Innovationspreis des Oldenburger Münsterlandes 2023

Die Zukunft des flüssigen Steins

18.11.2024

Laut einem Bericht der UN ist der Bausektor verantwortlich für rund 37 Prozent der globalen CO₂-Emissionen. Mehr und mehr setzt sich in der Branche die Erkenntnis durch, dass dieser Wert gesenkt werden muss. Einen Weg dahin zeigt die VETRA Betonfertigteilwerke GmbH aus Essen (ein Unternehmen der HOLCIM Deutschland GmbH) auf, die jetzt mit dem Innovationspreis des Oldenburger Münsterlandes ausgezeichnet wird.

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Beton. Baustoff des 20. Jahrhunderts. Unverzichtbar im Hoch-, Tief- und Straßenbau. Keine Tunnel oder Autobahnbrücken, keine Staudämme oder Silos ohne das Gemisch aus Zement, Wasser und Gesteinskörnung. Beton ist langlebig und äußerst widerstandsfähig gegen äußere Einflüsse. „Und noch dazu wie flüssiger Stein form- und flexibel einsetzbar“, fügt Stefan Gramberg hinzu, der Geschäftsführer der VETRA GmbH.

Das Unternehmen ist auf die Herstellung und den Vertrieb individuell geplanter und qualitativ hochwertiger Betonfertigteile für den Industrie- und Hausbau sowie den Agrarbau spezialisiert. Es verfügt über Standorte im ostfriesischen Neermoor und in Essen im Landkreis Cloppenburg.

 

 

„Die Umstellung vom Stahl- zum Carbonbeton kann zum Gamechanger für das nachhaltige Bauen von morgen werden.“

Stefan Gramberg
© (C) foto:hoelzen

Vom Teil des Problems zum Teil der Lösung

In puncto Nachhaltigkeit hatte Beton bislang einen eher schweren Stand. Bei der Produktion eines Kubikmeters werden insgesamt rund 200 Kilogramm klimaschädliches Kohlendioxid freigesetzt. „Das kann so nicht bleiben“, sagt Stefan Gramberg. Tatsächlich hat sich die Baubranche längst Themen wie die CO2-Reduzierung, Wiederverwertung und Kreislaufwirtschaft auf ihren Aufgabenzetteln notiert. Innovationen sind willkommen. Die Vision: Beton soll nicht mehr länger Teil des Problems sein, sondern zum Teil der Lösung werden.

An diesem Ziel wird unter anderem in der hochmodernen VETRA-Fabrikationshalle in Essen gearbeitet. Nachdem man ein halbes Jahr zuvor vom Deutschen Institut für Bautechnik die erste allgemeine bauaufsichtliche Zulassung erhalten hatte, wurde hier im Sommer 2022 erstmals eine sogenannte „CPC 40 Platte“ in einer Größe von 7 Metern mal 60 Metern hergestellt. CPC steht für die „carbon prestressed concrete“-Technologie.

Firmenchef Gramberg spricht selbstbewusst von einem „Gamechanger für das nachhaltige Bauen von morgen“. Die Entwicklung fußt auf einer jahrelangen Zusammenarbeit mit einem Forschungsprojekt der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften und mutet revolutionär an: Statt wie sonst mit Stahl wird der Beton von CPC-Platten mit vorgespannten Carbonfasern verstärkt. Diese zeichnen sich durch eine hohe Zugfestigkeit und Korrosionsbeständigkeit aus.

Der Beginn einer neuen Ära in der Bauwelt

Anders als die klassischen Stahlgitter neigen die Kohlenstoffeinsätze nicht zum Rosten. Es ist also nicht nötig, sie durch mehrere Zentimeter dicke Betonschichten zu ummanteln. Das zahlt sich aus: Platten mit integrierten Carbonfasern sind lediglich vier bis sieben Zentimeter dünn. Nach dem herkömmlichen Verfahren fertiggestellte messen hingegen 25 Zentimeter und sind um ein Vielfaches schwerer.

Am Ende liegt die Materialeinsparung bei bemerkenswerten 80 Prozent. Der CO2-Fußabdruck verringert sich um etwa 75 Prozent. Und das alles, so haben ausgiebige Testreihen ergeben, ohne Einbußen bei der Leistungsfähigkeit. Weitere positive Effekte der CPC-Platten: Sie können wiederverwertet und vollständig neu geformt werden. Darüber hinaus lassen sich mehrere der millimetergenau vermessenen Platten zu einer größeren zusammenstecken. „Beinahe wie im Holzbau“, weiß Stefan Gramberg zu berichten.

Mit seiner Gamechanger-Aussage greift der Geschäftsführer nicht zu hoch. Renommierte Experten erwarten vom Wechsel vom Stahl- zum Carbonbeton nicht weniger als den Beginn einer neuen Ära in der Bauwelt. Sie haben erkannt: Die Vorteile sind unübersehbar. Und das Material hält, was es verspricht. Nachdem 2015 im schwäbischen Albstadt-Ebingen eine erste, damals noch in der Schweiz produzierte Carbonbeton-Brücke ihrer Bestimmung übergeben worden war, folgten zügig Bestellungen aus vielen europäischen Ländern sowie aus den USA, Kanada und Japan.

Weltweit einzigartige Serienfertigung in Essen

Bei VETRA in Essen laufen die Geschäfte sehr gut an. Zu Beginn des Jahres 2023 startete die weltweit bislang einzigartige Serienfertigung der CPC-Platten. „Wir ermöglichen eine exakte serielle Vorproduktion im Werk und eine einfache (De-)Montage vor Ort auf der Baustelle“, erklärt Stefan Gramberg. Das Potenzial, das in der neuen Methode liegt, habe das Unternehmen frühzeitig erkannt und wichtige Abteilungen von vornherein in den Entwicklungsprozess einbezogen. Neue hochspezialisierte Facharbeitsplätze konnten in der Region geschaffen und bestehende gesichert werden.

In der Schweiz wurde die Innovation in den vergangenen Jahren bereits ebenso ausgezeichnet wie auf der Weltleitmesse für Baumaschinen, der „bauma“ in München. Die Verleihung des Innovationspreises Oldenburger Münsterland macht das Team um Geschäftsführer Stefan Gramberg jedoch besonders stolz: „Es freut uns zu beweisen, dass die wirklich bedeutenden Innovationen nicht immer nur aus den Metropolen kommen, sondern auch aus dem ländlichen Raum hervorgehen können.“