Sven Guericke, mehr als 15 Jahre Vorstandsmitglied bei Big Dutchman und ursprünglich aus der Molkereiwirtschaft stammend, will diesen Auftrag mit Kompetenz und Sachverstand erfüllen. Gerade vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Entwicklungen und Veränderungen werden in den AEF-Gremien praxisnahe, zielgerichtete und fundierte Antworten auf die Fragen der Gegenwart zum Nutzen der ganzen Branche entwickelt. Das AEF hat sich genau damit seit seiner Gründung im Jahre 2006 auch bundesweit einen Namen als politisches Sprachrohr der Landwirtschaft erarbeitet. Daran wird das AEF auch in Zukunft festhalten.
Vorschläge zum Umbau liegen vor
Um einen fachlichen und gesellschaftlichen Konsens zur Zukunft der Nutztierhaltung in Deutschland zu erreichen und um deren Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, hat 2019 das Agrarministerium in Berlin die sogenannte Borchert-Kommission eingerichtet. Diese wurde nach ihrem Leiter, dem ehemaligen Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert, benannt. Im Februar 2020 zeigte das Gremium seine konkreten Empfehlungen für einen gangbaren Weg der Transformation in der Nutztierhaltung auf. Darin enthalten sind Zielbilder, tierartenspezifische Zeitpläne und mögliche Finanzierungsmodelle für einen Umbau in der Tierhaltung. Das AEF hatte eigens dazu ein Memorandum mit offenen Fragestellungen an die Verantwortlichen gerichtet.
Borchert, Merkel, ZKL
Nach monatelangen Bauernprotesten im Sommer 2020 setzte Kanzlerin Angela Merkel überdies die Zukunftskommission Landwirtschaft (kurz: ZKL) mit dem Auftrag ein, praxis taugliche Empfehlungen und Vorschläge für eine nachhaltige und sozialverträgliche Umgestaltung der Agrar- und Ernährungswirtschaft in Deutschland zu erarbeiten und bestehende Zielkonflikte aufzulösen. Das Ergebnis dieser Kommission wurde im Juli 2021 veröffentlicht.
Beiden Gremien, also sowohl der Borchert-Kommission wie der Zukunftskommission Landwirtschaft, kann man positiv bescheinigen, dass ihre Ergebnisse von Verbrauchern, Tier- und Umweltschutzorganisationen sowie von Branchenverbänden, darunter auch dem AEF, mitgetragen werden.
Trotz aller Anstrengungen aber sieht das AEF noch viele offene Fragen. So dürfen die Folgewirkungen des Transformationsprozesses nicht allein auf die Urproduktion gerichtet sein, sondern müssen die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick nehmen.
Ungeklärt bleibt auch die Frage, wie die Landwirtschaft für ihre gesellschaftlichen Leistungen, also den Umbau der Tierhaltung, honoriert werden soll. Beziffert hat die ZKL die Kosten für den gesamten Transformationsprozess von 2020 bis 2040 auf rund elf Milliarden Euro pro Jahr. Darin berücksichtigt sind ca. 2,5 bis 4,1 Milliarden Euro per anno für die Umsetzung der Borchert-Empfehlungen.
Aufgrund des letzten Bundestagswahlkampfes und im Verlauf der Regierungsbildung sind beide Empfehlungspapiere bedauerlicherweise in ein politisches und zeitliches Vakuum gefallen.
Der neuen Bundesregierung muss es also gelingen, auf Basis der vorliegenden Empfehlungen verlässliche finanzielle Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft zu schaffen und diese Mittel im Bundeshaushalt einzuplanen. Bei Zielkonflikten zwischen Tierschutz und Baurecht, Immissionsschutzrecht etc. muss bei Stallumbauten dem Tierschutz Vorrang eingeräumt werden.
Der Lebensmitteleinzelhandel agiert flexibler als die Politik
Mit der Ankündigung von Aldi, Lidl und Rewe, ab 2030 nur noch Frischfleisch von Rind, Schwein, Hähnchen und Pute aus den Haltungsstufen 3 und 4 zu listen, preschte der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) im Juli 2021 dann in punkto Tierwohl an der Politik vorbei. Davon betroffen ist ein Marktanteil von fast 15 Prozent des gesamten deutschen Fleischhandels.
Das AEF sieht es kritisch, dass der LEH keine Verarbeitungsware in sein Tierwohlprogramm einbezieht und noch keine konkreten Konzepte für die Preisbildung und für Vertragsmodelle formuliert hat. Unklar ist zudem, wie etwa Schweinehalter den LEH mit Fleisch aus den Haltungsstufen 3 und 4 aufgrund der Baurechtshemmnisse beliefern könnten, ohne dass der LEH auf Frischfleisch aus dem Ausland zurückgreift.
Im Schweinebereich würden außerdem die Bereiche Sauenhaltung und Ferkelaufzucht ausgeblendet. Sinnvoller wäre ein klares 5xD-Bekenntnis des Handels zur deutschen Qualität und Herkunft, will heißen: Geburt, Aufzucht, Mast, Schlachtung und Zerlegung bzw. Verarbeitung des Tieres haben in Deutschland stattgefunden. Dies wäre ein wichtiges Zeichen zur Unterstützung der heimischen Landwirtschaft.
Auch die Verbraucher müssen ihr Einkaufsverhalten überdenken. Obwohl einer repräsentativen Studie zufolge zwei Drittel der Deutschen eine nachhaltige Ernährung als wichtig einstufen, greift die überwiegende Mehrheit beim Einkauf in der Regel weiterhin auf die preiswertesten konventionellen Fleisch- und Milchprodukte zurück.