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Autor*in: PETRA HELLMANN

Bis heute trägt die Erwachsenenbildung mit ihrer Themen- und Angebotsvielfalt maßgeblich zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei und leistet damit einen großen Beitrag zu mehr Chancengleichheit und Teilhabe in der Gesellschaft. Seit mehr als 35 Jahren engagiert sich die Volkshochschule für den Landkreis Cloppenburg e. V. (VHS) erfolgreich in diesem Bereich.

Die Fachbereichsleiterinnen Ina-Maria Meckies (l.), Julia Bruns (vorne) und Direktorin Kathrin Würdemann feiern 100 Jahre Volkshochschule.   

Warum hat die ägyptische Königin Nofretete einen Bauhelm auf, Karl Marx Möhren im Bart, die Adelige Eleonore d'Este aus dem 16. Jahrhundert ein Smartphone in der Hand und warum sehen die Fachbereichsleiterinnen Ina-Maria Meckies, Julia Bruns und Direktorin Kathrin Würdemann von der Volkshochschule Cloppenburg genauso aus? Eine Imagekampagne der Volkshochschulen zum einhundertjährigen Jubiläum ist des Rätsels Lösung: Die drei Frauen haben ein Plakat zum 100-jährigen Jubiläum der deutschen Volkshochschulen nachgestellt.

100 Jahre Volkshochschulen

Seit mehr als einem Jahrhundert fördern die Volkshochschulen den demokratischen Gedanken durch den Zugang zu Bildung für breite Bevölkerungsschichten. Auf den Trümmern des ersten Weltkrieges brauchte die junge Demokratie Bürgerinnen und Bürger, die sich am demokratischen Aufbau beteiligen konnten und wollten. Bildung als Schlüssel und Auftrag in öffentlicher Verantwortung wurde deshalb in der Weimarer Verfassung verankert. Die bundesweit mehr als 900 Volkshochschulen sind untereinander vernetzt und gleichzeitig ihrem jeweiligen regionalen Umfeld verpflichtet. Deshalb ist jede in ihrer Rechtsform und in ihrem Angebot anders: „Unsere Stärke ist die überregionale Vernetzung bei kommunaler Verankerung – wir nehmen überregionale Themen und Trends auf und verzahnen sie mit den Bedarfen der Region," stellt die Leiterin der Cloppenburger Volkshochschule, Kathrin Würdemann, fest.

Vorläufer der Volkshochschulen gab es schon im 19. Jahrhundert in der Arbeiterbewegung, in bürgerlichen Volksbildungsvereinen, der „Universitätsausdehnungs-Bewegung", in Genossenschaften, landwirtschaftlichen Schulen, Reformpädagogischen Bestrebungen, Bauernvereinen, den dänischen Heimvolkshochschulen und nicht zuletzt in der Frauenbewegung. Sie alle forderten einen Zugang zu Bildung unabhängig von der Herkunft. Hintergrund waren zum einen Emanzipationsbewegungen. Bildung wurde als Möglichkeit des Aufstiegs und der Mitgestaltung der Gesellschaft gesehen. Aber auch die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung forderte mehr Menschen, die in der Lage waren, sich mit Erkenntnissen aus der Wissenschaft auseinanderzusetzen. Dies betraf Industrialisierungsprozesse ebenso wie die moderne Landwirtschaft. Erkenntnisse aus der Wissenschaft in breite Bevölkerungsschichten zu bringen, war ebenso eine Triebfeder. Hygiene, gesunde Ernährung, wirtschaftliches Haushaltsführung, Kindererziehung – all diese Themen wurden nachgefragt und sollten verbreitet werden 

Parteipolitisch unabhängig und überkonfessionell waren die Volkshochschulen von Beginn an dem demokratischen Gedanken verpflichtet und wollten dazu beitragen, dass Menschen sich auf der Grundlage von Fakten und Erkenntnissen eine eigene Meinung bilden. Die politische und gesellschaftliche Bildung hat deshalb in den Volkshochschulen immer eine zentrale Rolle gespielt.

Lehrkräfte und Kursteilnehmer*innen heißen Gäste der 100-Jahrfeier in 50 verschiedenen Sprachen herzlich willkommen.   

Auf Wachstumskurs

Die Volkshochschulen feiern ihr Jubiläumsjahr unter dem Motto „zusammenleben – zusammenhalten". Am 20. September 2019 öffneten mehr als 400 von ihnen ihre Türen zur ersten „Langen Nacht der Volkshochschulen". Auch die Volkshochschule (VHS) für den Landkreis Cloppenburg e. V. war mit einem umfangreichen Festprogramm dabei. „Seit rund 35 Jahren bereichert die Volkshochschule die Bildungslandschaft in unserem Landkreis. Durch sie ist unser Bildungsangebot deutlich vielfältiger geworden," betonte Landrat Johan Wimberg in seinem Grußwort zur 100 Jahrfeier und ergänzte: „Mit ihren Schwerpunkten in der Frauenbildung, der interkulturellen Bildung, den berufsbegleitenden Weiterbildungen, der Bildungsberatung und der Integrationsarbeit hat sie sich als unverzichtbar erwiesen."

Seit 1984 ist die VHS Cloppenburg beständig gewachsen und hat mit der 2000 m² großen Geschäftsstelle im Alten Stadttor einen festen Platz im Cloppenburger Kulturleben. Von einem kleinen Büro mit zwei Mitarbeiterinnen entwickelte sie sich zu einem Betrieb mit zwei Außenstellen in Löningen und Friesoythe mit mehr als 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Ein starkes Team

Von Beginn bis zu ihrem Ruhestand 2016 hat Doris Ostendorf als Direktorin die VHS Cloppenburg 32 Jahre lang geleitet und weiterentwickelt. Als eine der ersten Frauen, die in eine Leitungsposition dieser Art innehatte, war sie in Niedersachsen Vorreiterin und setzte Schwerpunkte in der emanzipatorischen Frauenbildung, Kultur, Integration und politischen Bildung. Ihre Nachfolgerin in der Geschäftsführung und Leitung ist Kathrin Würdemann. Die Soziologin hat in den letzten Jahren ihrer mehr als 20-jährigen Tätigkeit in der Erwachsenbildung vor allem mit EU-Mitteln geförderte Projekte in der Erwachsenenförderung konzipiert und realisiert. Sie setzt vor allem auf Teamarbeit: „Die Aufgabenfelder sind vielfältig und ich kann mich auf ein kompetentes Team aus erfahrenen Mitarbeiterinnen in der Verwaltung und pädagogischen Leitung verlassen." So organisiert die stellvertretende Direktorin, Ulla Meyer-Burke, die Bereiche Gesundheit, Pädagogik und Fortbildung pädagogischer Fachkräfte während die Fachbereichsleiterinnen Ina-Maria Meckies für Kultur und Kreativität, Anja Block für Deutsch und Integration und Julia Bruns für den zweiten Bildungsweg, Berufliche Bildung und Digitalisierung zuständig sind. Etliche Mitarbeiterinnen sind seit 25 oder 30 Jahren dabei: „Im Moment haben wir eine gute Mischung aus erfahrenen Mitarbeiterinnen, die das Rückgrat der VHS bilden und jungen Kolleginnen, die neue Fragen und Ideen mitbringen. Dasselbe gilt auch für die Honorarlehrkräfte", erläutert Kathrin Würdemann.

Seit 20 Jahren treffen sich 14 Frauen in der Küche der Volkshochschule im Kopchclub III, um mit Kursleiterin Wilma Wörder (hinten mit VHS-Schürze) gemeinsam zu kochen und zu klönen. Zum Jubiläum war Fernsehkoch Rainer Sass im Rahmen der Aktion „Wünsch Dir Deinen NDR“ zu Gast in Cloppenburg, um mit den Damen ein Festtagsmenü zuzubereiten. In acht Stunden Dreharbeiten wurde ein 30-minütiger Film erstellt.   

Breit gefächertes Bildungsangebot

39.000 Unterrichtsstunden sind im Jahr 2018 an der VHS gegeben worden. 9000 Kursbesucher waren bei 770 Veranstaltungen dabei. 22 Stammkräfte sind an Bord für Verwaltung, Service und Bildungsmanagement. Dazu kommen rund 20 Beschäftigte in Projekten und als Lehrkräfte. Die Zahl der freiberuflichen Referentinnen und Referenten beträgt pro Semester mehr als 400. Zum breit gefächerten Bildungsangebot der VHS Cloppenburg gehören neben Fremdsprachen unter anderem auch Schulabschlüsse auf dem zweiten Bildungsweg, Kurse wie Yoga zur Gesundheitsförderung, Kreativangebote als Ausgleich, berufliche Bildung für neue Arbeitsmarktperspektiven, Ausbildung von pädagogischen Fachkräften, politische Diskussionsrunden und integrative Kochkurse für Menschen mit Behinderungen. Pädagogische Fachkräfte und Tagesmütter werden für den Landkreis Cloppenburg nach dem Qualitätshandbuch des Deutschen Jugendinstituts ausgebildet. Auch Kunstausstellungen wie die des Bremer Künstlers Phil Porter oder thematische Ausstellungen finden regelmäßig in der VHS Cloppenburg statt.

Sprachen lernen

„Die VHS Cloppenburg hat immer auf gesellschaftliche Bedarfe reagiert," betont Kathrin Würdemann: „In den 1990er Jahren wurde vor allem EDV-Wissen angefragt, während Sprachen schon immer ein großes Thema sind". Als größte Anbieter von Deutsch-Sprachkursen im Landkreis bietet die VHS seit 2004 im Auftrag des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Integrationskurse vom Anfänger- bis zum Hochschulniveau an. Insgesamt werden, Plattdeutsch und Gebärdensprache mitgezählt, 16 Sprachen an der VHS vom Einsteigerniveau bis zu fortgeschrittenen Konversationskursen unterrichtet. Zudem können die erworbenen Sprachkenntnisse in zweisprachigen Kochkursen erprobt werden.

Fortbildung für ehrenamtliche Vereinsvorstände mit der Oldenburger Journalistin Sabine Schicke.   

Schulabschluss als Eintrittskarte

Schulabschlusskurse sind ein weiteres zentrales Angebot der VHS Cloppenburg. Wer – aus welchen Gründen auch immer – keinen Schulabschluss hat oder einen höheren erwerben will, findet hier das passende Angebot. „Ein Schulabschluss ist die Eintrittskarte für eine qualifizierte Berufsausbildung. Umgekehrt haben Menschen ohne Abschluss große Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt und bleiben in Hilfstätigkeiten hängen. Deshalb ist die Möglichkeit, auch nach der Erfüllung der Schulpflicht noch einen Abschluss erwerben zu können so wichtig – für die Einzelnen, aber auch für uns als Gesellschaft. Wir können es uns nicht leisten, Menschen zurückzulassen", so Kathrin Würdemann.

Bewährtes und neue Formate

Das aktuelle Programm 2019/2020 hat einiges zu bieten. In der Nachfolge für die kürzlich in den Ruhestand gegangene „VHS-Kochlegende" Wilma Wörder setzt Fachbereichsleiterin Ina-Maria Meckies auf Bewährtes und neue Formate: bisher beliebte Angebote von Annette Rohde werden ausgeweitet, neu dazugekommen sind zweisprachige Kochkurse in denen (auch) Englisch, Französisch und Portugiesisch gesprochen werden kann und ein Vormittags-Kochclub. Luka Lübke, bekannt als Fernsehköchin aus der TV-Serie „Herdbesuche" von Buten und Binnen bei Radio Bremen, konnte für einige Veranstaltungen gewonnen werden – unter anderem wird es einen Kochkursus speziell zur Resteverwertung und Gemüsekochen mit vorheriger Ernte im Museumsdorf geben. Zudem wurde mit dem Kooperationspartner „Hilfswerft" ein Bildungsurlaub zum Thema „Nachhaltig leben im Alltag" entwickelt und erstmalig werden auch Online-Kurse als Webvortrag in der VHS oder als Webinar von zu Hause aus durchgeführt. Während sich Ausstellungen 2017 mit dem Thema Rechtsradikalismus und 2018 mit dem Frauenwahlrecht beschäftigten, geht es in diesem Jahr mit der Ausstellung „Die Macht der Gefühle" um 100 Jahre deutsche Geschichte. Die Ausstellungen sind für alle Besucherinnen und Besucher offen und werden gleichzeitig in den Schulabschluss- und Deutschlernkursen bearbeitet.

Das Programmheft liegt im Landkreis an zentralen Stellen aus, ist in der Geschäftsstelle der VHS kostenfrei erhältlich und im Internet abrufbar.

Weitere Informationen finden Sie unter www.vhs-cloppenburg.de.

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