MEHR ALS ÜBERSETZEN
„Kinder lernen anders als Erwachsene: Sie müssen nicht Wort für Wort übersetzen", erklärt Ingeborg Remmers, die selbst dreisprachig aufwuchs. „Ich fange so an, als ob niemand Saterfriesisch könnte. Man sagt etwas und begleitet das mit der Bewegung." Ein Beispiel: Wenn sie ihren Schülern auf Saterfriesisch sagt, sie sollen ein Buch aus der Tasche nehmen, dann greift sie selbst nach dem eigenen. „Kinder, die mich schon verstehen, machen sofort mit. Die anderen sehen, was zu tun ist." Sie bleibe konsequent bei einer Sprache, statt zwischen beiden zu wechseln, aber verwende nur wenige Worte, immer wieder die gleichen. Spätestens am übernächsten Tag kennen alle Schüler den Satz, so die Mathelehrerin. Die Materialen sind weiterhin hochdeutsch verfasst, nur der Unterricht nicht – und die Fachbegriffe werden zweisprachig verwendet.
Die vermeintliche Fremdsprache kommt bei den Kindern gut an – auch, weil sie ein Alleinstellungsmerkmal an der Schule und darüber hinaus darstellt: „Oft sagen sie, wir haben eine Geheimsprache!", erzählt die Lehrerin lachend. Und wer hat schon ein eigenes Maskottchen wie den Seelterfoaks, der die eigene Geheimsprache erklärt?
LERNEN DURCH HÖREN
Ingeborg Remmers ist überzeugt, dass Zweisprachigkeit den Kindern einen enormen Bildungsvorteil verschafft – unabhängig davon, welche Sprache unterrichtet wird. Bis zum Alter von etwa acht Jahren lernen Kinder eine Zweit- wie die Erstsprache: durch das Hören. Das Saterfriesische muss also gar nicht extra unterrichtet werden, sagt Monika Olling, sondern „läuft so mit", im Religions- genau wie im Mathematikunterricht.
Die Schulleiterin aus Strücklingen engagiert sich für Sprachbegegnungen in Arbeitsgemeinschaften. Gemeinsam mit Ingeborg Remmers hat sie Anfang der 1990er Jahre die ersten Saterfriesisch-AGs geplant. „Damals gab es überhaupt keine Materialien dafür, kein einziges Arbeitsblatt." Tagelang haben sie in den Ferien über den Materialien gesessen, Illustrationen kopiert, verkleinert, ausgeschnitten, aufgeklebt. Sehr mühsam waren diese ersten Jahre.
SPRACHE SCHAFFT IDENTITÄT
Warum tut man sich das an? Für Ingeborg Remmers ist das Saterfriesische ein wertvolles Kulturgut: „Das ist ja meine eigene Sprache. Sie gehört zu mir, zu meiner Identität und natürlich auch zur Identität aller Saterländer." Monika Olling sieht es ganz ähnlich: „Für mich hat das Saterfriesische einen großen Wert. Es ist meine Muttersprache, in der ich mich zu Hause fühle." Und: „Wenn man Leute trifft, die Saterfriesisch sprechen, spürt man eine besondere Verbundenheit."
Und die Arbeit lohnt sich. Heute wird Saterfriesisch nicht nur in Kindergärten und Grundschulen, sondern auch an den weiterführenden Schulen angeboten. Die Theater-AG des Laurentius-Siemer-Gymnasiums in Ramsloh hat zum Beispiel ‚Die litje Prins' und ‚Momo' aufgeführt. Auf Saterfriesisch, klar. Inzwischen werden weitere Lehrer und Studenten in der Sprache ausgebildet. Zudem verlängerte das Kultusministerum in Hannover seinen Erlass bis 2018. Danach soll er erneuert werden. Ingeborg Remmers hofft, dass das noch einmal einen weiteren Schub für das Saterfriesische geben wird. Damit noch viele Kinder „Mathe ap Seeltersk" lernen können.