Wirtschaftsregion

Klimaneutraler Kraftstoff

Autor*in: FRIEDERIKE HEMPEL

Die Alternoil GmbH mit Sitz in Steinfeld ist Tankstellenbetreiberin und Vorreiterin im Transformationsprozess für einen sauberen Schwerlastverkehr. Der Mittelständler macht fortschrittliche, umweltschonende und rentable Kraftstoffalternativen verfügbar
und beteiligt sich aktiv an dem Ausbau eines flächendeckenden REEFUEL Bio-LNG Netzwerkes.

Um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, braucht es schnell umsetzbare und handfeste Lösungen. Dies gilt insbesondere für die Mobilität und den Transportsektor. Dr. Henrik Bramlage, bei der Steinfelder Alternoil GmbH hauptverantwortlich für die Entwicklung nachhaltiger Kraftstoffe, erklärt im Interview, welchen Beitrag der Einsatz von REEFUEL Bio-LNG zum Erreichen der Klimaschutzziele leistet. 

Herr Dr. Bramlage, bei Alternoil beschäftigen Sie sich vor allem mit der Entwicklung und Vermarktung des Produktes REEFUEL. Was ist REEFUEL und welche Vorteile bringt es?

Dr. Bramlage: REEFUEL ist ein europaweit einzigartiger Kraftstoff, der zur Dekarbonisierung des Schwerlastverkehrs beiträgt. Gewonnen wird der klimafreundliche Kraftstoff aus durch Windenergie erzeugtem grünen Wasserstoff, Biomethan aus biologischen Abfallprozessen und fossilem Naturgas. Schon heute werden im Vergleich zum Diesel mit REEFUEL 30 Prozent CO2 eingespart. Weil der Anteil an fossilem Naturgas zunehmend durch erneuerbare Substitute ersetzt wird, steigen die CO2-Einsparungen in den kommen Jahren sogar auf 100 Prozent an. REEFUEL ist also schon jetzt eine klimaschonende Alternative zum Diesel. 

 

Dr. Henrik Bramlage, Projektleiter REEFUEL.   

REEFUEL besteht aus e-LNG und Bio-LNG. Wie werden diese Kraftstoffe gewonnen?

Dr. Bramlage: Das synthetische LNG wird bei unserem Partner, der kiwi AG, in Werlte produziert. Dort wird in einem ersten Schritt grüner Wasserstoff in einer mit Ökostrom betriebenen Elektrolyse hergestellt, der sich danach als chemischer Energieträger in einem Methanisierungsreaktor unter Zuführung von biogenem Kohlendioxid in synthetisches Methan umwandeln lässt. Das wird dann verflüssigt und für herkömmliche LNG-Fahrzeuge in unser REEFUEL-Tankstellennetz eingebracht.

Die Nutzung des grünen Wasserstoffs hat neben der Anwendung als nachhaltigen Kraftstoff den Vorteil, dass das Power-to-Gas-Verfahren (PtG) stromnetzdienliche Aufgaben wie den Ausgleich saisonaler und tagesrhythmischer Schwankungen übernehmen kann. Das erzeugte e-LNG dient dabei als Langzeitstromspeicher und der Sektorenkopplung.

Bio-LNG besteht aus verflüssigtem Biomethan. Hierfür wird in einem ersten Schritt Biogas durch die Vergärung von Biomasse, also organische Abfälle, Erntereste und Gülle gewonnen. Das so erzeugte Biogas wird gereinigt und zu Biomethan aufbereitet, um anschließend entweder ins Gastransportnetz zur zentralen Verflüssigung eingespeist oder direkt vor Ort verflüssigt zu werden. Die Erzeugung von Bio-Methan ist nicht nur klimaneutral, sondern kann sogar Negativemissionen vorweisen – wenn beispielsweise Gülle als Ausgangsprodukt für die Herstellung von Bio-Methan verwendet wird, das ansonsten über Ackerdüngung in die Umwelt gelangen würde.

Gehen Sie davon aus, dass die verfügbaren Mengen an Biomethan überhaupt reichen, um einen signikanten Beitrag zur CO2-Reduktion beizutragen?

Dr. Bramlage: Ja! In Deutschland stehen zum Beispiel genügend Abfälle und Gülle zur Verfügung, um mindestens 75 Prozent des gesamten Schwerlastverkehrs über Bio-Methan zu dekarbonisieren. Die vollständige Substitution von Diesel sollte also möglich sein. Hierfür bedarf es jedoch verlässlicher gesetzlicher und politischer Rahmenbedingungen. Um das CO2-Ziel von 55 Prozent Einsparungen gegenüber 1990 bis zum Jahr 2030 zu erreichen, müsste man die bestehenden Fahrzeuge mit lediglich 40 Prozent Bio-Methan aus nachhaltiger Produktion betreiben. Damit wäre der Schwerlastverkehr im wahrsten Sinne des Wortes „fit for 55".

In welchen Mengen lässt sich biogenes und synthetisches Methan erzeugen?

Dr. Bramlage: Gemeinsam mit Partnern werden wir Ende 2022 eine eigene Verflüssigungsanlage im Großraum Fulda in Betrieb nehmen. Dort werden wir rund 180 Tonnen Bio-LNG pro Tag erzeugen. Die erzeugten Mengen decken den Bedarf an unseren Tankanlagen und können für zukünftigen Bedarf erweitert werden. Außerdem werden von unserem Partner in Werlte jedes Jahr viele Tonnen synthetisches LNG erzeugt.

Wie stehen Sie zu dem Vorwurf, dass Biomethan am Ende ja aus Energiepflanzen gewonnen wird und damit durchaus in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion stehen könnte?

Dr. Bramlage: Wir legen großen Wert darauf, dass unsere Bio-Methanmengen ausschließlich aus kommunalen und landwirtschaftlichen Abfällen und außerdem aus purer Gülle stammen. Somit werden bei uns keine Energiepflanzen, also definitiv keine nachwachsenden Rohstoffe verwendet. Unser REEFUEL-Kraftstoff steht daher eben nicht in irgendeiner Konkurrenz zur Gewinnung von Nahrungsmitteln. REEFUEL ist außerdem nach dem europäisch anerkannten Standard REDcert zertifiziert. Das bedeutet, dass der Kraftstoff nicht nur in seiner Nutzung nachhaltig und umweltfreundlich ist, sondern die gesamte Wertschöpfungskette über Zertifikate und Nachhaltigkeitsnachweise verfügen muss. 

Dennoch gelten in der öffentlichen Debatte die rein elektrobetriebenen LKWs hinsichtlich ihrer Klimabilanz als viel grüner ...

Dr. Bramlage: Wenn dazu nur die rein lokalen Emissionen beim Antrieb betrachtet werden, ist das auch richtig – aber am Ende leider nur die halbe Wahrheit, denn wir sollten uns daran gewöhnen, die gesamte Wertschöpfung, also auch die vor- und nachgelagerten
Prozesse, zu betrachten. Das wäre dann der Cradle-to-grave-Ansatz. Zumindest aber sollte man die ganze Geschichte nach der Well-to-Wheel-Methode analysieren. Und das tun wir bei REEFUEL, denn nur so können CO2-Emissionen tatsächlich auch richtig berechnet und eingespart werden.

Außerdem spielen in unserer Logistikbranche neben den Einsparungen beim Verbrauch von Kraftstoffen und den jeweiligen Energien die Faktoren Zeit, Gewicht und Strecke eine große Rolle. Batterien mit ausreichender Speicherkapazität zum Antrieb von 40-Tonnen-Sattelzügen würden für einen Zuladungsverlust sorgen. Darüber hinaus müssten Ladezeiten für solche LKW drastisch reduziert werden. Elektro-LKW sind für den Kurzstrecken und Verteilverkehr wesentlich attraktiver als für den Schwerlast- und Langstreckenverkehr. Deshalb sollten wir die Vorteile der unterschiedlichen Antriebsarten nutzen und technologieoffen die Transformation des Schwerlastverkehrs gestalten.

Das Programm der EU sieht den Ausbau der Wasserstofftechnologie vor. Wird diese Technik das biogene und synthetische LNG nicht auf Dauer verdrängen?

Dr. Bramlage: Wasserstoff wird künftig eine wichtige Rolle einnehmen und dazu beitragen, den Schwerlastverkehr sauber zu gestalten. Allerdings ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht klar zu definieren, wann ausreichende Mengen und markttaugliche Fahrzeuge zur Verfügung stehen. Infrastruktur und Logistik spielen ebenfalls eine wichtige Rolle, um eine flächendeckende Versorgung zu garantieren. All diese Fragen sind bei REEFUEL bereits gelöst. REEFUEL bietet dem Schwerlastverkehr schon heute eine konkurrenzfähige und saubere Lösung. Mit dem synthetischen LNG, das ja Bestandteil unseres REEFUELs ist, fördern wir die Wasserstofftechnologie. Da wir den grünen Wasserstoff für unser e-LNG bereits heute in großen Mengen abnehmen, schaffen wir Anreize für dessen Produktion. Damit sind wir einer der ersten und größten Abnehmer grünen Wasserstoffs. Außerdem arbeiten wir kontinuierlich an der Weiterentwicklung verschiedener alternativer Antriebstechnologien. Zum aktuellen Zeitpunkt ist REEFUEL die einzig verfügbare Kraftstoffalternative mit vorhandener Infrastruktur, mit der es uns gelingt, hohe CO2-Einsparungen zu erreichen. Wir werden die Beimischquote von Bio-LNG und e-LNG systematisch erhöhen, und zwar, ohne die Kosten zu erhöhen.

REEFUEL-LNG-Transport im kombinierten Verkehr durch die Spedition Paneuropa.   

Wie stellt Alternoil die deutschlandweite Infrastruktur für REEFUEL sicher?

Dr. Bramlage: Hinter REEFUEL steht ein funktionierendes Konzept und eine Infrastruktur, die in den nächsten drei Jahren eine ausreichende bundesweite Versorgung sicherstellt und signifikant zur Erreichung der Klimaziele beiträgt. Führende Fahrzeughersteller bestätigen, dass die bereits seit Jahren markttauglichen LNG-Fahrzeuge ebenso gut mit REEFUEL Bio-LNG betrieben werden können. Aktuell verfügt das Alternoil-Netz bereits über knapp 30 Tankstellen, Ende 2022 werden es 60 Tankstellen sein. REEFUEL kann schon heute an allen Premium-Stationen bezogen werden.

Die Versorgung unserer Tankstellen wird von unserem Partner Paneuropa mit mehr als 120 Tankeinheiten für kryogene Flüssigkeiten im intermodalen und kombinierten Verkehr gewährleistet.

Mit diesem jetzt und hier verfügbaren Kraftstoff und der vorhandenen Infrastruktur und Technologie bieten wir Spediteuren eine planbare, kalkulierbare und sichere Richtung, um Ihre Flotten klimaschonend zu betreiben und den Schwerlastverkehr zu dekarbonisieren.

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