Maschinen- und Anlagenbau

Kollege Roboter verlangt mehr als nur Strom

09.02.2023
Autor: Dr. Henning Müller

In den kommenden zwei Jahrzehnten ist ein massiver Ausbau der Photovoltaik-Leistung notwendig, um unseren Bedarf aus Erneuerbaren Energien zu decken. Ohne das Handwerk als Gestalter der Energiewende kann diese Aufgabe nicht gelingen. Doch nicht nur dort spielt das Handwerk eine gewichtige Rolle: Individuelle kundenspezifische Lösungen in Automatisierungs- und Industrietechnik erfordern hohe Anwendungskompetenz und fundiertes Wissen. Die HoBohTec GmbH bringt Energie- und Automatisierungstechnik zusammen.

HoBohTec bei der Arbeit: „In Sachen PV gibt es deutschlandweit noch viel zu tun“, weiß Geschäftsführer Hans-Jürgen Böhmann.

Bis zum Jahr 2040 ist ein PV-Ausbau auf 400 GWP im Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) 2023 vorgesehen. Um dieses Ziel zu erreichen, muss der Netto-Zubau innerhalb von kürzester Zeit auf 22 GWP pro Jahr ansteigen. Auch Altanlagen müssen ab Ende dieses Jahrzehnts zunehmend ersetzt werden. Dafür braucht es die richtigen gesetzlichen Rahmenbedingungen, schlagkräftiges und zupackendes Handwerk sowie eine ausreichende Materialversorgung. Mit dem EEG 2023 wurde ein Rahmen geschaffen, der dafür sorgt, dass Photovoltaik nach Jahren mit nur sehr geringfügigem Zubau wieder interessanter wird – nicht nur für Investoren, sondern auch für private Haushalte. Die Neufassung enthält zahlreiche Verbesserungen und Vereinfachungen, die zum Januar 2023 in Kraft treten. 2022 sollen bereits 7 GWP ans Netz gehen und damit das Niveau der Jahre 2010 bis 2012 erreicht werden.

Das HoBohTec-Team vor dem Geschäftsgebäude des Unternehmens in Garrel.

Photovoltaik als Chance

Auf Basis des EEG 2009 kam es bis 2012 zu einem enormen Zubau von PV-Anlagen, der durch fallende Modulpreise bei gleichzeitig gleichbleibender Förderung ausgelöst wurde – ein gutes Fundament für eine chancenreiche Gründung.

Im Januar 2010 hat Hans-Jürgen Böhmann zusammen mit Franz Högemann die Firma HoBohTec GmbH gegründet. Im Fokus standen zunächst die Installation und die Wartung von Photovoltaik-Anlagen. Der Kundenstamm wuchs schnell an. Zielgruppe waren nicht nur private Haushalte, sondern auch Unternehmen mit entsprechender Dachfläche und Interesse, die den erzeugten Strom zumindest teilweise auch selbst in der Produktion einzusetzen. Beim Aufbau von Zählern und einfachen Schaltschränken blieb es nicht lange. Oft ergaben sich beim Blick in die Industrie- und Produktionstechnik Ideen für Optimierungen und Automatisierungen.

Automatisierung und Robotik im Kundenauftrag

Mit dem EEG 2012 bzw. der Photovoltaik-Novelle ist der Ausbau faktisch zum Erliegen gekommen. „Das war damals wie eine Vollbremsung“, erinnert sich Hans-Jürgen Böhmann. Wurden im Jahr 2012 noch 8,16 GWP zugebaut, waren es im Jahr 2013 noch 2,63 GWP und 2014 nur noch 1,19 GWP. Aber aus den ersten vereinzelten Anfragen für individuelle kundenspezifische Lösungen in den Bereichen Automatisierung und Robotik konnte ein solides Geschäftsfeld entwickelt werden. „Über die scheinbar einfache Installation und Integration von Photovoltaik- Anlagen sind wir schnell zu Optimierungen rund um die komplexe Produktions- und Anlagentechnik beim Kunden gekommen“, hebt Böhmann hervor.

Heute ist dieses Geschäftsfeld nicht mehr wegzudenken. Permanent stehen am Firmensitz in Garrel Roboter namhafter Hersteller, die mit entsprechenden Werkzeugen und Programmen ausgerüstet werden. Alles wird in der Halle am Eichkamp entwickelt, erprobt, optimiert und getestet, bevor es dann in die Produktionsanlagen der Kunden eingebaut wird. Dafür wurden im Vorfeld die Arbeitsabläufe gemeinsam mit dem Kunden analysiert, optimiert, geplant, simuliert und schließlich in der Produktion automatisiert. Der Einbau der komplexen Automatisierungstechnik wird oft am Wochenende durchgeführt, um die eigentliche Produktion so wenig wie möglich zu stören. „Immer lässt sich das natürlich nicht vermeiden. Aber wir planen alles gemeinsam mit dem Kunden, so dass wir die Ausfallzeiten auf ein Minimum reduzieren können,“ ergänzt Dirk Schromm, der bei HoBohTec das Projektmanagement unterstützt.

HoBohTec-Azubis am Schaltschrank.

Erfolgreich durch eigene Innovationen

Ein Meilenstein in der Firmengeschichte ist das Jahr 2013. Damals hat das Garreler Unternehmen ein eigenes Produkt entwickelt, das über die Innovationsberatung der Handwerkskammer Oldenburg begleitet und mit Mitteln aus Innovationsförderung des Landes Niedersachsen finanziell unterstützt wurde. Am Anfang stand eine Anfrage der Firma Moorgut Kartzfehn nach einem vollautomatischen Eiersammler, der in den
Ställen die Nester der Elterntiere nach Eiern absuchen und diese einsammeln kann. Herausgekommen ist ein Eiersuchroboter mit der Bezeichnung EiSam. Hans-Jürgen Böhmann erinnert sich: „Das war schon eine große Herausforderung. Am Anfang hatten wir ein weißes Blatt. Es gab keine Idee, nur die Herausforderung und die Überzeugung, dass wir es hinbekommen können. Allerdings hatten wir damals keine Ahnung von
Puten, Nestern, Eiern und Tierwohl!“

Das ist heute ganz anders. Um ein solche Innovation erfolgreich umzusetzen und ein gutes Produkt neu zu entwickeln, ist es unabdingbar, sich mit Abläufen zu befassen. Dazu gehört es auch, das Verhalten der Tiere zu verstehen. Spannende Schritte in dem Innovationsvorhaben waren die Energiezuführung, das tiergerechte Herausschieben der Pute aus dem Nest, die Lokalisierung des Eis, die Ausrichtung des Eis auf den Brutmagazinen und die Verzahnung aller Prozesse, um einen zügigen Ablauf zu gewährleisten.

Eins der vielen technischen Highlights ist zweifelsfrei die kontaktlose Energieversorgung, die unempfindlicher gegenüber Verschmutzung ist. Ein weiteres ist die Kameratechnik zur Lokalisierung des Eis im Nest. Mit dem Projekt hat sich HoBohTec viel Wissen rund um die Bildauswertung angeeignet. Mittlerweile wird dieses Wissen in vielen kundenindividuellen Aufträgen erfolgreich eingesetzt. Eine besondere Berücksichtigung haben im Innovationsvorhaben Tierwohlaspekte gefunden. Unter Einbeziehung von Fachleuten wurden alle Abläufe überprüft und mehrfach optimiert. „Allerdings kann dir bei vielen Herausforderungen keiner wirklich helfen. Du betrittst Neuland und musst dich durchbeißen,“ ergänzt Hans-Jürgen Böhmann. „Wir haben dabei viel gelernt – vor allem, dass wir uns intensiv mit den jeweiligen Anforderungen auseinandersetzen müssen. Damals waren es Puten, morgen ist es was ganz anderes. Automatisierungstechnik ist vielfältig“, so der Inhaber.

Weitere Geschäftsfelder werden entwickelt

Die Neuentwicklung des EiSam war in vielerlei Hinsicht für die weitere Firmenentwicklung wichtig und prägend und das nicht nur auf technologischer Ebene. Die eigenen Forschungs- und Entwicklungsprozesse wurden optimiert, ein professionelles Projektmanagement auf gebaut, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eingestellt und neue Geschäftsfelder erfolgreich auf gebaut. Dazu gehören neben den Bereichen Photovoltaik, Robotik und Automatisierungstechnik auch Industriemontage, Sondermaschinenbau, E-Check, Schaltanlagenbau und Elektrotechnik. HoBohTec ist mittlerweile nicht nur regional bekannt. So wurden in den letzten Jahren auch zahlreiche individuelle Kundenanforderungen national und international erfolgreich umgesetzt. „Wir sind mit unseren Entwicklungen dort zu Hause, wo unsere Kunden Prozesse automatisieren wollen“,
unterstreicht Sascha Breckweg, der als Elektroleitmonteur bei HoBohTec seit elf Jahren beschäftigt ist. Dank der verbauten Fernwartungstechnik können sich die Projektmanager und Techniker von Garrel aus auf die Anlagen schalten, Servicekräfte vor Ort direkt unterstützen, Updates aufspielen oder Erweiterungen der komplexen Anlagen durchführen.

Die Erfahrung zeigt, dass es oft schwieriger ist, einen einfachen Standardroboter einige Kilometer entfernt zu erreichen als eine komplexe Produktionsanlage, die mehr als tausend Kilometer entfernt im ländlichen Raum in einem anderen Land installiert wurde. „Dass das Thema Netzausbau auch 2023 immer noch ein Thema ist, hätte ich mir damals nicht vorstellen können,“ zeigt sich der pragmatische Geschäftsführer frustriert. „Wir sind auf breitbandige Verbindungen im ländlichen Raum angewiesen. Jeden Tag arbeiten wir mit unserem Team daran, dass unsere Kunden mit effizienter Prozessautomatisierung unnötige Kosten sparen und gleichzeitig ihre Produktqualität erhöhen. Ohne eine flächendeckende Vernetzung kommen wir da an unsere Grenzen.“

Kein Erfolg ohne ein kompetentes Team

Gelingen kann das alles nur mit qualifizierten und motivierten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, von denen das Unternehmen mittlerweile 34 beschäftigt, und zwar in den verschiedenen Bereichen Elektronik, Service, Projektmanagement, Konstruktion sowie Lager und Verwaltung. Eine wichtige Säule für den langfristigen Erfolg ist die eigene Ausbildung. Bereits von Anfang an hat das Unternehmen hier keine Kompromisse gemacht. Derzeit werden sieben junge Menschen in den Bereichen Elektro, Lager und Verwaltung ausgebildet. Vier Auszubildende sind 2022 gestartet. Und weniger dürfen es nicht sein: HoBohTec wächst und sucht Fachkräfte wie ein Blick auf die Homepage www.hobohtec.de zeigt.

Allein im Jahr 2022 gab es fünf Neueinstellungen. „Die Gewinnung neuer Fachkräfte steht bei uns ganz oben. Wir versuchen mit guten Konditionen und Flexibilität zu punkten. Aber am Ende leben wir nun einmal davon, dass vieles beim Kunden vor Ort stattfindet. Ohne eine entsprechende Reisetätigkeit geht das nicht“, beschreibt Hans-Jürgen Böhmann das Arbeitsumfeld. immer wichtiger bei der Mitarbeitergewinnung seien die sozialen Medien. Dort sei noch Luft nach oben. Böhmann betont: „Das geht nur ganz oder gar nicht und braucht Ressourcen. Im Vordergrund steht immer der Kunde. Die Kommunikation über unsere erfolgreiche Arbeit, unser Team und den Betriebsalltag ist aber auch wichtig!“

Blick in die Zukunft

In den letzten Jahren haben die Themen Robotik, Automatisierung und Industrietechnik deutlich mehr Raum eingenommen. Das Geschäftsfeld Photovoltaik wurde allerdings zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt und immer kontinuierlich weiterverfolgt. Das zahlt sich nun aus! Seit 2021 wächst der jährliche Zubau auf Bundesebene erneut und erreicht alte Spitzenwerte. Dank frühzeitiger und mutiger Einkaufsentscheidungen konnte HoBohTec sich absichern und viele Kundenanfragen bedienen. „Natürlich sind auch wir von Preissteigerungen und den Verwerfungen in den globalen Lieferketten betroffen. Wir müssen jeden Tag mit den Krisen umgehen und haben gelernt, uns soweit es geht darauf einzustellen,“ hebt Thomas Rump hervor, der bei HoBohTec den Einkauf verantwortet.

Mit Blick auf die Zukunft arbeitet das Team daran, seine technologische Basis zu verbreitern und nimmt sich bereits seit Jahren Themen wie Künstlicher Intelligenz an. „Für uns sind das Werkzeuge, die wir beherrschen müssen. Vieles können wir auch über Partner abdecken – im Kern müssen wir aber das Wissen haben, um unsere Kunden erfolgreich zu unterstützen. Um das zu erreichen, werden wir auch in Zukunft an FuE-Vorhaben mitarbeiten,“ unterstreicht Hans-Jürgen Böhmann.

Exemplarisch ist hier das aus Mitteln des Landes und der EU geförderte Vorhaben SmartTail zu nennen. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz soll Schwanzbeißen bei Schweinen frühzeitig und automatisiert erkannt werden. Dem Landwirt soll so ein praxisnahes Werkzeug an die Hand gegeben werden, um ihn bei der Haltung unkupierter Schweine zu unterstützen. Das Projekt unterstreicht einmal mehr die Kompetenz des Handwerksunternehmens.