Bauwirtschaft

Keine Katalogware vom Ku´damm

22.02.2023
Autor: Stefan Freiwald

Der Chef liebt kleine Aufträge und bezeichnet sich als schlechten Verkäufer. Die Kollegen haben Namen wie Johnny und Hollywood. Sie sind die Lieblinge von Werkstatt-Hündin Maja. Alle zusammen freuen sich nachmittags über Kaffee und Kuchen. In der idyllisch gelegenen Meister-Tischlerei läuft es nicht nur deswegen glänzend. Nur die Adresse irritiert dann doch.

Blick fürs Detail. Tischlermeister Dirk Moormann leitet den Vestruper Betrieb in dritter Generation und mit ausgeprägtem Handwerker-Ethos.

Wer kann schon von sich behaupten, die eigene Werkstatt auf dem Kurfürstendamm zu haben? Gut, bei diesem Ku’Damm handelt es sich um eine ziemlich gewöhnliche Straße am Rande des Örtchens Vestrup in der Gemeinde Bakum. Aber die Arbeit, die dort gemacht wird, kann sich auch in Berlin sehen lassen.

Dirk Moormann, Senior-Chef und Vater Bernard, die Gesellen Holger Grave und Michael Burwinkel und die Auszubildenden Johann Schumacher und Markus Kreutzhecker bauen in der Tischlerei Fenster, Türen, Möbel und fast alles, was sich aus Holz so konstruieren lässt. Eine gewöhnliche Tischlerwerkstatt, könnte man meinen. Doch das stimmt nicht. Moormanns legen Wert auf Umweltschutz, fairen Handel und, nicht zuletzt, bleibende Qualität. Handwerkliche Tugenden in einer Zeit, in der alles schnell und unter hohem Kostendruck fertig werden muss. „Was wir bauen, hält für Generationen. Dabei denken wir nachhaltig und das spart Geld“, sagt der Chef.

Dirk Moormann erinnert sich, als er vor ein paar Jahren die Tür im Oldenburger Ratskeller restaurieren soll. Eine andere Tischlerei hat bereits ein Angebot abgegeben: 30.000 Euro für eine komplette Überarbeitung der Tür in dem denkmalgeschützten Gebäude. Das erscheint dem Ratskeller-Pächter deutlich zu viel. „Da haben wir uns in Ruhe an einem Tisch gesetzt, die Probleme genau besprochen“, erinnert sich der Tischlermeister. Moormann ›ndet schließlich heraus, dass die Tür nach Ansicht des Pächters noch schön aussieht und tipptop in Ordnung ist, sie aber nicht mehr richtig schließt. Das wiederum stört die älteren Gäste, weil es in den historischen Gebäuden zieht. Nach einem Tag ist die Sache erledigt, die Tür schließt wieder, die Gäste bekommen keinen steifen Nacken mehr. „1.000 Euro hat das am Ende nur gekostet. Das war einfach zu lösen“, sagt der Vestruper.

Feinschliff: Geselle Holger Grave (rechts) zeigt Azubi Johann Schumacher, wie es richtig geht.

Herausforderung Denkmalschutz

Während er so darüber nachdenkt, schüttelt er kurz mit dem Kopf. „Ich bin ein schlechter Verkäufer“, sagt er und lächelt. Dass die Werkstatt brummt, spricht für die Qualität der Vestruper. Das weiß auch Dirk Moormann. Dauerhafter Erfolg, so ist er überzeugt, geht nur auf die ehrliche und partnerschaftliche Art. Fast immer, wenn es in Oldenburg und Umgebung Aufträge aus dem Denkmalschutz für Tischler gibt, ist Moormann dabei. Schon die geforderten Zerti›zierungen können viele andere Tischlereien nicht erfüllen. Dabei werden die Baustellen immer mehr, denn besonders denkmalgeschützte Gebäude sind energetisch gesehen nicht auf dem neusten Stand. Soll sich das ändern, müssen zum Beispiel die Fenster getauscht werden. Dann kommt die Tischlerei vom Ku’Damm mit Rat und Tat ins Spiel.

Die Restaurierung von historischen Fenstern und Türen ist weitaus komplizierter als der Einbau neuer Elemente in ein Haus, das gerade erst gebaut wird, weiß Moormann. Es muss alles detailgetreu stimmen, Aussehen, Farbe, Maße, Sicherheit und Proportionen in einem Objekt, das seinerzeit krumm und schief gebaut wurde. Neulich rief ihn eine Denkmalbehörde ins ostfriesische Leer, wo ein altes Kapitänshaus restauriert wird. Drei andere Firmen waren mit ihren Angeboten schon durchgefallen, weil sie nicht die Vorgaben des Denkmalschutzes einhalten konnten. Danach machte sich Moormann an die Arbeit und fertigte akribisch Zeichnungen an, ohne den Auftrag schon in der Tasche zu haben. Das ist betriebswirtschaftlich riskant, aber Dirk Moormann liebt solche Herausforderungen. Es können auch kleine Aufträge sein, die eine Firma groß machen. Und solche liebt Moormann besonders, sagt er.

So ist das nicht nur im Denkmalschutz, sondern auch bei anderen Privatkunden. Je individueller ein Auftrag, desto begeisterter ist der Tischlermeister aus Vestrup. Er weiß, dass seine Angebote häufi›g etwas höher ausfallen, als die von Wettbewerbern. Aber das gleicht Moormann mit Qualität und Langlebigkeit aus. „Am Ende sind wir sogar günstiger“, betont der 31-Jährige.

Bild links: Selbstbewusster Auftritt – das Team Moormann im Internet. Bild rechts: Spezialgebiet Denkmalschutz – Wenn in historischen Gebäuden Fenster und Türen restauriert oder getauscht werden müssen, ist die Tischlerei Moormann gefragt.

Kein Kunststoff

Wie ist das möglich? „Ich kalkuliere lieber etwas höher, damit unsere Kunden hinterher nicht überraschende Mehrkosten haben“, begründet er zum einen. Zum anderen könnten Kundinnen und Kunden häu›g schneller und unkomplizierter ihre Baustelle beenden. Beispiel: Ein neues Fenster soll eingebaut werden. Moormann kommt zum Aufmaß und baut das Fenster so, dass es ohne „Flickarbeiten“ eingebaut werden kann. Kleinere Mal- und Putzarbeiten erledigt der Tischler gleich mit, so spart die Bauherrin oder der Bauherr viel Zeit und Geld. „Das wäre bei einem Fenster von der Stange nicht möglich“, erklärt Moormann.

So klingt es nicht weiter verwunderlich, dass Fenster aus Kunststoff bei Moormann nicht in die Werkstatt kommen, nicht nur aus Berufsethos. „Das hat auch mit Nachhaltigkeit zu tun“, begründet der Tischler. Holz sei schließlich ein nachwachsender Rohstoff, in dem CO2 gebunden sei, wohingegen die Herstellung von Kunststoff weitere Treibhausgase freisetze und problematisch in der Entsorgung sei. Das Holz, dass die Tischlerei verwendet, ist nach den Standards PEFC oder FSC zerti›fiziert, stammt damit aus nachhaltiger Forstwirtschaft. Diese Nachhaltigkeit ist Teil der Kernphilosopie der Tischlerei. Lärchenholz, das vorwiegend aus Russland kommt, verwendet er seit Beginn des Ukraine-Kriegs nicht mehr.

In Fenstern und Türen verbaut Moormann Eiche und Meranti, eine Tropenholzart zwar, aber ebenfalls zertifi›ziert aus nachhaltiger Forstwirtschaft. Vielen Kundinnen und Kunden sei der ökologische Fußabdruck zu Recht wichtig. Die nachhaltige Herangehensweise ist Vorbild für viele Kollegen. So arbeitet die Tischlerei Moormann in einem Verbund mit einer Reihe von ökologischen Zimmereien im Nordwesten, die sich als Holzfreunde Arbeitsgemeinschaft zusammengetan haben und die auch beim Dämmen und Abdichten von Häusern nur mit nachwachsenden Rohstoffen wie Stroh
arbeiten.

Tischlermeister Bernard Moormann ist inzwischen Seniorchef. Er arbeitet weiterhin als gefragter Meister in der Werkstatt.

Gute Stimmung dank Maja

Nachhaltig arbeitet der Familienbetrieb auch in Bezug auf die Mitarbeiter. Geselle Holger Grave ist seit 25 Jahren dabei, Michael Burwinkel seit 10 Jahren im Unternehmen. Eine so lange Zeit spricht für Zufriedenheit. Nachmittags kommt Seniorchefi›n Marianne Moormann, eigentlich verantwortlich für Buchhaltung und Finanzen des Unternehmens, mit Kaffee und selbstgebackenem Kuchen in die Werkstatt – jeden Tag. Der Ton ist manchmal rustikal, aber immer herzlich, sagt Dirk Moormann. Auch wenn die Azubis bei ihm Spitznamen wie Stifti und Johnny bekommen: Moormann weiß, dass sie bei ihm deutlich mehr lernen als in anderen Betrieben. Sie lernen das echte Handwerk, nicht das Auspacken von fertigen Dingen. Und die lange Treue seiner Mitarbeiter zeige ihm, dass das Betriebsklima stimme. Dazu trägt auch Werkstatthündin Maja bei, mit denen jeder mal zwischendurch spielt oder Gassi geht – die Werkstatt-Erheiterung für jeden Tag.

Auf manchen Baustellen vermisst der Ve struper heute das gute Klima – auch zwischen den Firmen. „Einige stehen so unter Druck, schnell fertig werden zu müssen“, glaubt der Tischlermeister. Dabei sei ein kollegiales Verhältnis wichtig, auch im Sinne des Bauherrn. Schließlich müssten die Gewerke so gut wie möglich ineinandergreifen und jeder das gesamte Haus im Blick haben. Eine Einstellung unter dem Motto „Vor und nach mir die Sintflut“ gibt es für Moormann nicht. „Dann gäbe es unsere Werkstatt schon längst nicht mehr“, vermutet der Tischlermeister. Und noch einen Grund gibt es: „Für echtes, gutes Handwerk gibt es immer goldenen Boden.“

Werkstatt-Hündin Maja sorgt quirlig für ein gutes Betriebsklima bei Moormann.