Politik

Die eigene Stimme

Politik? Davon lassen viele junge Menschen lieber die Finger. Anders in Cloppenburg.

FINGERZEIG Hannes Deeken kennt viele gute Gründe, warum sich Jugendliche und junge Erwachsene in Jugendparlamenten engagieren sollten.

Hier hat das Jugendparlament – kurz JuPa – mit der Stadtverwaltung für eine Graffitiwand im Mehrgenerationenpark gesorgt. Die legale Fläche für Hobbysprayer macht die Kreisstadt ein Stück bunter. „Ein Grund, herzukommen", freut sich JuPa-Vorsitzender ­Hannes Deeken. Botschaft: Engagiert euch, denn wenn junge Leute nichts sagen, kann man auch nicht auf sie hören.

Das Gefühl kennt doch jeder oder erinnert sich zumindest gut daran: Man ist jung und noch nicht in der Lage, komplexe ­Themen zu erfassen. Die Schnelllebigkeit der Zeit tut ihr Übriges, die Erwartungen an Jugendliche steigen – höher, schneller, weiter. Etwa so, wie kurz vor dem Ziel eines Rennens. Ein Läufer nach dem anderen stürmt vorbei, und man verfolgt angestrengt, wer welchen Platz belegt. Es fällt schwer, im politischen Geschehen den Überblick zu behalten und sich zu äußern. Zugleich ist genau das von enormer Wichtigkeit. Wer eine Stimme hat, sollte die Möglichkeit bekommen, sie geltend zu machen.

TEAM Jungpolitiker Lukas Bohmann gemeinsam mit der Bundestagsabgeordneten Silvia Breher.

Hannes Deeken sieht dabei noch Luft nach oben. „Ziel ist es, auch im Schul- oder Verkehrsausschuss einen Platz zu erhalten", sagt der 21-Jährige, der bei der nächsten Wahl zu alt ist, um erneut anzutreten. Dann müssen andere seine Fußstapfen ausfüllen. Deeken ist da guter Dinge. Die Abstimmung 2019 habe gezeigt, wie wichtig das Jugendparlament ist. „Daran, dass es eine zweite Runde gab, sieht man, die Idee funktioniert." Von 4.200 Stimmberechtigten im Alter von zwölf bis 21 Jahren hatten sich knapp 1.200 beteiligt, rund 28 Prozent.

Durch die Jugendparlamente werden junge Themen in die Politik eingebunden.

Jugendparlamente sind ein gutes Sprungbrett in die Kommunalpolitik. Darum hat auch Dinklage zum November 2021 eines gegründet. „So werden junge Anliegen in die Politik eingebunden", erklärt Alfons Echtermann von der Stadt, der sicher ist, dass das JuPa ein Erfolg wird. „Wir haben dafür mit Vertretern der Gemeinde Goldenstedt gesprochen, wo es so etwas seit Jahren gibt." Lilly Bramlage, Vorsitzende beim dortigen Jugendparlament, weiß, dass eine solche Zusammenarbeit für das ganze Oldenburger Münsterland förderlich ist: „Wir können uns vernetzen und über Ideen und Probleme der Jugendlichen aller Gemeinden austauschen." Alle ziehen am selben Strang und können sich einbringen. Das nutzen jedoch viel zu wenige. Nur warum?

Eine Umfrage im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerks ergab, dass unter Kindern und Jugendlichen ein großes Informationsdefizit herrscht, wenn es um Beteiligung und Mitbestimmung geht. 44 Prozent der Befragten wissen nicht, ob sie politischen Einfluss nehmen können. Auch die Form der Mitarbeit scheint eine Rolle zu spielen. Nur zehn Prozent würden sich in Jugendparlamenten engagieren. Der Grund: mangelnde Möglichkeiten. Schon darum könnte es im Oldenburger Münsterland mehr davon geben.

INTERESSE Charlotte Grabber freut sich über Kontakt zu älteren Politikern. „Das macht mir den Zugang zu vielen Themen leichter", sagt sie.

Sollte es auch, findet Lukas Bohmann, Kreisvorsitzender der Jungen Union Cloppenburg. „Unsere wichtigste Mission ist, junge Leute für Politik zu interessieren", betont der 23-Jährige. „Engagement im Jugendparlament ist der perfekte erste Schritt, um den Fuß in die Tür zu stellen." Er selbst ist seit fünf Jahren Mitglied der CDU. Dazu bewegt haben den Lastruper sein früher politischer Eifer und eine persönliche Ansprache. Die sei essenziell. Dass grundsätzlich kein politisches Interesse bei Jugend­lichen und jungen Erwachsenen bestehe, glaubt Bohmann nicht. „Aber wenn ich jung bin, zieht mich die typische Parteistruktur nicht an. Gremien, Ausschüsse, Sitzungen – es gibt tausend schwierige Begriffe und am Ende keine kurzfristige Lösung." Das sorgt für Frust.

Aber: Themen wie Klimaschutz, Rassismus oder Rechte für queere Menschen zeigen, dass Resonanz vorhanden ist. ­Charlotte ­Grabber aus Vechta weiß, wie schnell dazu ­Videos und Beiträge in sozialen Netzwerken ­viral gehen. Die Kreisvorsitzende der Jung­sozialistinnen und -sozialisten Vechta befasst sich intensiv mit der Thematik. „Das Interesse ist da, doch es wird ihm leider keine Plattform geboten", sagt auch sie.

KLINGELN Haustürwahlkampf gehört für Jungpolitiker zum Lernprozess.

Bohmann und Grabber gehören unterschiedlichen Parteien an, haben aber ein Ziel: Politik für Kinder und Jugendliche greifbarer zu machen. Social-Media-Plattformen wie Instagram und TikTok sind die richtigen Orte dafür. Hier erreicht man sie auch mit politischen Themen – verknüpft mit Unterhaltungswert. „Zudem bekommen wir Jusos regelmäßig Besuch, etwa aus dem Europaparlament oder dem Landtag", berichtet Charlotte Grabber. „Für mich werden vermeintlich altbackene Themen transparenter, wenn man sie mir erklärt." Lukas Bohmann ergänzt: „Jugendliche wissen oft nicht, welche Themen für sie zugänglich sind. Dabei geht Politik alle an."

Über Umweltschutz, Menschenrechte und Bildung denken auch Jugendliche im Oldenburger Münsterland nach. Ein weiteres Thema: die Internetverbindung auf dem Land. „Ist bescheiden", weiß Lukas Bohmann. „Das stört junge Leute vor Ort. Wir wollen, dass daran gearbeitet wird." Ausbaufähig sei auch der öffentliche Personennahverkehr. „Wenn man nachts vom Feiern nicht nach Hause kommt, weil kein Bus fährt, wird deutlich, dass es ein Thema für die Jugendpolitik ist", betont Charlotte Grabber.

Kreuzchen Mit 16 Jahren sind Jugendliche bei Kommunalwahlen stimmberechtigt.

Die Devise lautet also mutig zu sein und sich für die eigenen Interessen einzusetzen. Politisches Engagement von Jugendlichen ist wichtig und gefragt. Es geht schließlich um ihre Zukunft. Im Oldenburger Münsterland haben sie die Chance, diese mitzugestalten. Bevor man am Streckenrand steht und vor Anspannung ­vibriert, kann man genauso gut die Beine in die Hand nehmen und loslaufen.

KONTAKT

• Lukas Bohmann: info@ju-clp.de
• Charlotte Grabber: info@jusos-vechta.com
• JuPa Cloppenburg: m.heidkamp@cloppenburg.de
• JuPa Dinklage: echtermann@dinklage.de
• JuPa Goldenstedt: www.jugendparlament-goldenstedt.de