Als 1936 der Quatmannshof als erstes Gebäude eines neuen Freilichtmuseumstyps in Cloppenburg eingeweiht wurde, war der Rundfunk dabei und übertrug die Zeremonie inklusive der Ansprachen in das ganze Deutsche Reich. Radio und Rundfunk waren damals die modernesten Kommunikationsmittel – das Fernsehen steckte noch in seinen Anfängen. In den 1970er-Jahren ließ Museumsdirektor Prof. Dr. Helmut Ottenjann in einem Hallenhaus Tonbänder über Lautsprecher abspielen, um den Besuchern wissenswerte Inhalte zur Hausforschung „auf die Ohren“ zu geben. Tonbandgeräte mit großer Aufnahmekapazität waren damals das Modernste, das die Audio-Welt zu bieten hatte. Und heute?
1. Vermittlung
Heute bedarf es einer neuen Sprache, Ansprache und neuer Präsentationsformen, um die Institution Museumsdorf zu verlebendigen, also diskursiv und verknüpft mit Gegenwartsfragen. Dies ist gilt insbesondere für Schülerinnen und Schüler, die eine wichtige Besuchergruppe im Freilichtmuseum darstellen. Aus „stummen Häusern“ sollen „Häuser lebendiger Geschichte“ werden.
Anfang Mai 2024 wurde deshalb eine neue Smartphone-Anwendung vorgestellt: die Museumsdorf-App der DroidSolutions GmbH aus Leipzig. Die App schlägt einen Rundgang mit zwölf Stationen vor. Zu den jeweiligen Bauwerken, zum Klimapfad und zur Ausstellung „Konsum(t)räume“ werden Informationen und Vertiefungswissen angeboten. Letztere sind zudem in einfacher Sprache verfasst. In den nächsten Jahren werden die Inhalte der App ständig ergänzt werden. Die Elisabeth-und-Carl-Leiberstiftung förderte diese zeitgemäße Präsentationsform.
Momentan werden vom Museumsdorf weitere Formate geprüft. Unter anderem der Versuch, mittels eines Hologramms – einer 3-D-Projektion – Menschen und Tiere in die ansonsten leeren Häuser zu projizieren. Weiter vorangeschritten ist das Projekt „Gamification“: Im Musemsdorf Cloppenburg soll alsbald ein neuartiges Erlebnis geschaffen werden, das man so bisher in keinem anderen Museum erleben kann: Ein Rätsel-Abenteuer-Spiel, das reale Objekte im Museum mit den digitalen Elementen des Smartphones verbindet.
Das Spiel verbindet die dingliche und virtuelle Welt zu einer gemeinsamen Spielwelt. Ähnlich wie bei Escape Rooms müssen Spieler Rätsel und Aufgaben lösen, um voranzukommen. Auch die digitale Welt spielt eine Rolle, indem sie mit Aufgaben und Inhalten im realen Raum vermischt wird. So verschmelzen die beiden Welten miteinander und die Spielerfahrung wird nicht mehr in real oder virtuell unterschieden. Durch die Integration von mobilen Endgeräten, die mit dem realen Raum des Museums verbunden sind, entsteht ein innovatives und völlig neues Spielerlebnis, ein neues Genre im Bereich der Gamification.
Das Digitale ist aber nur die im Hintergrund wirkende Dienerin für das analoge Erlebnis. Im Mittelpunkt stehen weiter unsere unverwechselbaren, einmaligen Originale! Diese gilt es, für die Zukunft zu bewahren.
2. Sammlung
Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat jüngst beschlossen, 12,5 Millionen Euro für den dringend benötigten Neubau eines Sammlungszentrums für das Museumsdorf Cloppenburg zu bewilligen.
Warum benötigt das Museumsdorf dieses neue Zentrum inklusive Zentraldepot? Jedes Museum sammelt. In Cloppenburg bewahrt das Museumsdorf seit über 100 Jahren wertvolle Exponate der Vergangenheit Norddeutschlands auf. Inzwischen sind mehr als 400.000 Objekte des ländlichen Niedersachsens zusammengekommen. So gibt es wertvolle sakrale Kunst, ganze Laden oder Werkstatteinrichtungen, Leiterwagen, Pferdekarussells, Textilien, Möbel und weitere Gebrauchsgegenstände des Alltags. Alle diese Exponate lagern an 13 Standorten. Die Bedingungen entsprechen aber nicht den inzwischen im Museumsbereich gültigen Standards (Raumklima, Temperaturschwankungen, Schutz vor Schäden). Ebenso ist an Sicherheitsstandards (Diebstahlschutz, Zustandsüberwachung usw.) zu denken.
Dringend ist ein neues Sammlungszentrum notwendig, um die vielen Sammlungsstücke für die Zukunft fachgerecht aufzubewahren. Die optimale Einlagerung der Objekte steht natürlich im Vordergrund, da das Museumsdorf den Auftrag hat, die anvertrauten, einzigartigen und nicht ersetzbaren Gegenständen mit ihrer individuellen Geschichte dauerhaft für die zukünftigen Generationen zu bewahren.
3. Erweiterung
Im neuen Areal um die Landdiskothek „Zum Sonnenstein“ wird die ländliche Bau- und Alltagskultur der Nachkriegsjahrzehnte dargestellt. Neben der Telefonzelle wurden 2024 zwei Briefmarkenautomaten und ein Briefkasten der Deutschen Bundespost aufgestellt. Alle vier Objekte leuchten in hellem Gelbton und sind mittlerweile Besuchermagnete geworden. Darüber hinaus wurden zwei Parkuhren – von der Straßenmeisterei der Stadt Oldenburg übergeben – an der Disco aufgestellt. Es handelt sich um das erste und ein spätes Modell Die PU1 stammt aus den 1950er-Jahren und ist ein Lizenznachbau eines Modells der amerikanischen Firma Dual. Die noch simple PU1
war für nur eine Sorte Münzen und einen einzigen Tarif ausgelegt. Das änderte sich mit den Folgemodellen. Die PU5 stammt aus den 1970er-Jahren und ist das letzte Modell einer Parkuhr, das in Deutschland noch bis in die 1990er-Jahre montiert wurde. Hier ließen sich verschiedene Münzen einwerfen und Tarife wählen. Für das kompakte Design erhielt Kienzle 1978 einen internationalen Designpreis.
Zusammen mit der gelben Telefonzelle bilden die Parkuhren technische Gegenstände ab, die den Alltag über Jahrzehnte hinweg geprägt haben. Durch Fortschritt und technische Neuerungen verschwinden sie aus unserer Umgebung, jedoch nicht aus dem kollektiven Gedächtnis. Die Aufarbeitung dieser Sachzeugnisse einer abgeschlossenen
historischen Zeitspanne dient dem Abbild und der Vermittlung der jüngeren Zeitgeschichte. Das Nachkriegs-Wohnhaus Elfert in der Nordenhammer Str. 2 in Cloppenburg hatte das Museumsdorf einst als Anschauungsobjekt angemietet. 2023/2024 wurde die museale Präsentation grundlegend überarbeitet und angepasst. Mittels QR-Codes, die auf kurze Videos verweisen, kann man sich nun selbstständig im Haus orientieren. In neun kurzen Film-Sequenzen führt Georg Elfert (Jahrgang 1969) durch sein Elternhaus, das nach dem Tod seiner Eltern vom Museumsdorf in seinem Letztzustand präsentiert wird.
In Zukunft soll die „Siedlung“ zur Geschichte der Nachkriegszeit noch wachsen. Derzeit wird diskutiert, eine Kleinkirche in Holzmontagetechnik (1964), ein Neckermann-Fertigteil-Haus (1973) sowie ein Flüchtlingshäuschen (1947) ins Museumsdorf zu translozieren. Freilich muss erst die Finanzierung gesichert sein. Die nötigen Vorabreiten auf der Fläche – der jetzige Busparkplatz – müssen zudem noch ausgeführt werden