Laufsport im OM

Unter Läufern

Autor*in: Claus Spitzer-Ewersman

Ein Dienstag im März, 17 Uhr, Parkplatz der Firma Remmers in Löningen. Feierabend. Für 25 Mitarbeiterinnen und ­Mitarbeiter geht es aber trotz ­bescheidener Wetterlage noch nicht nach Hause. Für sie heißt es: Raus aus den Arbeits­klamotten, rein ins Laufdress. Und dann die Turn­schuhe an. Durchschütteln, Dehnen, Aufwärmen und ab! „Zwischen 25 und 35 Mitarbeiter­innen und ­Mitarbeiter umfasst die Lauf­gruppe", sagt ­Melanie Tönnies vom Team der ­betrieblichen Gesundheitsvorsorge des ­Unternehmens.

VORLÄUFER Firmenchef Roland Zerhusen läuft mit gutem Beispiel voran.

Die Ersten können es gar nicht erwarten und machen sich schon auf den Weg. Einige gehen eher langsam und gemütlich los, ­andere drücken gleich ordentlich auf die Tube. Alle – „Schnecken und Renn­mäuse", wie Tönnies mit einem Schmunzeln meint – ­v­­erbindet ein Ziel: Sie wollen beim nächsten Remmers-­Hasetal-Marathon des VfL Löningen an den Start gehen. Und ins Ziel kommen. Der eine nach fünf Kilometern, der andere nach einem Halb­marathon. Vom Couch-Potato zum ­Finisher: Ohne Training geht das nicht. Übrigens auch nicht für ­geübte Läufer.

Mehr als 17 Millionen Deutsche schnüren
gelegentliche ihre
Laufschuhe.

Seit 2015 betreibt der familien­geführte Lack- und Bautenschutzspezialist sein ­betriebliches Gesundheitsmanagement namens „remmersFIT" – unter Anleitung ­erfahrener ­Trainer und mit ausdrücklicher Unterstützung der Chefetage. Ganz selbstlos geschieht das nicht. „Nur gesunde Mitarbeiter­innen und ­Mitarbeiter sind in der Lage, beste Leistungen zu ­erbringen und dadurch die ­Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens langfristig zu sichern", heißt es auf der Remmers-Website. Und Bernhard Mattes, ­früherer langjähriger Vorsitzender der Geschäftsführung der Ford-Werke, meinte einmal treffend und mit Blick für das große Ganze: „Je mehr Mitarbeiter in einem Unternehmen laufen, umso besser laufen auch die Geschäfte!"

WALD UND WIESEN Möglichkeiten zum Laufen finden sich überall.

Mehr als 17 Millionen Deutsche geben einer Deloitte-Studie zufolge an, zumindest gelegentlich in ihre Laufschuhe zu ­schlüpfen. Über fünf Millionen machen das sogar regelmäßig. Nur Schwimmen und Radfahren sind noch ein wenig beliebter. Zudem hat sich Laufen längst zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor entwickelt. 725 Euro geben aktive Läufer durchschnittlich jedes Jahr für ihren Sport aus. Allein bei den Schuhen liegt der Jahresumsatz in Deutschland bei zwei Milliarden Euro. Und wer eifrig nachzählt, kommt bundesweit auf mehr als 4.000 Laufveranstaltungen zwischen ­Januar und Dezember – von den viel ­beachteten Metropolen-Marathons bis zu den traditionellen Silvesterläufen auf dem Land.

Keine Frage: Laufen ist Volkssport. Und das auch im Oldenburger Münsterland. Die Zahl der – landschaftlich zumeist reizvollen – Lauf­strecken reicht schier ins Unendliche. Hier geht es einmal rund um die Thülsfelder Talsperre, da (selbstverständlich auf sicheren Wegen) durchs Goldenstedter Moor. Wer vor einem munteren Auf und Ab nicht zurückschreckt, hat in den Dammer Bergen reichlich Auswahl an ­passenden Routen.

In beinahe jeder Stadt oder Gemeinde der Region gibt es darüber hinaus Lauftreffs und -Communities, manche privat, ­andere von ­Vereinen organisiert. Volks-, ­Silvester- und Stadtläufe für die Kleinen und Großen, für die Jungen und Alten finden sich in den Programmkalendern zuhauf. Zu den ­besonders ­renommierten Events reisen die Lauf-Fans mit Wohnmobil und Familie auch aus ­entfernten Regionen an. Eine gute Gelegenheit, um ­weitere Seiten des Oldenburger Münsterlands kennenzulernen – eine Laufregion, wie sie im Buche steht.

Das positive Image des Laufsports strahlt in vielerlei Hinsicht auf die Wirtschaft vor Ort ab. Laufen ist gesund, gilt als ­ursprünglicher und sozialer Sport, den jeder betreiben kann. Erfolgserlebnisse stellen sich in der Regel schnell ein. Große Vorkenntnisse oder gar spezielle Gerätschaften sind nicht ­vonnöten. Eine Wohltat in unserer durchtechnisierten Welt.

Und die Wirtschaft spielt mit. Betriebliche Sportgruppen stärken die Identifikation mit den Unternehmen, fördern die Motivation und den Zusammenhalt. Beispiel Zerhusen: Jedes Jahr im August nehmen rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kartonagenfabrik am Stadtlauf des OSC Damme teil. „Und mindestens doppelt so viele Kolleginnen und Kollegen sind als Fans am Straßenrand dabei und feuern sie an", gibt Kommunikationschefin Karoline Zerhusen zu verstehen. Das schweißt zusammen.

Sport steht für das, was Unternehmen suchen: Teamgeist, Leidenschaft, Willensstärke.

Ihr Mann Roland ist übrigens Vorbild für den Lauftrupp: Der ehemalige Marathoni und heutige Geschäftsführer läuft mindestens einmal im Monat die 18-­Kilometer-Strecke rund um den Dümmer. Und Firmengründer Günter Zerhusen legt noch heute täglich geschätzte fünf Kilometer bei seinen Rundgängen übers Betriebsgelände zurück. Kein Wunder bei so viel Laufbegeisterung, dass die Termine der ­Lauftreffs bei Zerhusen sogar am ­Schwarzen Brett ausgehängt werden.
Ähnlich sieht es bei Pöppelmann in Lohne aus. „Seit Jahren gibt es einen Pflichttermin für alle Lauffans bei uns", berichtet Frank Lammers, der in der Abteilung Human Resources für das betriebliche Gesundheitsmanagement zuständig ist. Gemeint ist der von der Olden­burgischen Industrie- und Handelskammer ­ausgerichtete Ausbildungslauf rund um das Zwischenahner Meer.

LÄUFERFEST Im Jahr 2019 nahmen erstmals mehr als 3.000 Lauffans am ­Remmers-Hasetal-Marathon teil.

„Dort sind Kolleginnen und Kollegen aus der Geschäftsführung bis hin zu Auszubildenden gemeinsam als Pöppelmann-Mannschaft dabei", sagt Lammers. Die Teilnahme wird von der Jugend- und Auszubildendenvertretung organisiert.

Nahezu perfektioniert hat die ­Kooperation mit lokalen Unternehmen der VfL Löningen. Die wichtigste Veranstaltung des Vereins, der Remmers-Hasetal-Marathon, trägt den Namen ihres wichtigsten Sponsors. Die EWE AG steht Pate beim jährlichen Rennen der Firmen­staffeln, 2021 soll es zusätzlich einen von der ­Emsteker Agentur Kaapke unter­stützten Teamwettbewerb geben. „Da kann dann der ­Mitarbeiter eines kleinen Betriebs an den Start gehen und sich mit dem entsprechenden Firmenlogo und -namen in unseren Ergebnislisten wiederfinden", erläutert Stefan Beumker, Ehrenvorsitzender des VfL Löningen und Mitglied im Marathon-Organisationsteam, das Konzept.

Viele Veranstaltungen im ­Oldenburger Münsterland pflegen und stärken den Team­gedanken – das gilt nicht nur im Sport. Klar ist aber auch, so Beumker: „Ohne die Unterstützung von ­Sponsoren und Gönnern könnten wir so etwas nicht durchführen." Und er betont, dass sich nicht nur die großen Unternehmen ­engagieren, sondern auch viele kleinere Firmen. Zudem sagt er etwas, was typisch ist für die Region und den überall spürbaren Zusammenhalt: „Geld ist nicht alles! Wichtig ist, dass der Firmenchef sich bei uns sehen lässt, wenn seine Mitarbeiter mitlaufen, und er den Betriebssport auch firmenintern als Mehrwert sieht." Damit ist dann nicht nur gemeint, dass die Staffel das Logo des Arbeitgebers auf den Trikots trägt ...

Karoline Zerhusen bringt einen weiteren Aspekt ins Spiel: Unternehmen, die die sportliche Betätigung ihrer Beschäftigten fördern, haben im Wettstreit um die besten Fachkräfte Vorteile. Sport steht für Teamgeist, für Leidenschaft, für Willensstärke. Also für Werte, die durchweg positiv konnotiert sind. „Darum kommen wir in Bewerbungsgesprächen auch auf dieses Thema zu sprechen. Unser Engagement spielt dann bei der Frage, ob sich jemand für uns entscheidet, durchaus eine Rolle."
2020 allerdings waren spätestens im März alle Planungen obsolet. Die Corona-Pandemie machte auch vielen Läuferinnen und Läufern einen dicken Strich durch die Rechnung. Veranstaltungen mussten ersatzlos gestrichen werden, an ein Training in Gruppen war nicht zu denken. Also allein durch den Wald, zu zweit um den See? Möglich war das, aber der Spaß hielt sich in Grenzen. Was tun? Füße hochlegen?

Für die Lohner Triathletin Katharina Stark, ihren Kollegen Matthias Fortmann (ebenfalls aus Lohne) sowie Läufer Antonius Schröer aus Vechta kam das nicht infrage. Im Gegenteil: Sie wollten ein Zeichen gegen die Vereinsamung setzen. Binnen weniger Wochen stellte das Trio Anfang Juli den „Coronathon" auf die Beine. Die Idee war so simpel wie erfolgreich: Jeder läuft so viel und weit wie er mag und ­spendet am Ende einen selbst gewählten Betrag für die Aktion „Sportler gegen Hunger". Auch ­andere sportliche Aktivitäten waren erlaubt. Selbst Tennisspieler, Dartfans und Tauchsportler machten mit. Die Sache entwickelte eine ­verblüffende Eigendynamik. Knapp 23.700 Euro kamen schließlich zusammen.

Deutlich wird auch bei diesem Beispiel: Der Laufsport hat im Oldenburger Münsterland tatsächlich eine Heimat gefunden. Das Netz der Strecken ist engmaschig, ihr Zustand bestens. Gut organisierte Veranstaltungen gibt es in Hülle und Fülle. Niemand muss hier einsame Runden im Stadtpark drehen, Mitstreiter lassen sich schnell finden. Und die Unternehmen machen das Thema zu ihrer Sache, binden es in ihre Zukunftsstrategie ein. Und alle wissen: Da geht noch mehr. Schuhe an und los!

Champions

Drei Lauftalente aus dem Oldenburger Münsterland

Talea Prepens aus Cloppenburg gehört zu
Deutschlands schnellsten Läuferinnen.

Schnellste Frau im Nordwesten
Weltmeisterin – wie das klingt! ­Talea Prepens (18) darf sich mit Fug und Recht so nennen. Bei der letzten U18-WM in Nairobi war über 200 Meter keine schneller als die Schülerin aus Cloppenburg. Gold! Ihr großer Traum: Olympia 2024 in Paris. Dafür trainiert sie vier bis fünf Mal in der Woche, täglich rund zwei Stunden. Plus Krafttraining. Bei der Deutschen Meisterschaft in Braunschweig ­erreichte die Sprinterin über 100 und 200 Meter das Finale, ­schaffte auf der längeren Strecke sogar den fünften Platz.

Ihr ist kein Hindernis zu hoch
Immer im Kreis rumlaufen? Lea Meyer findet das langweilig – und macht es doch. Aber wenigstens stehen Hindernisse auf der Laufbahn. Und ein Wassergraben muss auch überwunden werden. 3000 Meter Hindernis kann die 23-Jährige vom VfL Löningen ziemlich gut, bei der Deutschen Meisterschaft wurde sie Zweite. Trotzdem setzt sie nicht vollends auf die Karte Leichtathletik, sondern studiert Grundschullehramt in Köln, wo sie auch trainiert. Ihr Ziel: einmal an einer internationalen Meisterschaft teilnehmen.

Sie findet's cool bei den Profis
Schon als kleines Mädchen rannte sie allen locker davon. Mit 12 Jahren gewann sie den Scheunenlauf in Estorf, den Kurparklauf der Skigemeinschaft Nordschaumburg und den Baxmannlauf in ­Hessisch Oldendorf. Heute, mit 18, ist ­Mittelstrecklerin Xenia Krebs auf der großen Bühne angekommen und bei der Deutschen Meisterschaft gleich im Endlauf über 800 Meter gelandet. Im Ziel wurde die Schülerin, die für den VfL ­Löningen startet, Siebte. „Das war schon cool, mal mit den Profis zu laufen", freut sie sich.

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