Existenzgründer des Jahres 2019

Cathleen Cordes

Cathleen Cordes und ihr Unternehmen „Evergreen Food" setzen auf Algen als Nahrungsmittel der Zukunft. Der vom Verbund Oldenburger Münsterland verliehene Titel „Existenzgründerin des Jahres" ist der verdiente Lohn für Mut und Phantasie.

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Eine Einladung zu einem Inkubations-Pitch? Cathleen Cordes schaute sicherheitshalber ein zweites Mal auf das Schreiben, das ihr das Gründerzentrum der Technischen Universität Berlin ins Haus geschickt hatte. Worum geht es bitte? „Ich habe erstmal gegoogelt, was die von mir wollen", erinnert sie sich schmunzelnd.

Mittlerweile sind der 32-Jährigen die gängigsten Fachbegriffe aus dem Gründerlexikon bestens vertraut – auch wenn man damit in ihrer Heimat Vechta etwas sparsamer umgeht als im quirligen Berlin. Nach Abschluss ihres Studiums der Biotechnologie hatte sie dort im Sommer 2015 mit einer Freundin ihr Unternehmen „Evergreen Food" aus der Taufe gehoben und dabei durchaus vom Start-up-Humus der Hauptstadt profitiert. Sie heimste ein lukratives Gründungsstipendium ein, ergatterte jede Menge mediale Aufmerksamkeit und stemmte eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne.

238 Teilnehmer investierten binnen sechs Wochen exakt 17.714 Euro. Besonders gefallen hat Cathleen Cordes, dass beim Crowdfunding auch etliche Bekannte aus der Region mitgemacht haben. „Damit habe ich gar nicht gerechnet und umso mehr hat es mich gefreut." Regionale Verwurzelung zahlt sich aus.

Perlen als Superfood

Von Beginn an und in aller Konsequenz steht „Evergreen Food" für eine gesunde Ernährung und Landwirtschaft sowie die Hinwendung zu einem bewussteren Lebensstil. Bei der Frage nach der Ernährung der Zukunft setzt Cathleen Cordes auf Algen. Das Thema ist ihr und ihrer Familie nicht fremd. Schon Vater Rudolf Cordes hat jahrelang die Welt der oft mikroskopisch kleinen Wasserpflanzen erforscht. „Und ich war immer davon fasziniert."

An diese ersten Erfahrungen schließt sie an der Universität an und entwickelt die Algenperle. In einem Kügelchen stecken rund 16.000 Exemplare der besonders nahrhaften Chlorella vulgaris. Sie verfügt über einen hohen Anteil an wertvollem Vitamin B12 und Eisen und besteht bis zu zwei Dritteln aus reinen Proteinen. Damit ist sie um ein Vielfaches eiweißreicher als Fleisch, Fisch oder Eier. Fachleute ordnen sie in die Kategorie Superfood ein. Ein weiterer Vorteil: Sie wächst zehn bis dreißig Mal schneller als Landpflanzen.

Zurück zur Gründungsphase: Für Start-ups sei Berlin ein toller Ort, sagt Cathleen Cordes im Rückblick. „Querdenker haben dort wirklich viele Möglichkeiten, und es ist nicht ungewöhnlich zu gründen." Sie selbst habe aber die Verbindung zum Oldenburger Münsterland halten wollen und das Zusammenspiel der Hauptstadt auf der einen und Vechta auf der anderen Seite als „super Kombination" empfunden. Unterschiede gebe es aber auch, zum Beispiel diesen: Im ländlichen Raum zu gründen, gehe deutlich schneller. „Man kennt sich, die Wege sind kürzer und direkter."

Rückhalt, Inspiration, Teamwork

Dennoch habe sie sich selbstverständlich eine Zeitlang gefragt, ob sie tatsächlich ein Unternehmertyp sei, räumt Cathleen Cordes freimütig ein. „Will ich selbst meine Ideen umsetzen? Habe ich die Kraft, den Mut und das Durchhaltevermögen dafür?" Ihr Vater sei ihr bei den Überlegungen Vorbild gewesen, fügt sie hinzu. So habe sie letztlich alle Fragen mit „Ja!" beantworten können.

Überhaupt die Familie: „Sie gibt mir Rückhalt und Inspiration." Und sie ist wichtiger Teil der Philosophie von „Evergreen Food". Vater Rudolf hat die Systeme zur Kultivierung der Chlorella- und der ebenfalls proteinreichen Spirulina-Alge entwickelt. Zudem berät er das Unternehmen wo immer es möglich ist.

Ebenfalls zum Team zählt Schwester Caroline Cordes (34). Als Gartenbauingenieurin ist sie verantwortlich für die Kultivierung und Ernte der Pflanzen. „Und sie ist in allen Fragen eine großartige Sparringspartnerin für mich", sagt Cathleen. Sie selbst kümmert sich um Marketing und Vertrieb und ist das Gesicht der Firma. Aber kein Zweifel: Teamwork wird im Betriebsalltag sehr groß geschrieben. Zusammenhalt zählt.

Bezug zu regionalen Produkten

Cathleen Cordes will das in sie und ihre Idee gesetzte Vertrauen zurückzahlen. Sie hat große Pläne. Auf der Familienfarm in Regente und bei einer Reihe von Vertragspartnern in der Region läuft die Produktion der Mikroalgen auf Hochtouren – und das unter ökologischen Bedingungen. Die Pflanzen werden unter dem Markennamen „Lüttge" zu Pulver sowie zu vitaminhaltigen Algenkapseln verarbeitet.

Grünkohl und eine alte Wildkohlform erweitern als eigene Züchtung die Angebotspalette. Nach der Ernte werden die jungen Blattsprossen schonend getrocknet und zu Pulver vermahlen.

Bleibt die Frage nach der Zukunft. Sie wolle etwas bewegen und die Zukunft mitgestalten, sagt Cathleen Cordes über ihre persönliche Motivation. Das Unternehmen soll ausgebaut und weiterentwickelt, das Bewusstsein dafür, was die Natur alles bereithalte, wieder geschärft werden. „Wir haben das leider in der Vergangenheit verloren, genau wie den Bezug zu unseren regionalen Produkten." Das möchte sie ändern – auch wenn es dauern kann, wie sie weiß. Aus diesem Grund freut sie sich immer, wenn sich Gäste von Verkostungen ihrer Algenprodukte trauen, davon zu probieren. „Und es hat bisher immer geschmeckt."