Zur Vermarktung regionaler Lebensmittel auf bestehende Busliniennetze zurückgreifen – so lautet das Ziel des Projekts „LieferBus“. Das Besondere daran: Die Region, in der unter Koordination des Science Shops Cloppenburg/Vechta der Universität Vechta an der Umsetzbarkeit dieser Idee geforscht wird, liegt rund 250 Kilometer vom Oldenburger Münsterland entfernt. Im sachsen-anhaltischen Altmarkkreis Salzwedel nämlich. Dort bewirtschaftet Mirjam Anschütz einen Hof, auf dem sie unter anderem Gemüse und Erdbeeren anbaut und lokal vertreibt.
Lebensmittelvermarktung per Linienbus
Die Hofbesitzerin lieferte den entscheidenden Impuls für die vom Science Shop Vechta/Cloppenburg begleitete Machbarkeitsstudie. Das besondere Anliegen von Mirjam Anschütz ist es, die vielen Kleinhöfe in der Altmark zu erhalten. Nicht zuletzt deshalb steht die Landwirtin in regem Kontakt mit den Hofbesitzenden ihrer Region. Wenn sie die Höfe besucht, greift Anschütz gern auf das gut ausgebaute Buslinien-Netz zurück. „Als ich mal wieder zu meinem Lieblingshof fuhr, der sehr günstig nahe einer Bushaltestelle gelegen ist, kam mir die Idee, dass man das bestehende Busnetz doch auch zum Transport von Lebensmitteln nutzen könnte“, schildert sie.
Einem Aufruf der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) folgend reichte Anschütz eine entsprechende Projektskizze ein. Auf der Suche nach einem Projektträger wurde sie im Oldenburger Münsterland fündig: Der ScienceShop Vechta/Cloppenburg begreift sich als Anlaufstelle für zivilgesellschaftliches Engagement in der Wissenschaft und hat es sich zur Aufgabe gemacht, partizipativ angelegte Projekte mit einem wissenschaftlichen Background zu unterstützen. „Die Basis unserer Arbeit ist zwar in der Tat das Wirken in regionalen Projekten direkt hier vor Ort“, erläutert Forschungsreferent Dr. Daniel Ludwig. „Zusätzlich haben wir aber auch einen überregionalen und internationalen Fokus. Da die Idee des Projekts ‚LieferBus‘ auf Übertragbarkeit ausgelegt ist, passte die Anfrage von Mirjam Anschütz sehr gut zu uns.“
Regionenübergreifende Kooperation
Die wissenschaftliche Begleitung des Projekts erfolgt durch Prof.in Jantje Halberstadt, die an der Universität Vechta seit 2019 die Professur Ökonomie der Nachhaltigkeit innehat. Der Nutzen, den der Science Shop Vechta/Cloppenburg im Projekt „LieferBus“ sieht, ist vor allem langfristig gedacht: Nach Abschluss der Machbarkeitsstudie erhofft man sich, die Ergebnisse auch auf andere Regionen übertragen zu können. Möglicherweise auch auf das Oldenburger Münsterland. Neben den Linienbussen könnte hier auch das bewährte Rufbussystem moobil+ integriert werden.
Zurück in der Altmark: Während das wissenschaftliche Monitoring des Projekts „LieferBus“ also in Vechta erfolgt, ist Projektmanagerin Mirjam Anschütz vor Ort für die praktischen Schritte zuständig. „Ich besuche die landwirtschaftlichen Betriebe, spreche mit dem Busunternehmen und prüfe hier vor Ort die Machbarkeit des Ganzen“, erklärt sie. Und dabei gibt es so manche Herausforderung. Zum Beispiel kommt es darauf an, welche Art von Ware im Bus von A nach B transportiert wird. „Wenn Lebensmittel transportiert werden, gibt es einige Hygienevorschriften zu beachten. Zudem muss der TÜV einbezogen werden.“ Eine Busgesellschaft darf laut Personenbeförderungsgesetz nämlich nur Personen befördern. Für Warentransporte gilt das Güterverkehrsgesetz. Dank „Experimentierklausel“ im Gesetz kann in dieser Machbarkeitsstudie trotzdem geprüft werden, was geht.
Blick über den Tellerrand? Unbedingt!
Ein Vorbild für die Zukunft findet sich zum Beispiel in Norwegen. „Dort werden mit Bussen sogar Möbel transportiert, und zwar in einem separaten Bereich im hinteren Teil des Fahrzeugs.“ Und auch die Postbusse in der Schweiz, die neben Briefen auch Waren ausliefern, findet Anschütz nachahmenswert. Wenn in Zukunft wirklich Lebensmitteltransporte per Linienbusverkehr möglich sind, ist Anschütz eines besonders wichtig:
„Alle Menschen sollen vom ‚LieferBus‘ profitieren können, egal ob sie ein Smartphone haben oder nicht.“
Deshalb soll es möglich sein, auch ohne Online-Profil oder App Waren zu verschicken und zu empfangen.
Bis die Leute im Altmarkkreis vielleicht wirklich ihre Äpfel, Kartoffeln und Erdbeeren mit dem Bus versenden und empfangen können, gibt es noch einiges zu tun. Bis Mai 2025 läuft die Machbarkeitsstudie. Und wie geht es danach weiter? „Für eine Prognose ist es an dieser Stelle zwar noch zu früh, aber wir sind uns sicher, dass wir in jedem Fall wertvolle Erkenntnisse aus dem Projekt ‚LieferBus‘ ziehen werden. Für den Altmarkkreis und auch für andere ländliche Regionen in Deutschland“, prognostiziert Dr. Daniel Ludwig. Die Praxiserfahrung zeigt also: Für spannende Forschungsansätze lohnt sich der Blick über die eigene Region hinaus. Denn am Ende profitieren alle Beteiligten.