Wirtschaftsregion

Mit genossenschaftlicher Antriebskraft in die Zukunft

18.02.2025
Autor: Johannes Freundlieb

Gemüse, Futtermittel, Finanzen und Energie: Genossenschaften treiben die Wirtschaft im Oldenburger Münsterland kräftig mit an. Statistisch ist jeder dritte Einwohner in den Landkreisen Cloppenburg und Vechta Mitglied bei einem genossenschaftlichen Unternehmen. Noch mehr nutzen die vielfältigen Dienstleistungen und Angebote.

Erzeugergenossenschaft Die Erzeugergroßmarkt Langförden-Oldenburg e.G. (ELO) zählt in der Frischvermarktung zu den führenden Unternehmen in Deutschland und beliefert nahezu alle großen Lebensmitteleinzelhändler und Discounter.

Genossenschaftliche Unternehmen prägen das Leben in Deutschland maßgeblich mit. Das gilt in besonderem Maß für das OM. Starke und innovative Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie ländliche Genossenschaften sind regional verankert, leistungsfähig, innovativ und ein wichtiger Teil der Wertschöpfungsketten. Sie sind Zukunftsgestalter und wichtige Akteure bei der Transformation der Wirtschaft. Beispielsweise ermöglichen die Energiegenossenschaften seit fast zwei Jahrzehnten den Ausbau regenerativer Energien auf Basis einer breiten gesellschaftlichen Teilhabe. „Was einer allein nicht schafft, das schaffen viele “ – dieser Leitgedanke von Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich Wilhelm Raiffeisen, die vor rund 160 Jahren die ersten Genossenschaften in Deutschland gegründet haben, ist aktueller denn je. Statt auf Gewinnmaximierung ausgerichtet, sind Genossenschaften ihren Mitgliedern verpflichtet und Kunden vor Ort verbunden, durch und durch mittelständisch geprägt und außerordentlich krisenfest.

Wichtige Mittelstandsfinanzierer

Die zehn Volksbanken und Raiffeisenbanken im OM sind ein wichtiger Mittelstandsfinanzierer. Gerade für den Mittelstand ist es von großer Bedeutung, dass er seine Pläne mit einem Finanzpartner vor Ort besprechen kann und nicht von Entscheidungen aus fernen Konzernzentralen abhängig ist.

Das zum Jahresende 2023 bestehende Kreditvolumen von mehr als acht Milliarden Euro macht deutlich, welche Bedeutung die Genossenschaftsbanken im OM für unternehmerische Investitionen, die Schaffung von Arbeitsplätzen oder den Bau von Eigenheimen und Mietwohnungen haben. Mit mehr als 97.000 Mitgliedern – das ist fast jeder dritte der rund 325.000 Einwohner im OM – ist die genossenschaftliche Idee zudem tief verwurzelt in der Region. Darüber hinaus belegt die Kundenzahl von knapp 200.000 die starke Wettbewerbsposition der genossenschaftlichen Banken und ihre Bedeutung für die Versorgung mit Dienstleistungen rund um Kredit, Geldanlage und Versicherungen.

Transformation braucht starke Genossenschaftsbanken

Die großen gesellschaftlichen Herausforderungen sind ohne die Leistungskraft der Volksbanken und Raiffeisenbanken nicht zu bewältigen. Digitalisierung, Klimaneutralität, Energiewende, Strukturwandel – diese Transformation benötigt Milliarden-Finanzierungen, die der Staat allein nicht aufbringen kann. Dazu braucht es viel privates Kapital. Die Genossenschaftsbanken in der Region können dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Sie zählen zu den Ertragsstärksten in Deutschland. Das eröffnet ihnen Spielräume, um die Transformation in der Region begleiten und gestalten zu können. Gerade auf das landwirtschaftlich geprägte OM kommen in den nächsten Jahren große Herausforderungen zu, die leistungsfähige und verlässliche Finanzpartner erfordern. Für Niedersachsen als Agrarland Nummer eins in Deutschland und damit auch für die Landkreise Vechta und Cloppenburg ist das von entscheidender Bedeutung.

Ländliche Genossenschaften stützen die Wirtschaftskraft

Eine wichtige wirtschaftliche Rolle im OM spielen auch die ländlichen Genossenschaften. Dafür ist die Erzeugergroßmarkt Langförden-Oldenburg e.G. (ELO) ein erstklassiges Beispiel. Die ELO ist mit einem Jahresumsatz von mehr als 250 Millionen Euro (Geschäftsjahr 2023) ein führendes deutsches Unternehmen im Bereich der Frischvermarktung von Freilandsalaten und -gemüse, Beerenfrüchten, Kern- und Steinobst sowie Champignons. Zu den Kunden zählen nahezu alle großen Lebensmitteleinzelhändler und Discounter.

Aber auch die GS Die Genossenschaft eG in Schneiderkrug im Landkreis Cloppenburg ist als moderner Landhändler ein unverzichtbarer Teil der Agrarbranche. Mit einem Umsatz von mehr als einer halben Milliarde Euro und knapp 350 Mitarbeitenden ist sie ein mittelständischer Leuchtturm in der Region. Sie liefert nicht nur 500.000 Tonnen Futtermittel jährlich, sondern bietet durch innovative und wissenschaftlich begleitete Futterkonzepte Lösungen für eine zukunftsorientierte Landwirtschaft. Dies gilt auch für die Landwirtschaftliche Bezugsgenossenschaft eG Damme (LBD), die mit 180 Mitarbeitenden und Lagerkapazitäten für Getreide von mehr als 100.000 Tonnen ebenfalls zu den bedeutenden Futtermittelherstellern zählt.

Strukturwandel kostet Jobs

Dabei zeigen Untersuchungen der Uni Vechta mit Zahlen, Daten und Fakten, dass der Strukturwandel mit hohem Tempo voranschreitet. Dr. Barbara Grabkowsky, die an der Uni Vechta den Verbund Transformationsforschung agrar Niedersachsen leitet, prognostiziert in ihrer aktuellen TRAIN-Studie
(Transformationsszenarien der Agrar- und Ernährungswirtschaft in Nord-West-Niedersachsen), dass bis 2030 in der Agrar-, Ernährungs- und Futtermittelwirtschaft im Worth-Case-Szenario mehr als 23.000 Jobs verlorengehen könnten und Umsatzrückgänge von 30 bis 50 Prozent in Weser-Ems möglich seien. Damit würde der Region eine milliardenschwere Wertschöpfung verlorengehen, was sich auf alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche auswirke. Deshalb sei die Transformation der Landwirtschaft eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Landwirtschaft am Scheideweg

Die Landwirtschaft steht deshalb auch an einem Scheideweg. Wenn wir weiterhin nachhaltige Lebensmittel in Deutschland produzieren wollen, muss die Politik dafür die Rahmenbedingungen schaffen und nicht immer mehr Hürden für unsere qualitativ hochwertigen konventionellen landwirtschaftlichen Betriebe aufbauen. Ansonsten werden wir unsere Versorgungssicherheit von ausländischen Importen abhängig machen, die oftmals mit geringeren Standards einhergehen. Dies würde zu einem erheblichen Verlust an Arbeitsplätzen und Wertschöpfung auch im Oldenburger Münsterland führen. Landwirtschaft darf von der Politik nicht als Problem, sondern muss als Teil der Lösung betrachtet werden. Gerade die genossenschaftlichen Unternehmen sind Ideengeber und Treiber der Transformation und keine Bremser.

Energiewende: Genossenschaften zeigen Wege

Wie man die Energiewende auf Basis einer breiten gesellschaftlichen Teilhabe vorantreiben kann, zeigen die rund 70 Energiegenossenschaften in Weser-Ems, die jährlich Strom für rund 60.000 Vier-Personen-Haushalte aus regenerativen Energieträgern liefern. Dabei zeigt die 2023 gegründete Energiegenossenschaft Bakum eG eindrucksvoll, dass sie Zukunftsgestalter sind. Dort ist es gelungen, eine große Zahl der Menschen in der 6.000 Einwohner umfassenden Gemeinde an drei Windkraftanlagen zu beteiligen. Insgesamt haben mehr als 340 Mitglieder ein Geschäftsguthaben von 1,5 Millionen Euro gezeichnet.

Energy Sharing: Bakum startet Pilotprojekt

Die Energiegenossenschaft hat darüber hinaus in diesem Jahr ein bundesweit einzigartiges Pilotprojekt gestartet. Zusammen mit der Gemeinde Bakum, EWE AG und neoom (Hersteller Batteriespeicher, Österreich) hat sie die erste Energy Sharing Community in Deutschland an den Start gebracht. In diesem Pilotprojekt wird der Strom aus dem genossenschaftlichen Bürgerwindpark und von den kommunalen Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern der Gemeindegebäude zusammengefasst. Damit dies trotz der fehlenden gesetzlichen Rahmenbedingungen in Deutschland möglich ist, haben sich die Projektpartner in einem „Demonstrationsprojekt“ zusammengeschlossen, in dem Stromzuteilung und Abrechnung realitätsnah nachgebildet werden.

Während viel über die Ausgestaltung und die Mehrwerte von Energy Sharing diskutiert wird und sich die Gesetzgebung in die Länge zieht, zeigt Bakum, wie dieses Modell funktionieren kann und sammelt wichtige Praxiserfahrungen. Genossenschaften entwickeln Lösungen für aktuelle Herausforderungen, die von einer breiten gesellschaftlichen Teilhabe geprägt sind, eine hohe Wirtschaftlichkeit mit demokratischen und gesellschaftlichen Werten vereinbaren und eine hohe Nachhaltigkeit gewährleisten. Kurzum: Genossen gestalten Zukunft.

Die zehn Genossenschaftsbanken im Oldenburger Münsterland

Die Liste der zehn Volksbanken und Raiffeisenbanken in den Landkreisen Cloppenburg und Vechta (in Klammer stehen Bilanzsumme und Mitarbeiterzahl, Stand Ende 2023) zeigt die Vielfältigkeit der einzelnen Institute, die insbesondere für die klein- und mittelständischen Unternehmen vor Ort ein wichtiger Finanzpartner sind.

  • Volksbank eG, Barßel – Bösel – Friesoythe (954 Mio. Euro / 133)
  • Volksbank Dammer Berge eG (1,09 Mrd. Euro / 150)
  • Volksbank eG Emstek Essen Cappeln (865 Mio. Euro / 107)
  • Volksbank Lastrup eG (223 Mio. Euro / 23)
  • Volksbank eG Löningen (427 Mio. Euro / 52)
  • Volksbank eG Lohne-Dinklage-Steinfeld-Mühlen (1,49 Mrd. Euro / 181)
  • Volksbank eG Scharrel (379 Mio. Euro / 48)
  • Volksbank Vechta eG (1,67 Mrd. Euro / 242)
  • Volksbank Visbek eG (281 Mio. Euro / 38)
  • VR-Bank in Südoldenburg eG (1,31 Mrd. Euro / 154)
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