Lebenswelt

Kraftakt Standortmarketing

Autor*in: JOHANNES KNUCK

Fachkräftemangel. Die Dramatik dieses Begriffs verschärft sich vor allem vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie zunehmend. Ein Blick in aktuelle Studien genügt, um diese Einschätzung zu untermauern. So offenbart eine aktuelle Bertelsmann-Erhebung, dass rund 54 Prozent der deutschen Unternehmen in 2021 mit Personalengpässen rechnen. Weitere Studien beziffern den Fachkräftemangel in etwa 20 Jahren auf über 3,3 Millionen fehlende, qualifizierte Arbeitskräfte.

Johannes Knuck, Abteilungsleiter Tourismus und stellv. Geschäftsführer beim Verbund Oldenburger Münsterland e.V.   

Es steht also außer Frage, dass so mancher Personaler beim Blick in die Zukunft nach Luft ringt und Möglichkeiten suchen muss, auch langfristig seine Fachkräftebedarfe abzudecken – auch in unserer Heimatregion, dem wirtschaftlich prosperierenden Oldenburger Münsterland. Denn: So erfreulich die aktuellen, unterdurchschnittlichen Arbeitslosenzahlen für die Landkreise Cloppenburg und Vechta aktuell im bundesweiten Vergleich auch ausfallen, so muss in diesem Atemzug aber auch deutlich unterstrichen werden, dass der Fachkräftemangel auch angesichts dieser glücklichen Situation nicht unterschätzt werden darf.

Die viel zitierten und noch viel mehr umworbenen Fachkräfte haben sich vor allem vor dem Hintergrund demografischer Entwicklungen zu einer der gefragtesten und wichtigsten Ressourcen für Unternehmen entwickelt. Die Abdeckung der Fachkräftebedarfe innerhalb eines Unternehmens wirkt sich mehr denn je auch auf die Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit dieser aus.

Um auch künftig die Bedarfe an qualifiziertem Fachpersonal abzudecken spielt auch die Positionierung des Unternehmensstandortes eine entscheidende Rolle.   

Anders als in vielen Metropolen ist der Mangel an qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor allem in ländlichen Gebieten ein allgegenwärtiges Problem. Der stetig wachsende Bedarf kann hier längst nicht mehr nur durch Fachkräfte aus dem direkten regionalen Unternehmensumfeld abgedeckt werden. Es muss überregional und aktiv um sie geworben werden. Ein vorübergehender Trend? Keineswegs, denn eines steht fest: Die Abwanderung von Fachkräften in die Metropolen lässt sich, begründet durch verschiedenste Langzeitstudien, als anhaltende Entwicklung bezeichnen.

Unternehmen aller Branchen stehen nicht mehr nur im wirtschaftlichen Wettbewerb zueinander, sondern zunehmend auch in dem um die besten Köpfe.   

Die logische Konsequenz liegt auf der Hand: Fachkräfte sind rar und werden immer rarer. Und daraus entsteht ein regelrechter Wettbewerb um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von morgen, der in der Fachliteratur häufig auch unter dem Begriff „War for talents" geläufig ist.

Unternehmen stehen nunmehr nicht nur im wirtschaftlichen Wettbewerb zueinander, sondern zunehmend auch in dem um die besten Köpfe. Wer letztere für sich gewinnen kann, überzeugt nicht mehr nur mithilfe von harten Faktoren, wie dem Gehalt oder einem Diensthandy. Vielmehr haben sich die weichen Faktoren, wie das Arbeitgeber- oder Standortimage, an die Stelle harter Standortfaktoren gestellt und werden zum Ausschlagkriterium und Wettbewerbsvorteil oder eben auch -nachteil im Rennen um die gefragten Köpfe.

Zu den vier Säulen des erfolgreichen Employer Brandings zählt auch das jeweilige Image eines Standortes.   

Doch wie differenzieren sich Unternehmen in diesem Kontext? Welche Alleinstellungsmerkmale sind von entscheidender Bedeutung, um das Interesse der viel umworbenen Fachkraft zu wecken? Unternehmen müssen einen Wandel vom reinen Arbeitgeber zur Arbeitgebermarke gestalten. Employer Branding ist hier das Stichwort. Professionelles Employer Branding fußt auf vier grundlegenden Säulen, die vom Unternehmen selbst unterschiedlich stark beeinflussbar sind, dennoch aber die Determinanten zur Bildung der Unternehmensmarke sind.

Neben der Unternehmenskultur, dem Branchen- und Produktimage sind vor allem der Standort und sein Image zentrale, zugleich aber oftmals auch limitierende und zu wenig beachtete Einflussfaktoren in der Ausgestaltung einer Arbeitgebermarke. Was also, wenn der Soll- nicht dem Ist-Zustand entspricht? Denn gerade das Standortimage spielt als weicher Standortfaktor eine fundamentale Rolle bei der Entscheidung von Fachkräften für oder gegen ein Unternehmen. Letztere befinden sich jedoch in der misslichen Lage, den Einflussfaktor Standortimage nur kaum bis gar nicht direkt beeinflussen zu können. In dieser Problematik fußt die Kompetenz und Notwendigkeit eines umfassenden Standortmarketings.

Die Möglichkeiten zur Einbindung einer regionalen Dachmarke sind vielfältig und nicht mit großen Budgets verbunden.   

Zur Verdeutlichung ein Blick in die Praxis

Das Oldenburger Münsterland (OM) poliert sein Image auf. Seit 2017 setzt es die Neuausrichtung der regionalen Dachmarke Oldenburger Münsterland um. Professionelles Standortmarketing soll das Profil der Region im Wettbewerb um Fachkräfte schärfen. 

Eine umfangreiche Imagestudie von 2014 zeigt: Dem OM geht es wirtschaftlich gut, die Arbeitslosenquote ist niedrig, die Menschen leben gern dort. Dennoch werden die Landkreise Cloppenburg und Vechta überregional nicht als Boom-Region mit Karrierechancen wahrgenommen. Betrachtet man aber die wirtschaftliche Kraft, Innovation und daraus resultierend den hohen Bedarf an qualifiziertem Personal, wird die Brisanz der Situation deutlich. Standortmarketing kann und muss hier als aktives Steuerungsinstrument eingreifen.

Viele Unternehmen unterschätzen den Faktor Standortimage. Dabei kann nur eine gemeinsame Profilierung der Standortmarke das Standortimage und somit auch die Arbeitgebermarke und schlussendlich den Fachkräftemangel positiv beeinflussen – oder zumindest abfedern. Voraussetzung für den Erfolg ist jedoch das multilaterale Zusammenspiel von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

Die Lösung scheint also im regionalen Vernetzen zu liegen – ein jahrelanger und professioneller Prozess, der nicht selten hinterfragt wird. Denn: Eine Studie aus dem Jahr 2020 zu Erwartungen von Unternehmen an ein Regionalmarketing zeigt, dass vielen Unternehmen die Wichtigkeit eines Standortmarketings nur am Rande bewusst ist. Dabei, so die wissenschaftliche Auffassung, ist das Standortmarketing ein wesentlicher Faktor zur Bildung der Arbeitgebermarke.

Das Standortmarketing im Oldenburger Münsterland wird institutionell durch den Verbund OM geführt, den Dachverband der Landkreise Cloppenburg und Vechta. Standortmarketing, als freiwillige Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung, ist keineswegs mehr nur „nice to have", sondern vielmehr das wichtigste Steuerungsinstrument zur Profilierung und Positionierung eines Standortes im nationalen und internationalen Wettbewerb um Fachkräfte. Politische Entscheider haben wesentlichen Einfluss auf die Schlagkraft des Standortmarketings, denn es benötigt neben starken Netzwerken eben auch finanzielle öffentliche Mittel.

Um Schlagkraft auch aus der Wirtschaft zu generieren, ist das Engagement der regionalen Unternehmen unabdingbar. Der Verbund OM zählt aktuell knapp 300 Partnerunternehmen, die ein starkes, regionales Netzwerk bilden. Die stetige Pflege und der Ausbau dieses Netzwerkes sind zentrale Aufgabe des Standortmarketings, dessen Effizienz immer nur so gut ist, wie das Netzwerk regionaler Stakeholder, das dahintersteht.

Eine starke Dachmarke stärkt den überregionalen Auftritt der Kommunen und unterstützt das Fachkräftemarketing der Unternehmen.   

Was Unternehmen tun können

Engagierte Unternehmen sind „Wind in den Segeln des Standortmarketings". Klingt nach klugem Kalenderspruch, ist aber Fakt. Denn: Nur durch das aktive Engagement der Wirtschaftsakteure kann es überhaupt gelingen, eine Standortmarke auch wirklich zu profilieren und somit auf potenzielle Arbeitskräfte auszustrahlen. Unternehmen fungieren als Markenbotschafter ihres Standortes und nehmen in diesem Zuge die Rolle eines unverzichtbaren Multiplikators ein.

Indem sie Flagge für ihre Heimatregion zeigen, bekennen sie sich zur selbigen. Dieses Bekenntnis ist mehr als die Übernahme regionaler Verantwortung. Vielmehr verstärkt es den regionalen Gedanken und kann durch gezielte Maßnahmen ausgebaut werden.

Und um mit diesen Maßnahmen zu beginnen, sind keine Millionenbudgets notwendig. Das regionale Bekenntnis eines Unternehmens lässt sich leicht und mit geringem Kostenaufwand umsetzen, etwa durch Nutzung des regionalen Markenzeichens auf den Websites oder durch Integration einer Faktenseite zur Region auf der Unternehmenswebsite. Schon stehen Unternehmen und Region in direkter Relation zueinander und können ihre Kräfte im „Rennen um Fachkräfte" bündeln. Und das merken auch die Fachkräfte, denen neben dem Arbeitsangebot auch gleich das Lebens- und Arbeitsumfeld vorgestellt wird. Wird die Entwicklung dieses Engagements für die Region in den letzten Jahren betrachtet, so scheint vielen Akteuren die Wichtigkeit dieses Kräftebündelns zwischen Region und Unternehmen immer bewusster zu werden. Eine stetig wachsende Zahl an wirtschaftlichen, aber auch kommunalen Partnern in unserer Region, von der Arztpraxis zum Hidden-Champion, vom Handwerksbetrieb bis zum Dienstleister beteiligt sich bereits an dieser Gemeinschaftsaufgabe für die Zukunft unseres Standortes Oldenburger Münsterland, beispielsweise durch das Branding mit dem OM-Partnerlogo.

Standortmarketing ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Engagieren Sie sich für Ihre Region. Sie werden sehen, es ist nicht uneigennützig. Fakt ist: Starke Regionen fungieren wie starke Marken: Sie üben eine Anziehungskraft auf Zielgruppen aus. Und die Zielgruppe, um die es aktuell geht und zukünftig immer stärker gehen wird, sind die Fachkräfte, denen neben harten Faktoren vor allem auch ein attraktives Lebens- und Arbeitsumfeld wichtig ist.

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