Maschinen- und Anlagenbau

Royaler Technologieführer

22.04.2025
Autor: Uwe Haring

Das Prädikat „Royal“ im Namen eines niederländischen Unternehmens ist eine Auszeichnung. Und die Krone daneben im Logo bezeugt den berechtigten Stolz darauf. Die Royal Terberg Group ist ein Familienunternehmen, das 1869 als Schmiede in Ijsselstein gegründet wurde. Heute baut es Spezialfahrzeuge und ist mit 38 operativen Gesellschaften in 15 Ländern vertreten. Am Standort ecopark produziert die Terberg HS GmbH seit 2011 Abfallsammelfahrzeuge.

Gruppenbild mit Frontlader und Management (von links): Ralf Woyczechowski, Jens Kammann, Eric Amberg, Ulrich Zschenderlein, Rüdiger Scholtyssek und Robert Böhm.

Terberg HS ist Fahrzeugbauer. Um es genau zu beschreiben: Terberg HS stellt Aufbauten für die Abfallentsorgung her und bestückt damit das jeweilige Chassis verschiedener Hersteller. Fahrgestell und Fahrerhaus kommen also beispielsweise von Mercedes, MAN, Volvo und Scania und werden je nach Bedarf des Kunden individuell um Aufbau und Ladetechnik ergänzt.

Individuell meint tatsächlich individuell. Sollen verschiedene Abfallfraktionen auf einer Tour gesammelt werden? Wird das Fahrzeug im städtischen oder im ländlichen Raum eingesetzt? Plant der Entsorger mit einem Ein-Mann-System? Der Alltag auf den Straßen und beim Recycling ändert sich. Ganz zu schweigen vom Antrieb. Verbrenner oder elektrisch?

Stahlbau, Chassis-Management, Hydraulik, Elektrik – bei Terberg sind 16 der insgesamt bald 150 Beschäftigten im technischen Büro tätig. „Wir müssen stets bedenken, dass so ein Fahrzeug für acht Stunden ein Arbeitsplatz ist“, sagt Ralf Woyczechowski. „Auch die Bedürfnisse des Fahrers und vor allem seine Erfahrungen fließen in die Entwicklung ein – bis hin zum Button im Display.“

„Leeres Blatt Papier füllen“

Ralf Woyczechowski ist seit 32 Jahren im Unternehmen, arbeitet als Senior Manager Research & Development und verantwortet die Entwicklung der gesamten Terberg-HS- Produktpalette. „Bei einem Kick-off-Meeting sprechen wir über das Anforderungsprofil eines neuen Fahrzeugs, dann beginnt die Arbeit mit dem Entwurf eines Konzepts.“ Und gerade bei grundlegenden Veränderungen wie etwa in Richtung Elektro-Mobilität „steht am Beginn unserer Arbeit ein leeres Blatt Papier, das wir füllen und gestalten.“

Wie wichtig für Terberg HS die Kunden sind, fällt sofort auf. Denn sie werden nicht als Kunden bezeichnet, sondern als Partner. Ein wichtiger Partner ist der Umweltdienstleister Lobbe aus dem sauerländischen Iserlohn – auch dies ein Familienunternehmen, auch dies ein Pionier seiner Branche.

„Wir freuen uns über innovative Partner wie Lobbe, die Entwicklungsschritte mit uns gehen“, betont Ralf Woyczechowski. „Und uns wiederum ist natürlich bewusst, dass wir manchmal quasi Prototypen kaufen“, versichert Lars-Uwe Thiessen, seit 2021 Handlungsbevollmächtigter bei Lobbe. „Doch genau dieses Geben und Nehmen bringt uns ja gemeinsam weiter.“ Lobbe hat 2009 den ersten Seitenlader von Terberg HS erhalten und bis heute etwa 90 Fahrzeuge dort gekauft – manche sind bereits elektrisch unterwegs.

Die Art des Antriebs ist auch in diesem Bereich ein großes Thema. Ein möglicher Umstieg auf Batteriebetrieb hat mit Nachhaltigkeit zu tun, mit Rücksicht auf Anlieger im Wohngebiet morgens um fünf. „Es haben sich aber auch schon Kindergärten beschwert, wenn man das Dieseln nicht mehr hört“, erzählt Lars-Uwe Thiessen augenzwinkernd. „Denn die Kinder dort kommen immer an den Zaun und schauen beim Leeren der Behälter zu.“

„Eindeutig Technologieführer“

„Es gibt große Firmen, die sagen zu ihren Dienstleistern: Als Entsorger fährst Du uns nicht mehr mit einem Verbrenner auf den Hof“, sagt Woyczechowski. Terberg kann mit jedem Antrieb arbeiten und setzt individuell den Bedarf des Partners um. „Mit unseren Themen sind wir aber eindeutig Technologieführer“, unterstreicht Entwickler Woyczechowski. „Etwa in der Kamera- oder der KI-Technik.“ Künstliche Intelligenz kommt auch in diesem Segment zum Einsatz. Bei Innovationen ist Terberg seit jeher selbstbewusst. Woyczechowski: „Die Ideen entwickeln wir selbst – keiner weiß, wie die Zukunft aussieht.“

In der Terberg Group sei es schon immer die familiäre Philosophie gewesen, nicht zu warten, bis andere etwas fertigt gemacht haben. In diesem Zusammenhang erwähnt der Entwicklungsleiter das Thema autonomes Fahren. „Aber nicht alles wird sofort auf den Markt gebracht.“

Stichwort Markt. „Zurzeit liefern wir unsere Front- und Seitenlader hauptsächlich auf den deutschen Markt“, ergänzt Ulrich Zschenderlein, seit Juli 2023 Geschäftsführer von Terberg HS. „Wir sind jedoch davon überzeugt, dass diese Produkte auch in anderen Ländern eine praktikable Lösung darstellen.“ Die Systeme sind sehr effizient, da sie allein vom Fahrer bedient werden. Und dieser bleibt beim Entleeren eines Behälters in der Kabine, ist also weder der Witterung noch dem Verkehr ausgesetzt.

 

 

Expansion im ecopark Seit 2011 produziert die Terberg HS GmbH im ecopark Abfallsammelfahrzeuge. Momentan wächst das Unternehmen wieder räumlich und personell.

Wachstum räumlich und personell

Einige der Seitenlader namens Speedline sind seit Jahren im kolumbianischen Bogotá im Einsatz. „Wir sind derzeit an Ausschreibungen für ähnliche Projekte in Brasilien und Ecuador beteiligt“, verrät Geschäftsführer Zschenderlein. „Genau solche Pläne sind Teil unserer internationalen Wachstumsstrategie“, sagt er. Das sind großartige Perspektiven für den Standort ecopark, wo Terberg momentan sowohl räumlich als auch personell wächst.

Mit besagtem Speedline hat Terberg HS 2024 übrigens einen Meilenstein erreicht. Der 2000. Seitenlader – als eSpeedline elektrohydraulisch betrieben – ist an die Abfallwirtschaft Heidekreis ausgeliefert worden, montiert auf einem Mercedes-Benz eEconic-Chassis.

Ebenfalls am Beispiel Speedline beschreibt Entwicklungsleiter Woyczechowski, dass konsequent an Menschen im und auch am Fahrzeug gedacht wird: „Der Seitenlader wird per Joystick bedient. Und das Entleeren des Behälters erfolgt automatisch ab einer vorher eingestellten Aufnahmehöhe.“ Das erleichtert die Arbeit und sorgt für mehr Sicherheit im Umfeld des Fahrzeugs.

Lieferanten aus der Region

Aufbauhersteller Terberg HS bezieht bei der Produktion seiner verschiedenen Aufbauten einige Komponenten weltweit. „Viele unserer Lieferanten kommen aber auch aus dem OM oder dem Emsland“, erklärt Ralf Woyczechowski. „Da setzen wir auf langjährige Partnerschaft, weil uns Flexibilität, Qualität und räumliche Nähe wichtig sind. Auch Lieferanten sind für uns Partner.“

Jährlich lädt Terberg HS übrigens sowohl Kunden und Lieferanten als auch die Angehörigen der Beschäftigten zum Partner & Family Day ein. Das familiäre Wir-Gefühl intern wie extern ist Terberg wichtig. Aktuell baut Terberg HS im ecopark etwa 200 Fahrzeuge pro Jahr. „Wir beabsichtigen die Zahl mindestens noch zu verdoppeln“, sagt Geschäftsführer Ulrich Zschenderlein. Zwischen der Anlieferung des Chassis und der Auslieferung des fertigen Fahrzeugs liegen üblicherweise vier bis sechs Wochen.

Service bundesweit

Wichtig ist für Terberg auch das Schulen des späteren Personals. Selbst bei einem Partner wie Lobbe mit 2.750 Beschäftigten und eigenem Fahrlehrer fährt ein Terberg-Mitarbeiter mit nach Iserlohn und stellt dem Lobbe-Team das neue Fahrzeug vor. Überhaupt legt Terberg HS großen Wert auf Support – von der digitalen Fernwartung bis zum mobilen Reparaturservice mit neun Servicetechnikern bundesweit.

Ist übrigens jemandem aufgefallen, dass in diesem Text das Wort Müll nicht verkommt? Für Terberg HS gibt es keinen Müll, keine Müllabfuhr, keine Müllautos. Nicht im Alltag und nicht auf der Website. Terberg HS sieht seine Produkte als wichtige Instrumente der Kreislaufwirtschaft.

Auch darauf ist das Unternehmen stolz. Genau wie auf die Krone im Logo der Royal Terberg Group.