Hier ist alles anders. Das merkt der erfahrene Paddler schon bei der Tourenplanung. Anderswo wählen Wasserwanderer einen reizvollen Flussabschnitt, setzen das Boot ein und nach ein paar Stunden flussabwärts wieder aus. So einfach läuft es hier nicht. Der Grund: „Unsere Gewässer sind tideabhängig", klärt man uns bei der Paddel- und Pedalstation im Barßeler Hafen auf. Bis zur Nordsee sind es zwar 40 Kilometer Luftlinie. Ebbe und Flut schwappen aber über Ems und Leda bis ins nördliche Oldenburger Münsterland. Zwei Mal am Tag fällt und steigt das Wasser hier um einen knappen Meter.
Viele Optionen für Paddler
Mit den Gezeiten ändert sich auch die Fließrichtung. Was die Planung einer Tour komplizierter – aber auch Vieles möglich macht. Mit der Tide kann man in jede Richtung fahren. Wir haben also die Wahl: Auf dem Flüsschen Soeste nach Südosten? Über das Aper Tief ins ostfriesische Stickhausen mit seiner alten Häuptlingsburg? Oder über andere Tiefs, wie die gemächlichen Fließgewässer hierzulande heißen, eine große Rundtour bis ins Ammerland wagen? Als Flusspaddler hat man selten so vielfältige Optionen. Weil wir die Idee reizvoll finden, auf dem Wasserweg zur kleinsten europäischen Sprachinsel zu fahren, entscheiden wir uns schließlich: Wir wollen ins Saterland, wo man noch Saterfriesisch spricht – los geht's!
Zwei Erwachsene und zwei Kinder beladen das direkt im Hafen geliehene Viererkanu. Wechselklamotten und Proviant verschwinden in wasserdichten Tonnen. „Aber nicht das Handy, Papa!" Doch, auch das. Und an Bord wird nicht diskutiert. Nach zehn Minuten auf dem Wasser schmollt der Nachwuchs nicht länger, das Smartphone ist vergessen. Denn jetzt gibt es Spannenderes als einen mickrigen Bildschirm. Gleich hinterm Hafen mit den Sportbooten öffnet sich eine sattgrüne Landschaft.
Ideales Revier auch für Anfänger
Nebenbei: Das weitläufige Paddelrevier im Norden ist nicht das einzige im Oldenburger Münsterland. In der Gemeinde Goldenstedt gibt es mehrere Einstiegsmöglichkeiten in die Hunte. Und auch im Süden findet sich ein reizvolles Ziel für Wasserwanderer: Die Hase entspringt südlich von Osnabrück und mündet nach knapp 200 Kilometern in die Ems. Rund um Löningen ist der Fluss einfach zu paddeln. Es geht durch Wald und Wiesen. Mit etwas Glück schießt ein türkiser Blitz mit schrillem Pfiff am Boot vorbei – ein Eisvogel.
Unser rotes Kanu gleitet lautlos über das kurvige Barßeler Tief. Nur die Paddel schmatzen beim Eintauchen und schlagen ab und an gegen die Bordwand – die beiden Leichtmatrosen üben noch. Rund fünfzig Meter sind es von einem Ufer bis hinüber zum anderen. Am sumpfigen Rand leuchten die roten Blüten des Blutweiderichs. Schwarzbunte glotzen übern Stacheldraht. Über uns ein weiter nordischer Himmel in fahlem Blau.