Es entsteht eine virtuelle Gesundheitsregion Oldenburger Münsterland: Modernste kardiologische Digitaltechnik, Telehebammen und eine Linderung der pädiatrischen Unterversorgung im Landkreis Cloppenburg sind nur einige Stichpunkte. Konkret geht es in diesem landesweit ersten Projekt dieser Art darum, Patienten in einer ganzen Region, dem Oldenburger Münsterland, noch schneller und kompetenter zu helfen.
Virtuelle Gesundheitsregion
„Wir möchten für den Patienten digitale Angebote schaffen, die eine optimale Versorgung ermöglichen“, so Ulrich Pelster, Vorstandsvorsitzender der Schwester-Euthymia-Stiftung (SES): „Auch durch Telemedizin werden Versorgungslücken gelindert oder gar geschlossen.“ Vorgesehen ist unter anderem eine telemedizinische kardiologische Fernüberwachung. Denn die Untersuchung in der Facharztpraxis oder auch im Krankenhaus ist häufig nur eine Momentaufnahme. Das Tragen von telemedizinischen Geräten – ähnlich einer Digitalarmbanduhr – macht eine kontinuierliche Erfassung und Erkennung von Anomalitäten und Risiken möglich. Diese Daten werden durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz ausgewertet und von einem Facharzt beurteilt.
Wenn erforderlich, wird ein persönlicher Arztbesuch koordiniert, um die weitere Abklärung von Risiken vorzunehmen. Damit wird Prävention betrieben, dramatischere Entwicklungen können vermieden werden. Insbesondere Patienten mit einem Vorhofflimmern oder Rhythmusstörungen würden hiervon profitieren. In den Landkreisen Vechta und Cloppenburg leben insgesamt rund 45.000 Personen im Alter von 50 bis 60 Jahren. Im Durchschnitt sind fünf bis zehn Prozent dieser Altersgruppe von Vorhofflimmern betroffen. Somit weist die Region rund 4500 potenzielle Patienten auf, die von dem Angebot profitieren können. Ein weiteres Beispiel ist ein Telehebammenservice (Beratung und Schulung): Die Sicherstellung der Versorgung in den Geburtseinrichtungen der Schwester-Euthymia-Stiftung kann durch einen Telehebammendienst weiter verbessert werden und sie wirkt dem Fachkräftemangel entgegen. So gibt es Teile der Beratung und Schulung bei der Begleitung in der Schwangerschaft, die online stattfinden können. Dieses ergänzende Schulungs- und Beratungsangebot muss auch in die derzeitige Versorgungsstruktur eingebettet werden. Das Vorhaben soll durch die Schwester-Euthymia-Stiftung gemeinsam mit den Beteiligten der Geburtshilfe in der Region umgesetzt und etabliert werden.
Auch soll gemeinsam mit den Hilfsdiensten und Leitstellen des Rettungsdienstes eine Lösung entwickelt werden, um im Notfall noch schneller eine fachärztliche Beurteilung der Patientensituation zu erzielen. Dazu dient dann die digitale Übertragung von Vitalparametern oder eine Telekonsultation. So kann zeitnah im Rettungswagen entschieden werden, in welchem Krankenhaus der Patient die für ihn beste Behandlung erfahren kann. Im Ergebnis entsteht eine virtuelle Gesundheitsregion: Die Einrichtungen im stationären und ambulanten Bereich, Rettungsdienste sowie Patienten sind dann miteinander vernetzt. Das Projekt hilft auch bei der digitalen Vernetzung zur Fallbesprechung. Notwendig hierfür sind nicht nur ein Videotool oder ein Messengerdienst, sondern eine Plattform, die neben diesen Funktionalitäten einen sicheren, datenschutzkonformen Zugriff auf notwendige Untersuchungsdaten ermöglicht. Eine solche Lösung ist eine sinnvolle Ergänzung zum Behandlungsverlauf und kann sich positiv auf diesen auswirken.
„Unser Ziel ist die Abbildung von unterschiedlichen Anwendungen auf einer gemeinsamen Telemedizinplattform, von der alle Beteiligten profitieren“, sagt Dr. Carsten Giehoff, Leiter IT der Schwester-Euthymia-Stiftung. Die Antragstellung erfolgte als ein Gemeinschaftsprojekt der Krankenhäuser der Schwester-Euthymia-Stiftung und des Krankenhauses Friesoythe. „Wir sind optimistisch, es ist uns gelungen, alle Leistungserbringer der Region zusammenzubringen und gleichzeitig Konzepte zu entwickeln, die das Oldenburger Münsterland in eine Vorreiterrolle bei der Digitalisierung bringen werden,“ erläutert Ulrich Pelster.
Ausbildung zu Digitalisierungsmanagern
Zu den Digitalisierungsprojekten gehört auch die Ausbildung von Fachkräften zu Digitalisierungsmanagern im Gesundheitswesen. Geschult werden sollen zum Beispiel Medizinische Fachangestellte, Gesundheits- und Krankenpfleger, Altenpfleger, Pflegefachkräfte, Ärzte, Operationstechnische Assistenten, Medizinisch-Technische Assistenten, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Logopäden. Die dreimonatige Qualizierungsmaßnahme soll auch dazu dienen, dem Personalmangel entgegenzuwirken: Die Teilnehmer bauen Kompetenzen in den Themenfeldern IT-Prozess- und Organisationsmanagement sowie Marktverständnis auf. Die Schwester-Euthymia-Stiftung kooperiert dabei mit der Einrichtung Flying Health in Berlin – führend in der Digitalisierung im Gesundheitswesen in Deutschland. In den ersten sechs Modulen werden theoretische Inhalte vermittelt, die anschließend in einem Theorie-Praxis-Transfer angewendet werden. Hier werden die vermittelten Inhalte genutzt, um ein individuelles Projekt zu planen. Den Abschluss des Kurses bildet eine Präsentation der Projektarbeit sowie eine Exkursion zum Kooperationspartner Flying Health nach Berlin.
Fachkräfte im Gesundheitswesen mit einem großen Interesse an Digitalisierung können sich dazu für eine Voll-/Teilzeittätigkeit in einem der Krankenhäuser der Schwester-Euthymia-Stiftung bewerben und unentgeltlich an dem Ausbildungsgang „Digitalisierungsmanager im Gesundheitswesen“ teilnehmen. Anschließend können sie maßgeblich Digitalisierungsprojekte in den Krankenhäusern begleiten. Der erste Ausbildungsgang zum Digitalisierungsmanager im Gesundheitswesen begann 2022. Ein weiterer Kurs ist ab Mai 2023 geplant. Die Kosten der Ausbildung betragen 4.500 Euro. Für Mitarbeiter der Einrichtungen der SES ist die Teilnahme unentgeltlich.