellung, Integration und ­Demografie beim Landkreis allerdings ein. „Meistens waren wir den Prognosen ein Stück voraus."

Über 120 Unternehmen machen bei einer
Studie zur Nachhaltigkeit mit.

Beide Kreise haben sich in den ­letzten Jahren intensiv mit den daraus ­entstehenden Herausforderungen beschäftigt und ­Konzepte vorgelegt – das eine unter dem Titel „Zukunft Landkreis Vechta 2030", das ­andere „Demografie­strategie Landkreis Cloppenburg" benannt. Zwar wird darin eine leichte Alterung der Gesellschaft beschrieben, doch sollen die Veränderungen im Unterschied zu vielen anderen Regionen weniger gravierend ausfallen. Im Fazit des Cloppenburger Berichts heißt es deshalb sogar: „Auch 2030 wird das Cloppenburger Land aller Wahrscheinlichkeit nach zu den jüngsten Landkreisen in Deutschland gehören!"

Papier ist geduldig, aber wie ist die ­Region tatsächlich auf das Jahr 2030 vor­­bereitet? Mit dieser Frage befasst sich eine Studiengruppe um Professor Norbert Meiners von der Privaten Hochschule für Wirtschaft und Technik und nimmt dabei vor allem Unternehmen aus den Schlüsselbranchen Agrar- und Ernährungswirtschaft, Kunststofftechnik und Bauwirtschaft in den Fokus. Über 120 von ihnen haben sich zu Beginn des Jahres an einer Studie zur Frage „Wie ökonomisch nachhaltig ist das Oldenburger Münsterland?" beteiligt, „vom Kleinstbetrieb bis zum Hidden Champion", wie Meiners unterstreicht. „Das zeigt, welchen Stellenwert dieses Thema inzwischen auch in unserer Region hat." Die Ergebnisse werden im Sommer veröffentlicht und dürften als Leitfaden für die weitere Entwicklung dienen.

Nachhaltigkeit – dieses Stichwort wird immer wieder genannt, wenn es um die Zukunft geht. Mittlerweile scheint es gesellschaftlicher Konsens zu sein, dass wir alle so wie bisher nicht weiterleben können. Der Wirtschaftsethiker Prof. Dr. Lin-Hi von der ­Universität Vechta versteht die Coronakrise in diesem Zusammenhang als „Lackmustest für Unternehmen" und nimmt diese direkt in die Pflicht. Sie könnten jetzt beweisen, wie ernst sie es mit ihren Versprechen meinten, Verantwortung zu übernehmen. Veränderungen seien häufig schmerzhaft, aber sie müssten sein. Und man dürfe sich nicht zu viel Zeit damit lassen, sondern müsse selbst zum Motor werden. „Transformation geht nicht behutsam. Das hat zuletzt die Autoindustrie gedacht – und dann kam Tesla."

„Wir müssen die Chancen der ­Prozesse sehen und die notwendigen Schritte ganz bewusst gehen", sagt Stefan Wagner. Gemeinsam mit seiner Frau Barbara ist er ­Inhaber der Mühlener Agentur Wagner CSR und auf Nachhaltigkeits- und Kommunikations­strategien für Unternehmen, Verbände, ­Vereine und Organisationen spezialisiert. Die entscheidende Frage sei, wie man über den Einklang von Ökonomie, Ökologie und sozialen Aspekten zukunftsfähige ­Geschäftsmodelle entwickelt. Dies sei die Voraussetzung für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit. Wagner: „Die Wahrnehmung von Unternehmen und die Frage, ob Gewinne auf Kosten der Gesellschaft erzielt werden oder im Einklang mit den ­Interessen von Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten und der Natur, wird künftig noch essentieller sein", betont Wagner. Vor seinem Umzug ins Oldenburger Münsterland war der Agenturchef unter anderem Leiter Marke und Corporate Social Responsibility beim Hamburger SV sowie Geschäftsführer und Vorstand der HSV-Stiftung.

Prof.in Dr. Jantje Halberstadt und Maik Fischer setzen auf die verändernde Kraft des Neuen. Beide leiten mit Prof. Dr. Christoph Schank den Start-up-Service der Universität Vechta, der sich im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ­initiierten EXIST-Programms um die Förderung von Existenzgründern kümmert. Sie gehen davon aus, dass diese die Wirtschaft in den kommenden Jahren mit ihren inno­vativen Ideen und frischen Ansätzen mit prägen werden. „Die Region ist unternehmerisch bekanntlich sehr gut aufgestellt, es mangelt nicht an Vorbildern", unterstreicht Prof.in Dr. Jantje Halberstadt. Es gebe hier deshalb schon heute überdurchschnittlich viele Gründer, ergänzt Fischer. Und verspricht, in zehn Jahren „noch viel weiter zu sein". Das heißt: neue Netzwerke, neue Impulse, neue Perspektiven fürs Oldenburger Münsterland.

Beide erwarten ferner, dass die fortschreitende Digitalisierung der Gründer­szene einen kräftigen Schub geben wird – und das nicht nur in den Metropolen. „Das ­Community-Denken ist im ländlichen Raum ausgeprägter, Vertrauen und Offenheit sind groß." Das eröffne Chancen, die es in mancher Großstadt nicht gebe. Maik Fischer wünscht sich darüber hinaus mehr Rückendeckung für eine Kultur des Scheiterns. „Nicht jede Idee wird sofort erfolgreich sein. Aber der Mut, es überhaupt probiert zu haben, sollte immer gewürdigt werden."

Das Thema Scheitern treibt auch Heiner Zumdohme um, seit fünf Jahren ­leitender ­Pfarrer in St. Viktor Damme. Welche Rolle kommt der Kirche in einer sich wandelnden Welt zu? Wie wird sie sich den Gläubigen weiterhin zuwenden und insbesondere den Schwachen zur Seite stehen können? ­Zumdohme spricht von großen Heraus­forderungen. Vor allem der Priestermangel werde der Region zu schaffen machen: „Wir müssen uns fragen, ob wir in Zukunft wirklich noch jede Pfarrei besetzen und jeden ­Sonntag Eucharistiefeiern in der ­gewohnten Form abhalten können." Möglicher­weise müssten Laien noch mehr in den kirchlichen Dienst eingebunden werden.

Die Kirche wird
die Lebenswelten
der Menschen neu
entdecken müssen.

Auch die zunehmende Zahl an Kirchenaustritten werde nicht folgenlos bleiben. „Können wir mit weniger Geld noch alle ­sozialen und karitativen Angebote aufrechterhalten? Ich bezweifle das. Also müssen wir umdenken." Kirchliches Leben werde sich künftig weniger in Pfarrheimen abspielen, sondern „die Lebenswelten der Menschen neu entdecken müssen". Am Ende gehe es darum, vielleicht „mehr Gast als Gastgeber" zu sein. Anlass zu wirklichem Pessimismus sieht Zumdohme trotz vieler offener Fragen indes nicht. „Religion ist immer dynamisch und entwickelt sich weiter. Zudem habe die Kirche „eine wahnsinnig gute Botschaft, die für die Welt weiterhin sehr bedeutsam bleibt".

Wenn man sich mit der Zukunfts­fähigkeit einer Region beschäftigt, kommt man am Thema Wohnen nicht vorbei. Klare Sache: Wo mehr Menschen leben wollen, wird mehr Wohnraum benötigt – und zwar in den verschiedensten Varianten. Grundsätzlich gilt, dass es in den Landkreisen Cloppenburg und Vechta auch in den nächsten Jahren noch genügend bebaubare Grund­stücke geben wird. Die Preise steigen zwar, fallen aber in der Gesamtbetrachtung der Lebens­haltungskosten nach wie vor ­moderat aus. „Man kommt hier mit etwa 40 Prozent ­weniger Geld aus als beispielsweise in Hamburg", bestätigt Clemens Schwerdt­feger. Seine zu Beginn des Jahres gegründete Immobilien­beratung hat die Lage im Oldenburger Münster­land untersucht und in einer Studie aufbereitet.

 

 

AUFBRUCH Das Oldenburger Münsterland wird von den Ideen und Impulsen junger Menschen profitieren. Der Universität Vechta kommt dabei eine ganz wichtige Rolle zu

Und wer nur zu Besuch in die Region kommt? Ein paar Tage Urlaub machen möchte? „Wir freuen uns über jeden Gast – so wie bisher", erklärt Johannes Knuck. Der beim Verbund Oldenburger Münsterland verantwortliche Mann für den Tourismus geht von einem weiterhin „stetigen und soliden Wachstum" aus und fügt hinzu: „Etwas anderes können wir hier auch gar nicht." Spricht man ihn zusätzlich auf das Dauerthema Nach­haltigkeit an, hat er eine klare Meinung: „Daran kommen wir doch schon lange nicht mehr vorbei. Man muss dafür aber nicht ständig mit neuen Angeboten kommen, sondern manchmal einfach nur die bereits vorhandenen miteinander verknüpfen."

So pragmatisch wie Johannes Knuck geht die ganze Region die Zukunft an. Für 2030 und den Sprung ins nächste Jahrzehnt braucht es hier keine großen Visionen. Eher Ideen, wie sich das, was schon da ist, noch besser miteinander kombinieren und offensiv darstellen lässt. Über diese Ideen nachzudenken, das ist eine Zukunftsaufgabe, die sich lohnt.