Eine Win-win-Situation
„Die hohe Motivation von Teilzeitauszubildenden wird auch von anderen Arbeitgebern immer wieder hervorgehoben", betont Renate Hitz, die gleichzeitig Geschäftsführerin des Verbundes familienfreundlicher Unternehmen ist und dadurch engen Kontakt zu den Firmen pflegt. „Junge Frauen, die familiäre Pflichten haben, verfügen über Lebenserfahrung, sind selbstständig, motiviert und bringen ein großes Verantwortungsbewusstsein mit", ergänzt sie.
Und es gibt noch weitere Vorteile für Unternehmen. So bietet die Teilzeitausbildung für Ausbildungsbetriebe einen zusätzlichen Weg, in Zeiten des Fachkräftemangels neue Auszubildende zu gewinnen und offene Ausbildungsstellen zu besetzen. „Attraktiv kann diese Option auch für kleine Betriebe sein, da die Kosten im Vergleich zur Vollzeitausbildung geringer ausfallen", erläutert Stefanie Rolfes-Gröninger von der Agentur für Arbeit Vechta. Auch laufende Ausbildungsverträge könnten nachträglich geändert werden. „Eine Umwandlung von Vollzeit- auf Teilzeitausbildung kann sinnvoll sein, um Ausbildungsabbrüche zu vermeiden, zum Beispiel wegen der Geburt eines Kindes", ergänzt sie.
„In der aktuellen Corona-Krise bietet eine Teilzeitausbildung für Unternehmen, die unter Auftragseinbußen leiden, zudem eine Option, die laufenden Ausbildungsverträge umzuwandeln. So können die Auszubildenden in dem Unternehmen gehalten werden, die finanzielle Belastung wird geringer und die Ausbildungsziele sind nicht gefährdet", erklärt Johanna Hollah, vom Amt für Wirtschaftsförderung des Landkreises Vechta.
„Unternehmen, die in Teilzeit ausbilden, stellen sich als attraktiver und flexibler Arbeitgeber für potenzielle Fachkräfte dar. Sie gewinnen ein positives Image aufgrund ihrer sozialen Einstellung und Familienfreundlichkeit", stellt Katharina Drees einen weiteren Vorteil heraus. Die Unternehmen würden ihre Chancen vergrößern, dringend benötigten Fachkräftenachwuchs zu gewinnen beziehungsweise im Unternehmen zu halten.
Hemmschwellen überwinden
Obwohl die Vorteile für Auszubildende und Ausbildungsbetriebe offensichtlich sind, wird diese Möglichkeit bisher wenig genutzt. So meldet die Handwerkskammer Oldenburg für die Landkreise Cloppenburg und Vechta mit Stand von September 2020 sieben Teilzeitausbildungsverträge und die Industrieund Handelskammer für die beiden Landkreise fünf. „Viele Ausbildungsbetriebe haben sich mit dem Thema bisher noch nicht auseinandergesetzt und wissen nicht, wie das abläuft", erklärt Katharina Drees. Es bestehe eine Art Hemmschwelle. Mit dem „Arbeitskreis Teilzeitausbildung", dem Katharina Drees, Stefanie Rolfes-Gröninger, Anja Komossa, Johanna Hollah, Renate Hitz sowie Andreas Thielscher von der Wirtschaftsförderung des Landkreises Cloppenburg angehören, wollen die Akteure das ändern. „Wir haben einen großen Fachkräftemangel. Da ist es wichtig, alternative Lösungen zu schaffen. Teilzeitausbildung ist so eine Möglichkeit", betont Andreas Thielscher.
Aber auch von Seiten der Auszubildenden wird diese Form der Ausbildung kaum nachgefragt. „Natürlich wollen viele Jugendliche lieber eine Vollzeitausbildung machen und so das volle Ausbildungsgehalt beziehen und dann nach der Ausbildungszeit in den Beruf einsteigen", so Stefanie Rolfes-Gröninger. Viele würden die Möglichkeit der Teilzeitausbildung aber auch nicht kennen und sie so auch nicht in Betracht ziehen. Sie empfiehlt, dass die jungen Leute sich über diese Möglichkeit informieren und, wenn es für sie in Frage kommt, dann offensiv bei den Bewerbungsgesprächen das Thema ansprechen.
So hat es auch Natalie Feldmann gemacht. Die 22-Jährige ist alleinerziehende Mutter einer 6 jährigen Tochter und eines 3-jährigen Sohns. Seit dem 1. September 2020 absolviert sie eine Teilzeitausbildung im Hammer-Markt in Cloppenburg. „Man sollte die Bewerbung persönlich abgeben und das Gespräch mit den Personalentscheidern suchen", empfiehlt sie. So kann man erklären, warum man eine Teilzeitausbildung machen möchte und wie die Ausbildung ablaufen könnte. Ein erster Schritt könne auch ein Praktikum sein, wie sie es im Rahmen des Projektes FAB gemacht hat. Parallel dazu nimmt sie an der Akademie Überlingen an dem Programm „Ausbildungsbegleitende Hilfen" teil. Dazu hat sie über das Jobcenter einen Bildungsgutschein erhalten. „Mit diesem begleitenden Programm wird sichergestellt, dass die Ausbildungsziele erreicht werden", erklärt Anja Block. Auch für den stellvertretenden Marktleiter Ulrich Buschenlange war eine Teilzeitausbildung Neuland. „Wir müssen auch mal neue Wege gehen", sagt er und ergänzt: „Wir können keine Fachkräfte gewinnen, wenn wir sie nicht selbst ausbilden."