Unternehmen des Jahres 2022

Eine Erfolgsgeschichte auf zwei Rädern

10.11.2023

Aus der Garage auf den Weltmarkt: Diese typische Geschichte aus dem Oldenburger Münsterland schlägt ein weiteres Kapitel auf. Wobei die Garage in diesem Fall das Wohnhaus der Eltern in Cloppenburg ist. Als Unternehmen des Jahres 2022 wird Kalkhoff ausgezeichnet.

Wir schreiben das Jahr 1919, der Erste Weltkrieg ist gerade vorüber. Heinrich Kalkhoff ist als Postbote regelmäßig mit dem Fahrrad unterwegs. Die Wege sind häufig beschwerlich, viel zu oft verderben Reifenpannen dem 16-Jährigen den Tag. „Wenn es mir so ergeht, wird es bei anderen nicht anders sein“, denkt sich Heinrich und wittert ein Geschäft. Er beginnt mit dem Verkauf von Reifen und Ersatzteilen. Später fertigt er eigene Rahmen, dann – ab 1927 – auch ganze Fahrräder.

„Die Marke Kalkhoff hat ihre Wurzeln in Cloppenburg und bleibt mit ihrer Heimatregion, dem Oldenburger Münsterland, verbunden.”

Mirjam Van Coillie
© GERALD LAMPE

Wechselvolle Geschichte mit gutem Ende

In den 1950ern geht das Geschäft durch die Decke. In den Wirtschaftswunderjahren wird Deutschland zum Fahrradland. Die motorisierte, vierrädrige Konkurrenz rollt erst langsam heran. Auch Kalkhoff profitiert vom Boom. Zeitweise arbeiten 1.200 Mitarbeiter in der Fabrik und fertigen bis zu 5.000 Rahmen am Tag. In 32 verschiedene Länder werden die Fahrräder ausgeliefert, sogar im ostasiatischen Raum ist Kalkhoff mit Handarbeit „Made in Cloppenburg“ konkurrenzfähig.

1969 überträgt der Gründer die Geschäfte seinen drei Söhnen Karl, Berthold und Heinz. Das Unternehmen wächst weiter, auch nach dem Tod von Heinrich Kalkhoff drei Jahre später. 1988 erfolgt die Übernahme durch Derby Cycle. 2012 wird mit der niederländischen Pon Holding eine Vereinbarung über einen Zusammenschluss getroffen.

In der Folge treibt das Unternehmen vor allem die Entwicklung von hochwertigen E-Bikes voran. Dieser Markt wächst rasant, Jahr für Jahr werden neue Verkaufsrekorde aufgestellt. 2021 wird ein neuer Bestwert erreicht: Mehr als zwei Millionen Elektroräder rollen laut Zweirad-Industrie-Verbands (ZIV) bundesweit aus den Lagern. Und der ZIV erwartet für die Zukunft weitere Steigerungen. Die Reichweite ist längst kein beschränkender Faktor mehr. Außerdem werden E-Bikes immer leichter und sind damit auch in Städten gefragter denn je. Sie lassen sich bequem in Wohnungen oder Keller tragen und entsprechen auch vom Design her immer mehr den Ansprüchen urbaner Käufer.

Zurück zur Tradition, Aufbruch in die Zukunft

Gute Aussichten also für die Branche. Und gute Aussichten für Cloppenburg. Hier gibt es 2022 eine erneute Änderung: Derby Cycle kehrt zurück zum Traditionsnamen Kalkhoff. „Die Marke Kalkhoff hat ihre Wurzeln in Cloppenburg und bleibt mit ihrer Heimatregion, dem Oldenburger Münsterland, verbunden”, erklärt Mirjam Van Coillie, Geschäftsführerin von Kalkhoff.

Doch die Umbenennung ist nicht alles. Im Frühjahr 2022 wird im Emsteker ecopark das auf einer Fläche von etwa 50.000 Quadratmetern errichtete neue Kalkhoff-Werk seiner Bestimmung übergeben. 400.000 Fahrräder können hier in Zukunft pro Jahr gefertigt werden. Das Investment liegt bei mehr als 30 Millionen Euro. Über 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden an der Europa-Allee Beschäftigung.

„Mit dem neuen Werk setzen wir neue Akzente“, sagt Wolfgang Wildemann, Geschäftsführer von Kalkhoff. Es habe eine Transformation stattgefunden, inklusive einer Neuausrichtung der Arbeitswelt. So sind Produktion und Büro enger zusammengerückt. „Wir haben Rahmenbedingungen für eine gute Arbeitskultur und ein gelingendes Miteinander in Vielfalt geschaffen.“ Zudem habe man viel Wert auf Nachhaltigkeit gelegt. Eine 80-Kilowatt-Solaranlage soll installiert werden, ein großer Elektroladepark für E-Autos und E-Bikes ist bereits eingerichtet.

Erfolg mit typisch norddeutschen Werten

Der Standort Oldenburger Münsterland ist für Kalkhoff also gesetzt. Das Unternehmen ist längst einer der größten Arbeitgeber der Region. „Unsere Beschäftigten sind stolz, für ein traditionelles, lang eingeführtes Unternehmen zu arbeiten“, bestätigt Wolfgang Wildemann. Die Verbundenheit zeigt sich auch in einer Reihe von Kooperationen, beispielsweise mit der Cloppenburger Auftrags- und Lohnfertigung der Caritas. In den Werkstätten kümmern sich Mitarbeitende mit Einschränkungen seit Jahren etwa um das Kommissionieren und Verpacken von Bedienungsanleitungen. 

Mit der Auszeichnung als Unternehmen des Jahres werde deutlich, „dass all unsere Anstrengungen gewürdigt und getragen werden“, sagt Wildemann. Und Mirjam Van Coillie betont: „Unser starkes Fundament ist seit 1919 die tiefe Verwurzelung in der Region. Die typisch norddeutschen Werte im Oldenburger Münsterland sind auch unsere Werte: persönlich und authentisch, pragmatisch und geradlinig.“ Und sie fügt hinzu: “Mit unseren Werten sorgen wir für eine nachhaltige Zukunft mit und durch Radfahren.”