Ein umfangreiches Unterfangen. 35.000 Archivblätter, sämtliche Eingangsbücher, Inventarlisten, Bildmaterial und Tagebucheinträge des damaligen Museumsleiters Heinrich Ottenjann wurden gesichtet und digitalisiert. Danach ließ sich der Sammlungsbestand in die klassischen Kategorien der Provenienzforschung einteilen: unverdächtig, bedenklich und belastet. „Wir haben ziemlich schnell gemerkt, dass wir die Zusammenhänge im Bestand nur verstehen können, wenn wir außerhalb des Museums suchen. Wir mussten mehr über seine Geschichte und die politischen und finanziellen Verflechtungen herausfinden", erklärt Hemken.
Der nächste logische Schritt bestand darin, nicht nur regional und überregional in den Stadtarchiven, sondern auch in Landes- und Bundesarchiven zu forschen. Mit schockierenden Ergebnissen: „In Folge der M-Aktion (siehe unten, Anm. d. Red.) kamen 32 Prozent der gesamten Schienenladungen in den Bereich Gau-Weser-Ems, beim Schiffsverkehr waren es 57 Prozent", so die Ethnologin. Die Verkäufe des sogenannten Hollandguts seien zwischen 1942 und 1944 alltägliches Geschäft gewesen. Man wusste, dass sie stattfanden.
Nicht immer war die Projektarbeit einfach. Als problematisch hat sich zum Beispiel erwiesen, dass der Sammlungsbestand des Museumsdorfs zu mehr als 90 Prozent aus Alltagsgegenständen besteht. Die Händler? Weitestgehend unbekannt. Dass Hemken und Ziessow auf weiteres Expertenwissen zurückgreifen konnten, war deshalb ein glücklicher Umstand: Sie wurden von Margarete Rosenbohm-Plate unterstützt. Die Oldenburger Geschichtsforscherin hat zum Thema Hollandmöbel bereits umfassend geforscht.
„So hat die fehlende Dokumentation die Forschungsarbeit zwar erschwert, am Ende des Arbeitsprozesses stehen jedoch aussagekräftige Ergebnisse", fasst Hemken zusammen und betont: „Zudem hat die Erforschung von zu Unrecht entzogenem Kulturgut sowohl für das Museumsdorf als auch für den gesamten Nordwesten der Republik große Bedeutung." Eine Bereicherung seien auch die vielen spannenden Geschichten unter anderem von Zeitzeugen gewesen. Die Ethnologin erinnert sich etwa an eine Frau, die dem Museumsdorf für die Ausstellung eine Terrine zur Verfügung gestellt hatte, die ihre Großmutter im Osnabrücker Land auf sogenannten „Hollandgut-Verkäufen" erworben hatte. Als das Exponat in den Museumsbestand aufgenommen wurde, sei die Frau überglücklich gewesen, einen Platz für das Stück gefunden zu haben. „Wissen Besitzer, dass ein Objekt im eigenen Haushalt aus diesem Zusammenhang stammt, herrscht oft Hilflosigkeit. Sie fragen sich: was nun?", bemerkt Ziessow. „Das Thema ist immer noch ein sehr sensibles." Ganz besonders dann, wenn eine Rückgabe an die rechtmäßigen Besitzer nicht (mehr) möglich ist.
Das Forscherduo Hemken und Ziessow hat mit seiner intensiven Arbeit vor allem zwei Dinge erreicht: Transparenz in Bezug auf den Bestand des Museumsdorfs in Cloppenburg, aber auch ein Bewusstsein für die Relevanz des Themas im gesamten Nordwesten. Fertig ist die Arbeit aber nicht, im Gegenteil: „In fast keinem Museum ist das gesamte Inventar erfasst", klären die Wissenschaftler auf. „Auch im Museumsdorf ist die Herkunft von rund 450 Objekten, die in den Kriegsjahren im Eingangsverzeichnis aufgeführt wurden, noch unklar."