Kreativbranche

Volle Schöpferkraft voraus

21.07.2023
Autorin: Vanessa Afken

Inwieweit beeinflusst Kreativität den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen? Vanessa Afken hat nachgeforscht.

SIEGESZUG Unternehmen der Kreativbranche tragen erheblich zum wirtschaftlichen Erfolg der Region bei.

Wenn über die Wirtschaftsfaktoren im Oldenburger Münsterland gesprochen wird, ist häufig von der Agrar- oder der Bauwirtschaft die Rede. Eine Branche, die oft unter den Radar fällt, ist die Kreativwirtschaft. Und das, obwohl sie eine treibende Kraft für den wirtschaftlichen Erfolg der Region ist. Nicht zuletzt, da Betriebe aus allen Sektoren von ihr nachhaltig und dauerhaft profitieren können.

Laut Definition des Bundeswirtschaftsministeriums ist unter Kreativwirtschaft die Schaffung, Produktion und Verteilung von kreativen Gütern und Dienstleistungen zu verstehen. Doch was genau sind „kreative“ Güter und Dienstleistungen? Eines ist klar: Die Branche zeichnet sich durch Vielfältigkeit aus. So unterschiedlich die Geschäftsbereiche, so haben sie doch eins gemeinsam: Mit ihrer Arbeit können sie maßgeblich zum wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen beitragen. Ein guter Grund sich näher mit den Akteur:innen zu befassen, die sich im Oldenburger Münsterland angesiedelt haben – und dabei der Frage auf den Grund zu gehen, welche Rolle Kreativität in ihrem Beruf spielt. „Viele Menschen verwechseln Kreativität mit Kunst“, ist die Einschätzung von Timo Kaapke, Gründer der Markenagentur KAAPKE, die ihren Sitz im ecopark in Drantum hat. „Ein Künstler malt ein Bild, weil ihm danach ist. Wir hingegen folgen einer klaren Aufgabenstellung, die wir dann lösen. Kreativität ist für uns kein Selbstzweck.“

"Kreativität ohne
Strategie ist Kunst“,
sagt Experte Timo
Kaapke.

Zusammen mit seinem Team entwickelt, implementiert und positioniert er Marken von mittelständischen Unternehmen. Sei es die gesamte Unternehmensmarke, speziell eine Produktmarke oder die Arbeitgebermarke, die in Zeiten von Fachkräftemangel mehr denn je gefragt ist. Alles, was im KAAPKEHAUS erarbeitet wird, geschieht mit einer klaren Zielsetzung: die Markenkraft eines Unternehmens so zu gestalten, dass sich Kund:innen und (potenzielle) Mitarbeiter:innen für ebendieses entscheiden.

Kreativität, sagt Kaapke, sei der Kern all seiner Geschäftsbereiche. Sie spiele bei der Strategieberatung genauso eine Rolle wie beim Logodesign oder im Onlinemarketing. Deswegen erwarte er sowohl von Auszubildenden im Mediendesign als auch von zukünftigen Kaufleuten für Marketingkommunikation kreatives Denken.

Das Besondere an seiner Agentur ist der ganzheitliche Ansatz, der hier verfolgt wird. „Kreativwirtschaft ist eine sehr feingliedrige Branche“, erklärt der Markenexperte. Es gebe für viele Bereiche Spezialist:innen. Umso wichtiger sei es für Unternehmen, eine Grundstrategie zu haben, nach der sich alle richten können. Sein Credo lautet: „Kreativität ohne Strategie ist Kunst.“

IM GESPRÄCH Offene Raumkonzepte ermöglichen neue Kontakte.

30 Kilometer weiter südlich bietet seit September 2022 der sogenannte InnovationsCampus in Lohne eine feste Struktur, um kreative Prozesse und Arbeitsweisen zu fördern. Philipp Hannöver gehört mit Thorsten Trimpe sowie Philipp und Jens Niehues zu den Initiatoren des Projekts. Gemeinsam entwickelten die Geschäftspartner das Konzept vom Campus, an dem Start-Ups, Gründer:innen und bereits etablierte Unternehmen Büroräume sowie Coworking Spaces nutzen und miteinander in Kontakt treten können. Durch zeitgemäß ausgestattete Arbeitsplätze mit moderner Medien- und Präsentationstechnik und einem Mix aus Konzentrations- und Kommunikationsflächen ist ein inspirierendes Arbeitsumfeld entstanden.

Obgleich es einen digitalen Schwerpunkt gibt, sind laut Philipp Hannöver Unternehmen aus allen Branchen und jeder Größe willkommen. Das sei sogar gewünscht, denn: „Es geht darum, von der Sichtweise und Expertise des jeweils anderen zu profitieren.“

Durch das offene Raumkonzept kämen die aktuell zwölf Mietparteien ganz natürlich miteinander ins Gespräch – sei es durch das gemeinsame Nutzen der Kaffeemaschine oder bei einem Plausch beim Mittagessen. „Bereits nach kurzer Zeit haben wir einen unglaublich regen Austausch zwischen den einzelnen Unternehmen wahrgenommen“, freut sich Hannöver. Zusätzlich finden regelmäßig Veranstaltungen statt, die auch Menschen anlocken, die sich nicht im InnovationsCampus eingemietet haben. „Wir sind ein öffentlicher Ort, zu dem jeder Interessierte eingeladen ist, vorbeizuschauen“, betont der 29-Jährige. Er ist überzeugt: Zwischenmenschlicher Kontakt ist Auslöser für viele Ideen und kreative Ansätze. Diese Ansicht teilt auch Agnes Bornhorst. Die freischaffende Dipl.-Ing. (FH) Innenarchitektin hat ihr Büro in Dinklage. Für die Entwicklung von Raumkonzepten ist ein enger Austausch mit ihren Auftraggeber:innen unabdingbar. Über die Hälfte aller Anfragen, die sie erhält, sind gewerblicher Natur. In den meisten Fällen geht es um den Ausbau bzw. eine Neuausrichtung bestehender Räume und Gebäude. Nur bei etwa 20 Prozent hat Bornhorst mit Neubauten zu tun. Nutzerzentriert arbeitet sie eng mit Handwerker:innen und Fachplaner:innen zusammen und kann so ein stimmiges, ganzheitliches Konzept verknüpfen. Aber: Auch bei Bestandsbauten gibt es viele Möglichkeiten. „Neue Raumstrukturen können entstehen, die zum Neubau in Sachen Komfort und Ästhetik keinen Unterschied machen”, weiß die Innenarchitektin.

Aufträge erhält sie aus den verschiedensten Branchen. Von Wohnheimen für Senior:innen und ärztlichen Praxen, bis hin zum Ladenbau, Ferienwohnungen und Bürolandschaften war schon alles dabei. Oft kommen Kund:innen mit einer Problemstellung zu ihr. In ihren Räumlichkeiten sei es zu laut oder die Raumaufteilung behindere die Arbeitsabläufe, heißt es dann. Agnes Bornhorst übernimmt dann zwei Funktionen: Beratung und Planung. Damit begleitet sie seit rund zehn Jahren namhafte Unternehmen bei der Planung, dem Bau und Umsetzen von realen und virtuellen Projekten. „Oft sind die Kunden überrascht, was alles möglich ist“, ist ihre Erfahrung.

Kreativität ist für sie ein Stück weit mit Flexibilität gleichzusetzen. Sich immer auf neue Rahmenbedingungen einzulassen und dabei mit Funktionen, Techniken und Strukturen zu experimentieren, schätzt sie besonders. „Man muss aber schon einen Sinn für Ästhetik haben und sich dafür begeistern können“, räumt die Innenarchitektin ein. Und auch ein weiterer Aspekt dürfe nicht außer Acht gelassen werden: „Unsere Branche lebt davon, dass sie von Menschen getragen wird, die Spaß bei der Arbeit haben und nach neuen experimentellen Wegen suchen.“

KONZEPTARBEIT Jeder Film ist individuell auf die Wünsche der Kund:innen zugeschnitten.

Neben großer Leidenschaft für die eigene Arbeit gilt es für sich und das Unternehmen den passenden Standort zu finden. Es muss nicht immer die Großstadt sein – denn auch ländliche Regionen wie das Oldenburger Münsterland bieten gute Rahmenbedingungen für den beruflichen Erfolg.  Ein gutes Beispiel ist die Filmproduktionsfirma wohlfarth film, die ihren Hauptsitz in Cappeln hat. „Die Wege sind kurz und man spricht einfach dieselbe Sprache“, beschreibt Geschäftsführer Christian Wohlfarth den Standortvorteil. Ihm liegt die Zusammenarbeit mit den regionalen Unternehmen am Herzen. Rund 90 Prozent seiner Kund:innen kommen aus der Region.

Das am häufigsten angefragte Format ist der klassische Unternehmensfilm, dicht gefolgt vom Recruitingfilm, letzterer oft in Kombination mit Varianten für Social Media. Die Vorteile, die eine Mischung aus Ton und Bild mit sich bringt, definiert Christian Wohlfarth wie folgt: „Komplexe Sachverhalte können leicht verständlich wiedergegeben werden. Darüber hinaus eignen sich Filme optimal, um Emotionen aufzubauen oder zu transportieren.“

In den sozialen Netzwerken ernten Videoclips im Vergleich zu Fotos deutlich mehr Aufmerksamkeit und Klickzahlen. Auch Suchmaschinen reagieren sehr gut auf Bewegtbilder. Für Unternehmen, die in die Produktion solcher Aufnahmen investieren, bedeutet das im Umkehrschluss mehr Reichweite, Bewerbungen und Umsatz.

Die Basis für jedes Filmkonzept bildet eine sogenannte Storyline, die vorab von Christian Wohlfarth und seinem siebenköpfigen Team entwickelt wird. „Hier beginnt unsere kreative Arbeit“, so der 44-Jährige. Ab da ziehe sie sich durch alle weiteren Arbeitsschritte wie die Dreharbeiten, die Bildbearbeitung, den Schnitt und die Musikauswahl. „Wir nehmen uns Zeit. Jeder Film ist individuell auf den Kunden zugeschnitten“, beschreibt der gebürtige Münsteraner den Mehrwert seiner Arbeit für die Unternehmen.

Es zeigt sich: Kreativität hat mehrere Facetten und Fachbereiche. Im Oldenburger Münsterland finden sich viele etablierte Kreativschaffende, die mit ihrer Arbeit einen wichtigen Beitrag leisten. Sie verbessern maßgeblich die Wahrnehmung, Arbeitsqualität und Leistungsfähigkeit örtlicher Unternehmen und stellen sie so zukunftssicher auf. Somit ist die Kreativwirtschaft ein verhältnismäßig kleiner, aber wertvoller Bestandteil der regionalen Wirtschaft.