Rückblick auf einen Hafenumschlag der Superlative im Juli 2024: Langsam, fast in Zeitlupe, wird der fast 450 Tonnen schwere Transformator aus dem Laderaum des Binnenschiffs „Wendy Dua“ in Richtung Pier des c-Port Küstenkanal gehoben. Höchste Konzentration und Präzision sind in diesen Momenten bei allen Beteiligten gefordert – dem Kranführer des Schwerlast-Raupenkrans, den Mitarbeitern des Hafenbetreibers und Transportbefrachters Rhenus Midgard Ems, den Projektverantwortlichen auf Seiten des Spediteurs deugro Deutschland GmbH und seiner technischen Dienstleister. Schließlich geht es bei dem nicht ganz alltäglichen Umschlag um das schwerste Ladungsgut, das im Binnenhafen c-Port nahe Friesoythe jemals gelöscht worden ist. Und ein weiterer, baugleicher 450-Tonnen-Koloss wartet im Schiff noch auf die Entladung am folgenden Tag.
Einer der beiden Schwerlast-LKW der Spedition Kübler für den Weitertransport sowie die notwendigen Begleitfahrzeuge stehen bereits in der Nähe der Pier bereit. Sein Ziel ist das ca. 25 Kilometer entfernte Garrel, wo TenneT als einer der führenden europäischen Stromnetzbetreiber auf rund 182.000 Quadratmetern Fläche eine Konverterstation des Offshore-Netzanbindungsprojekts BorWin5 sowie ein Umspannwerk im Rahmen der neuen 380-kV-Höchstspannungsleitung Conneforde-Cloppenburg-Merzen baut.
Begonnen hatte die Reise der beiden Transformatoren bereits zwei Wochen vorher in Nürnberg, wo sie auch gebaut worden sind. Von hier aus organisierte Rhenus Logistics den Transport per Binnenschiff über das deutsche Wasserstraßennetz zum c-Port nach Sedelsberg. Dort angekommen, war für das Löschen der Trafos vom Schiff „schweres Gerät“ nötig: Ein Raupenkran der Spezialfirma Schmidbauer mit 800 Tonnen maximaler Traglast war in Einzelteilen mit diversen LKW angeliefert und danach fast
14 Tage lang auf dem Hafengelände aufgebaut worden. Auf der Pier des c-Port selbst mussten vorab Gewichtsverteilungen berechnet und die genauen Aufstell- und Lagerpunkte des Krans wie auch der Schwergüter definiert werden.
Strategische Vorteile des c-Port
Sinnbildlich steht dieser Hafenumschlag für die besondere Kompetenz des c-Ports im Bereich der Projektlogistik, also Transporte überdimensionaler und besonders schwerer Güter, und den damit verbundenen Chancen aus der zunehmend dynamischen Entwicklung im Bereich der erneuerbaren Energien. Denn angesichts zahlreicher anstehender Infrastrukturmaßnahmen im Rahmen der Energiewende und aufgrund insgesamt steigender Strombedarfe durch Unternehmen und Privathaushalte stehen in den kommenden Jahren im Nordwesten Deutschlands noch viele Transporte im Bereich der Projektlogistik an. So müssen etwa die großen Offshore-Windparks in der Nordsee an die Stromübertragungsnetze angebunden werden, um den Strom zu den Verbraucherzentren zu führen.
Grundlage hierfür ist der Netzentwicklungsplan Strom (NEP), der von den vier deutschen Übertragungsnetzbetreibern 50Hertz, Amprion, TenneT und TransnetBW entworfen wird. Zu den im NEP konkretisierten Netzausbaumaßnahmen gehören unter anderem die Anbindung der Windparks BalWin1 + BalWin 2, der Rhein-Main-Link, der regenerativ produzierten Windstrom von Niedersachsen über Nordrhein-Westfalen nach Hessen bringen wird, sowie der Korridor B, der Windstrom aus Schleswig-Holstein und aus dem Norden Niedersachsens nach Nordrhein-Westfalen übertragen soll. Zwischen 2027 und 2032 werden hieraus konkrete Bauprojekte. Die zugehörigen Logistikleistungen rund um den Transport von beispielsweise Kabeltrommeln zu den Baustellen werden von den großen Kabelherstellern bereits fortlaufend ausgeschrieben.
Hier kommt der 2007 in Betrieb genommene Binnenhafen c-Port ins Spiel: Überdimensionale und sehr schwere Güter können auf der speziell konstruierten Pier restriktionsfrei umgeschlagen und zwischengelagert werden. Die Lage am Küstenkanal mit seinem stets gleichbleibenden Wasserstand und Tiefgang ist ebenfalls von Vorteil, da zum Beispiel ein Tidenhub in der zeitlichen Planung des Umschlags nicht zu berücksichtigen ist. Verkehrsmäßig günstig an der Schnittstelle der beiden Bundesstraßen B 401 und B 72 gelegen, wird ein direkter Weitertransport von Gütern in alle vier Himmelsrichtungen ermöglicht, ohne dass Ortschaften oder Wohngebiete nahe dem Hafen durchquert werden müssen.
Weiterhin kann der c-Port beziehungsweise der ansässige Hafenbetreiber Rhenus Midgard Ems bereits weitreichende Erfahrung
im Handling mit Komponenten aus dem Energiebereich – also zum Beispiel Trafos, aber auch Kabeltrommeln, Turmteile für Windenergieanlagen oder auch Druckbehälter – vorweisen. Außerdem ist die geografische Lage ein entscheidender Vorteil, denn viele Stromtrassen-Bauprojekte können vom c-Port aus mit dem LKW innerhalb weniger Stunden bedient werden. Trotz des bestehenden Wettbewerbs mit anderen norddeutschen Hafenstandorten stehen die Chancen also gut, dass der c-Port auch in Zukunft Schauplatz „schwergewichtiger“ Aufträge und damit ein essenzieller Standort für das Gelingen der Energiewende sein wird.
Binnenschiff setzt sich zunehmend durch
Monatelange Planungen gehen einem Transport wie dem der beiden Trafos für das Umspannwerk in Garrel voraus: Neben Größe und Gewicht muss vor allem auch die technische Komplexität berücksichtigt und hieraus letztlich das passende Logistikkonzept entwickelt werden. Und dabei setzt sich das Binnenschiff zunehmend als Hauptverkehrsträger gegenüber dem LKW durch, denn Einschränkungen auf den Autobahnen, wie zum Beispiel nicht genügend tragfähige Brücken, lange Wartezeiten für Transportgenehmigungen und nicht zuletzt auch die Notwendigkeit zur Einsparung von CO2-Emissionen erfordern insgesamt ein Umdenken bei Spediteuren. Die Vorteile eines Binnenschiffstransports, gerade in der Projektlogistik, sind immens:
Im Gegensatz zur Straße sind keine komplizierten Transportgenehmigungen nötig, zeitliche Einschränkungen wie zum Beispiel durch Tagfahrverbote, Staus oder Umleitungen, wie auf Autobahnen, gibt es auf Wasserstraßen nicht. Ein einzelnes Binnenschiff bietet viel mehr Platz als ein LKW, sodass neben dem mitunter äußerst sperrigen Haupt-Ladegut auch noch Zubehörteile oder Montagematerial mitgenommen werden können. Aufwendige Streckenprüfungen, in denen nachvollzogen wird, ob ein LKW mit Überlänge oder -breite bestimmte Abschnitte überhaupt passieren kann oder ob nicht doch ein Bauwerk im Weg steht, werden verringert. Denn anstelle der gesamten Transportstrecke muss nur noch der Weg vom Hafen bis zur endgültigen Destination geprüft werden. Auch was das Thema CO2-Emissionen betrifft, schneidet das Binnenschiff häufig deutlich günstiger ab als der LKW. Die meist längeren Transitzeiten, also die langsamere Fahrzeit des Binnenschiffs, fallen als möglicher Nachteil fast nicht mehr ins Gewicht.