Der schwere Weg zur Triple Bottom Line
Die zweite große Herausforderung liegt im Umbau des Unternehmens. Nicht nur das Controlling, alle Schnittstellen und Entscheidungskriterien müssen dem neuen Ziel-Dreiklang angepasst werden: etwa die Auswahl der Materialien, Bonusregelungen, die Preisgestaltung, die Länge der Wertschöpfungskette. Es reicht fast nie, nur an einer Stellschraube zu drehen. Damit wird aber ein eigentlich bestens geölter Apparat massiv gestört, weil Ressourcen umverteilt, bewährte Bestandteile der Produktion ausgetauscht und neue Technologien eingeführt werden. „Und das alles, ohne dass der Unterschied für den Kunden unbedingt sichtbar ist“, ergänzt Heymann.
Die dritte harte Nuss ist das Spinnen eines nachhaltigen Netzwerks, das heute oft globale Lieferketten umfasst. So wie sich ein Händler mit verspätet gelieferter Ware schwertut, seine Umsatzziele zu erreichen, so fällt es dem Outdoor-Ausstatter Patagonia schwer, seine Umweltziele zu erreichen – die Textilien beispielsweise für die Regenjacken basieren auf Erdöl. Der regulatorische Druck – Stichworte: Shell-Urteil, Lieferkettengesetz – wächst, Unternehmen können sich nicht mehr allein auf ihren „Wertschöpfungsanteil“ zurückziehen.
Produkt und Dienstleistung im Sinne der Nachhaltigkeit
In Summe ist das eine Herkulesaufgabe. Genau an diesen Stellen aber können innovative Unternehmen, die den Nachhaltigkeitsgedanken zum Geschäftszweck erheben, ansetzen. Wer es anderen Unternehmen zu fairen Preisen und verlässlichen Rahmenbedingungen ermöglicht, nachhaltiger zu wirtschaften, der wird selbst wirtschaftlich erfolgreich. Ein spannender Ansatz ist das in den vergangenen Jahren populär gewordene „hybride Leistungsbündel“. Die im Englischen auch „Product-Service System“ (PSS) oder – mit Schwerpunkt auf B2B-Geschäfte – „Industrial PSS“ genannten Ansätze verbinden Produkt und Dienstleistung zu einem für den Kunden schon aus operativen und finanziellen Gründen attraktiven Gesamtangebot. Und es hilft der Nachhaltigkeit: Wenn neben dem Produkt gleich die Wartung angeboten wird, erhöht das die Lebensdauer und senkt den Ressourcenverbrauch.
Auch beim Pay-per-Use-Modell steigt der Anreiz des Herstellers, langlebige Produkte anzubieten; sein Geschäftsmodell wird mit einem längeren und wenig wartungsintensiven Produktzyklus rentabler. Moderne Monitoring-Technologie ermöglicht es, dass Nutzer bei einem sorglosen Umgang mit dem ihnen nicht gehörenden Produkt sanktioniert werden können. Die Beispiele für PSS-Geschäftsmodelle sind ganz unterschiedlich:
- Ein Anlagenhersteller hilft mit seinem Know-how, mit Simulati onen und anderen Anpassungen, den Betrieb der Anlagen zu optimieren. Diese Beratung wird
vom Kunden eingekauft, der damit die Effizienz steigert und Ressourcen einspart. Die Voith-Tochter Deutsche Industriewartung oder Thyssenkrupp Industrieservice gehen diesen Weg schon länger.
- Hersteller oder Betreiber unterschiedlicher Verkehrsmittel schließen sich zu einem integrierten Mobilitätsnetz zusammen. Per Software kann die optimale
Route und Verkehrsmittelnutzung errechnet werden, sodass Autofahrten entfallen oder nur noch ein Baustein der Gesamtstrecke sind.
Neben dem PSS-Ansatz sind die Substitution klimaschädlicher Produkte und Prozesse, die Kreislaufwirtschaft oder die Skalierung weitere mögliche Ansätze (siehe Tabelle). Ein typisches Beispiel ist die Plastiktüte – überall dort, wo Papier und Pappe keine Alternative sind, wird vermehrt biologisch abbaubarer Kunststoff eingesetzt, wie sie zum Beispiel BIO-FED produziert. Allerdings kann sich dabei herausstellen, dass nicht alle SBMs in der Realität so umweltfreundlich sind wie erwartet. Elektromobilität trifft auch deshalb auf viel Widerstand, weil die Produktion der Batterien eine große Belastung für Umwelt und Mensch darstellen kann und die Entsorgung bei überschaubarer Lebensdauer schwierig ist. Auch die Elektroroller in den Innenstädten sind umstritten – ersetzen sie wirklich die Auto- oder Busfahrt oder nicht eher den Fußweg? Welche Belastung entsteht durch den hohen Verschleiß der Roller?
Gebraucht statt neu
„Noch sind Ökoprodukte sehr häufig in der Nische“, weiß Deutsche Bank-Experte Heymann. Mit wachsendem Nachhaltigkeitsbewusstsein der Abnehmer dürfte auch die Bereitschaft zu entsprechenden Mehrausgaben steigen. Doch diese Art der Refinanzierung nachhaltiger Investitionen und Substitution ist in zweifacher Hinsicht endlich. Wenn bestimmte Eigenschaften vom Kunden vorausgesetzt oder vom Gesetzgeber vorgeschrieben werden, ist der geschäftliche Erfolg wie zuvor von traditionellen Kriterien abhängig. Zudem ist die Zahl der Konsumenten, die einen Aufpreis für Nachhaltigkeit zu zahlen bereit oder in der Lage sind, begrenzt.
Erste Überlegungen wie die Initiative „Right to Repair“ in den USA zeigen andere mögliche SBMs auf: An die Stelle des Verkaufs von Neuprodukten rücken die Aufarbeitung und Reparatur bestehender Produkte stärker in den geschäftlichen Fokus. Auch hier ist Patagonia bereits engagiert: Der Gebrauchtverkauf soll für den Outdoor-Ausstatter künftig ebenso wichtig werden wie der Neuverkauf.