Herz-Lungen-Wiederbelebung – die meisten Menschen lernen diese Technik beim Erste-Hilfe-Kurs für den Führerschein. Doch Hand aufs Herz: Wüssten Sie in diesem Moment sofort, was zu tun ist? Klar, Google ist schnell. Aber wenn ein Notfall eintritt, sollte das nicht der erste Schritt sein. Wünschenswert wäre, den Kurs regelmäßig zu wiederholen. Solange das nicht Standard ist, sind Initiativen wie das Projekt ERLEBEN überlebenswichtig. Das Ziel: Die Überlebensrate nach Herzstillstand von derzeit acht bis zehn Prozent auf 40 zu erhöhen. Der Weg: eine Stärkung der gesamten Rettungskette. Und vor allem eine Verlängerung.
Nach Alarmierung der Rettungsleitstelle werden über eine App qualifizierte Ersthelfer:innen in der Nähe identifiziert und hinzugerufen. Sie beginnen schnellstmöglich – noch vor Eintreffen der Rettungsdienste – mit der Herz-Lungen-Wiederbelebung. Gerade im ländlichen Bereich kann solch ein Zeitvorsprung die Chance einer erfolgreichen Reanimation deutlich erhöhen. Und dazu beitragen, dass möglichst geringe neurologische Beeinträchtigungen durch den Sauerstoffmangel im Gehirn verbleiben.
Die Rettungskette stärken
„Den Impuls zu dem Projekt brachten Abgesandte unseres Landkreises schon 2014 von einem Kongress aus Italien mit. Dort ging es darum, wie die gesamte Rettungskette, von der Alarmierung bis zur Weiterbehandlung in Krankenhaus, gestärkt werden kann“, erklärt Mechtild Vornhusen-Habe vom Landkreis Vechta. Bei ihr laufen alle Fäden der regionsübergreifenden Initiative zusammen. „Wir haben dann analysiert, an welchen Stellen wir bei uns in Deutschland ansetzen können, und konnten damit eine Förderung einwerben. Dazu hat sicher auch beigetragen, dass neben dem Landkreis Vechta, der eine eigene Einsatzleitstelle unterhält, das gesamte Gebiet der Großleitstelle Oldenburger Land mitmacht.“ Zum Projektgebiet gehören also auch die Landkreise Cloppenburg, Ammerland, Oldenburg und Wesermarsch sowie die kreisfreien Städte Delmenhorst und Oldenburg.
Seit der Kick-off-Veranstaltung im Jahr 2015 haben sie gemeinsam viel erreicht. Die erste Förderphase lief so überzeugend, dass es eine Verlängerung gab. Und seit kurzem eine eigene Koordinierungsstelle, denn das Potenzial ist noch groß.
„Im ersten Schritt haben wir Angehörige der Rettungsdienste dazu motiviert, sich in unserer App als Ersthelfende registrieren zu lassen. Danach sind wir an Laien herangetreten, zum Beispiel über Social-Media-Kampagnen, aber auch über Ansprachen in Erste-Hilfe-Kursen.“ Mit Erfolg: Über die ersten beiden Förderperioden wurden über die App bei 3.488 Alarmierungen stolze 1.943 Einsätze ausgelöst – Tendenz steigend. „Unser Wunsch ist, die Zahl der eingetragenen Ersthelfenden zu verdoppeln, damit wir auf eine Einsatzquote von 80 bis 90 Prozent kommen“, berichtet Mechtild Vornhusen-Habe. Auch an anderer Stelle gab es Verbesserungen. Das Personal der Einsatzleitstelle Landkreis Vechta und der Großleitstelle etwa wurde speziell geschult, um nach standardisierten Abläufen Laien per Telefon noch besser bei der Wiederbelebung anleiten zu können, bis Hilfe eintrifft.
In den Gesundheitsregionen vernetzt
Ermöglicht wurde die Förderung im Rahmen des Projekts „Gesundheitsregionen Niedersachsen“. Seit 2014 unterstützt die Landesregierung gemeinsam mit weiteren Partnern ausgezeichnete Landkreise und kreisfreien Städte bei der Gestaltung des regionalen Gesundheitswesens, um die wohnortnahe Gesundheitsversorgung individuell zu verbessern.
Die Landkreise Cloppenburg und Vechta sind seit Beginn dabei. „Wir sind grundsätzlich selbstständig in unseren Aktivitäten, arbeiten aber auch immer wieder zusammen“, erklärt Dunja Grützner, zuständig für die Gesundheitsregion Vechta. „Die Ausstattung unserer Hebammen mit Tablets und die Förderung von Meisen-Nistkästen als Mittel gegen den giftigen Eichenprozessionsspinner waren zum Beispiel Vechtaer Projekte. Das Projekt ERLEBEN und die Initiativen zur Stärkung der Pflegeausbildung (internen Link zum Artikel Perspektive: Pflege! einbauen) sind wir gemeinsam und auch regionsübergreifend angegangen.“ Christoph Essing, zuständig für die Gesundheitsregion Cloppenburg ergänzt: „Wir decken sehr große Themenbreiten ab, von der Prävention im Kindergarten, über Digitalisierungsprojekte im Gesundheitswesen bis zum Hospiz- und Palliativ-Netzwerk oder dem Demenznetzwerk. Diese Vielfalt ist schön und jeden Tag kommt was Neues rein. Aber es ist auch ein hoher Arbeitsaufwand. Ich bin froh, dass wir für das Projekt ERLEBEN eine zusätzliche geförderte Stelle über die Richtlinie der Gesundheitsregionen Niedersachsen schaffen konnten.“
Ersthelfer:in werden
Eine Hauptaufgabe der neuen Koordinierungsstelle ist es, neue Ersthelfende zu motivieren und den bestehenden Pool zu binden. Durch das Sichtbarmachen der bisherigen Erfolge, aber auch durch Ansprache von Schulen oder Sportvereinen. Zusätzlich soll eine psychosoziale Notfallversorgung etabliert werden, die bei der Nachbereitung von Einsätzen hilft.
Registrieren lassen kann sich jede Person, deren Erste-Hilfe-Kurs nicht länger als ein Jahr zurückliegt. Nach zwei Jahren wird automatisch an eine Auffrischung erinnert. Wer sich in der App als „verfügbar“ meldet, wird im Falle eines Herzstillstands in der näheren Umgebung durch die Leitstelle alarmiert. Die drei Ersthelfenden, die sich am dichtesten am Einsatzort befinden, werden entsandt und teilen sich folgende Aufgaben: Herzdruckmassage, gegebenenfalls einen Defibrillator bringen und bei der Erstversorgung unterstützen. Sobald der Rettungsdienst eintrifft, übernimmt er die Versorgung. „Je schneller qualifizierte Hilfe eintrifft, desto besser die Aussichten nicht nur zu überleben, sondern auch keine zu großen dauerhaften Schäden davonzutragen“, fasst Mechtild Vornhusen-Habe zusammen. Und appelliert: „Lassen Sie sich bei uns registrieren und das Sicherheitsnetz gemeinsam dichter stricken.“
Mehr Informationen zum Projekt:
www.projekt-erleben.de
Bei Fragen hilft Jan Berens von der „Koordinierungsstelle Projekt Erleben – Weiterentwicklung“ weiter: koordinierungsstelle@projekt-erleben.de
Informationen zu den Gesundheitsregionen gibt es direkt bei den Landkreisen:
www.gesundheitsregion-vechta.de
www.gesundheitsregion-clp.de