Preis für das unternehmerische Lebenswerk

Mit Mut zum Geschäft

18.11.2024

Mannschaftstrikots, Trainingsgeräte, Fußbälle und mehr – um die 1.000 Pakete verlassen täglich das Versandzentrum von Sport Böckmann in Holdorf. Aus dem elterlichen Geschäft für Textilien, Wäsche und Stoffe hat Hans Böckmann in einem halben Jahrhundert einen deutschlandweit agierenden Spezialisten für Teamsport gemacht. Und noch mehr.

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Mit dem Musterkoffer über Land zum Kunden, dort beraten und anprobieren, dann wird der Anzug beim Großhändler geordert. So funktionierte der Textilhandel in den 1950er Jahren in ganz Deutschland. Auch Hans Böckmann macht solche Touren, als er nach einem Jahr „Großstadtluft schnuppern“ bei Leffers in Bremen ins elterliche Geschäft in Holdorf zurückkehrt. Hier hatte er schon seine Ausbildung zum Textilkaufmann absolviert. Und fasst einen Plan: Er will ein Versandunternehmen aufbauen. „Für Wäsche gab es so etwas schon, das kam also nicht in Frage“, erinnert er sich. Selbst sportbegeistert und aktiver Fußballer, beschließt er, es mit Sportartikeln für Vereine zu versuchen. 1963 wird der erste Katalog gedruckt. Zwölf Seiten stark und mit einer Auflage von 8.000 Exemplaren. „Ich hatte 12.000 D-Mark gespart. Die habe ich darin investiert.“ Der Mut wird belohnt: Das Geschäft läuft gut an und wächst. Wie auch die Familie. Sohn Ralf und Tochter Karin erblicken das Licht der Welt.

„Wenn Sie mich nicht mehr beliefern wollen, dann mache ich es eben selbst. “

Hans Böckmann
© (C) foto:hoelzen

Vom Händler zum Produzenten

„Wenn wir unsere Eltern sehen wollten, sind wir mit dem Rad ins Geschäft gefahren“, berichtet Ralf Böckmann, heute Geschäftsführer. Zwischen Katalogversand, Beratung und Einkauf nehmen die Kinder früh auf, was den Erfolg ihres Vaters ausmacht. „Er ist Geschäftsmann durch und durch. Hat immer Augen und Ohren offen, wo sich neue Kundschaft finden könnte. Ständig hat er weitere Adressen für unsere Versandkartei mitgebracht.“ Der Schatz des Unternehmens. Mit einem Fußball als Geschenk konnte man damals viel erreichen, erzählt man sich. Bodenständigkeit, Serviceorientierung und Zuverlässigkeit zeichnen das Unternehmen bis heute aus. „Nun geht doch mal ran“, ist ein geflügeltes Wort im Büro. Denn wenn das Telefon allzu lang klingelt, wird Hans Böckmann nervös. „Bei anderen hat es auch immer so lange gedauert und die waren kurze Zeit später pleite“, hat er oft im Scherz gesagt.

„Wenn Sie mich nicht mehr beliefern wollen, dann mache ich es eben selbst.“ Mit diesem Satz wird Hans Böckmann vom Händler zum Produzenten. Es ist Mitte der 1960er Jahre, der Versand entwickelt sich gut. Wohl zu gut aus Sicht von Böckmanns Großhändlerin, denn er macht auch in ihrem Einzugsgebiet gute Geschäfte. Kurzerhand lässt er selbst nähen – die Eigenmarke „Finale Sport“ wird geboren. „Ich wusste ja, wo die Spezialisten für Garne, Färben und Näherei sind.“ Alle vier Wochen fährt er in die Schwäbische Alb, um seine Ware zu abholen. „Das waren mitunter abenteuerliche Touren, wenn im vollgepackten Wagen die Stoffbündel beim Bremsen in Bewegung gekommen sind“, erinnert sich Sohn Ralf. Das Konzept geht auf, braucht aber Feinschliff. Immer wieder fehlen Stücke, der Besteller muss weitere vier Wochen auf die Auslieferung warten. Böckmann lässt fortan seine Trikots in der Region nähen, durch Heimnäherinnen und Angestellte im Geschäft.

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(Fast) ohne Englisch in die Welt

In Korea könne man preisgünstig Trainingsanzüge einkaufen, hört Hans Böckmann in den Siebzigern. Das reizt den Geschäftsmann. Aber: 12.000 D-Mark kostet allein der Flug. Er riskiert es und reist fast ohne Englischkenntnisse oder Kontakte zur dortigen Messe. Der Beginn einer neuen Ära für Sport Böckmann. Er ordert direkt 1.000 Anzüge. „Die kosteten Stück 50 D-Mark. Mit der Entscheidung habe ich lange gerungen.“ Sie ist richtig, keine vier Monate später ist die Charge verkauft. Einen Reinfall gibt es aber auch. Ein Händler wich ihm nicht von der Seite, wollte sogar immer seine Tasche tragen. „Ich habe schließlich für 3.000 D-Mark Volleybälle bei ihm bestellt. Gesehen habe ich die nie. Das war der teuerste Begleiter in meinem ganzen Leben“, blickt der Senior schmunzelnd zurück.

Mit Sport Böckmann geht es stetig bergauf. Über 200.000 Kataloge und Prospekte werden in der Hochphase verschickt. Immer wieder muss neuer Platz her: als Lager, für die Verwaltung, den Verkauf. Die heutige Zentrale an der Dammer Straße in Holdorf beherbergt neben der Verwaltung und einem modernen Geschäft mit 1.300 Quadratmetern ein großes Versandzentrum. Für eine Expansion das Oldenburger Münsterland zu verlassen, stand nie zur Disposition. Hans Böckmann fühlt sich seiner Heimat verbunden, ist hier verwurzelt. Die unternehmerischen Bedingungen haben immer gestimmt. Die Lage direkt an der Autobahn A1 ist für das Online-Geschäft ideal.

Kaufmann durch und durch

Auch wenn das Geschäft seit Jahren den Sport im Namen trägt: Seine Wurzeln im Textilhandel hat Hans Böckmann nie vergessen. Sich sogar über die Jahre darin spezialisiert. Er nimmt erfolgreich an Ausschreibungen teil und versorgt Institutionen wie das Justizministerium mit unterschiedlichen Waren. „Ich habe vom Oberbett bis zur Unterhose geliefert. Ich hatte ja die Kontakte.“ Als er die Unternehmensleitung abgibt, widmet er sich diesem Geschäftszweig umso intensiver. Und stärkt damit dem Unternehmen für weitere Investitionen den Rücken.

Besonders in Erinnerung geblieben ist ein Auftrag der Polizei Sachsen-Anhalt: 12.000 Paar Turnschuhe und Sportanzüge sollten es sein. „Das war kurz nach der Wende“, berichtet Schwiegersohn Richard Zumloh, der heute mit Ralf Böckmann die Geschäfte führt. „Der Auftrag kam ganz unscheinbar per Postkarte. Und ich musste die Ware ausliefern.“ Rückblickend die Initialzündung für eine Ausweitung des Geschäfts mit Ausschreibungen. Und in den neuen Bundesländern. „Mit der Auflösung der DDR verschwanden auch die Kombinate, die dort die Sportkleidung hergestellt hatten. Übrigens auch für die damalige Bundesrepublik“, erklärt Hans Böckmann. „Ich habe mir 1.000 Kataloge eingepackt und bin losgefahren.“ Er stellt sich bei Vereinen und Kommunen vor, sammelt Kontakte und Adressen. Und das Geschäft brummt.

Herz für Sport und Ehrenamt

Sport begleitet Hans Böckmann auch in der Freizeit. Er spielt lange Fußball, Tennis, Golf. So kommt er früh zum Ehrenamt. „Das ergibt sich, man wird einfach irgendwann gefragt.“ Böckmann sitzt lange dem SV Holdorf vor, wird in den Gemeinderat gewählt, ist stellvertretender Bürgermeister. Über seine Stiftung fördert er den regionalen Sport und humanitäre Projekte.

Auch mit mehr als 80 Jahren fährt Hans Böckmann noch täglich ins Büro, oft auch am Wochenende. Inzwischen tritt er aus gesundheitlichen Gründen kürzer. Doch seine Art, unternehmerisch zu denken und handeln – bodenständig, sparsam, aber auch offen für Neues und mutig – bleibt tief in der DNA des von ihm gegründeten Unternehmens verankert.

© GERALD LAMPE