Vechta, 1806: Notfall im Haus des Armenvogts. Seine Frau und die vier Kinder zeigen schwere Vergiftungserscheinungen. Schuld sind die kurz zuvor von der Mutter gebackenen Pfannkuchen. Statt Mehl hat sie offenbar Arsen verwendet. Und so wird der Schmaus zum Graus. Der eilends herbeigerufene Arzt und der zuständige Amtmann gehen der Sache auf den Grund: Wie ist die Familie an das Gift gekommen? Und warum wurde es in den Pfannkuchenteig gerührt? Versehen oder Verbrechen?
Oldenburg, 2022: Prof.in Dr.in Christine Vogel von der Universität Vechta und Lukas Aufgebauer vom Museumsdorf Cloppenburg sitzen vor ihren Mikrofonen und sprechen über das Geschehen. Es ist keineswegs ein fiktiver Fall, sondern waschechte Geschichte. Am Ende heraus kommt dabei die neue Folge ihres Podcasts „Vergessene Verbrechen“. „Ein True Crime Podcast, aber kein typischer“, erklärt Christine Vogel lachend. Denn die Kriminalfälle haben sich alle im 18. und 19. Jahrhundert im Oldenburger Münsterland – ehemals Teil des Großherzogtums Oldenburg – zugetragen. „Dahinter stehen echte Menschen und Schicksale. Es sind wahre Begebenheiten, die wir eng an den Quellen aus dem Niedersächsischen Landesarchiv, Abteilung Oldenburg, nacherzählen“, ergänzt Lukas Aufgebauer die Aussage seiner Kollegin.
Der Podcast ist
eine Mischung aus
Erzählung und
wissenschaftlichem
Beleuchten.
Der Podcast ist ein gemeinsames Projekt der Universität Vechta und des Museumsdorfs Cloppenburg. Sein ursprüngliches Ziel war, Studierenden des Fachs Geschichte die Archivarbeit näherzubringen. „Die Aufgabe lautete, kreativ aufzuarbeiten, wie man damals im ländlichen Raum gelebt hat. Um das Ganze spannend zu gestalten, habe ich das Thema Konflikte und Kriminalfälle ausgewählt“, berichtet Christine Vogel. Natürlich hätte man sich auch auf Geschäfte oder Feste der damaligen Zeit konzentrieren können. „Die Streitigkeiten und Gräueltaten erwecken aber noch einmal ein besonderes Interesse“, weiß sie.
Christine Vogel und Lukas Aufgebauer arbeiten nicht zum ersten Mal zusammen. Auch die Studierenden kommen weiterhin zum Zug, von der Archivarbeit bis hin zu dem einen oder anderen Auftritt vorm Mikrofon. Ein Podcast will gut geplant und aufgebaut sein. In jeder Folge wird zunächst der jeweilige Fall veranschaulicht. „Da gehören Sprechrollen und Soundeffekte einfach dazu, die Hörenden sollen sich richtig in die Zeit und das Geschehen einfühlen“, erklärt Lukas Aufgebauer, der für das Skript zuständig ist. „Nachdem dieser Teil abgeschlossen ist, unterhalten wir uns über den Fall, analysieren und kommentieren.“ Dafür hat er zwei hochwertige Mikrofone und ein Aufnahmegerät organisiert. So wird aus Christine Vogels Arbeitszimmer mal eben schnell ein gut ausgestattetes Tonstudio.
Auch die Recherche selbst ist bereits eine Mammutaufgabe. Die Arbeit im Landesarchiv ist vielfältig, manchmal sieht sie genau so aus, wie man es sich vorstellt: alte Dokumente, Tintenflecken, in das Papier gefaltete Eselsohren. „Wenn man einen spannenden Fall gefunden hat, kann man sich richtig darin verlieren“, erzählt Vogel träumerisch. Genau das sollen ihre Studierenden kennenlernen – „die Geschichte aufarbeiten, sich in die damalige Zeit hineindenken“.