Julia Kieselhorst und Michael Fabich

Den Kapitalbedarf nicht aus dem Blick verlieren!

03.11.2025

Vor rund drei Jahren gründeten Julia Kieselhorst und Michael Fabich die Solcina Food GmbH und brachten Kochbananen-Chips in den Handel. Jetzt wollten sie mit einem zweiten Start-up erneut loslegen, haben das Projekt aber erst einmal „geparkt“, wie sie sagen. Was können andere Gründungen aus ihren Überlegungen lernen?

Julia und Michael, was sind eure wichtigsten Erfahrungen aus eurer ersten Gründung?

Julia Kieselhorst: Wir haben bei Solcina ganz schnell gemerkt, dass es wichtig ist, immer Vollgas zu geben. Ruhephasen sind selten. Und wir haben ein Netzwerk aufgebaut, von dem wir stark profitieren.

Michael Fabich: Ich würde sagen, dass unsere Gründungsphase noch nicht vorbei ist. Wir machen auch heute immer noch neue, wichtige Erfahrungen – ganz logisch, denn das Starten umfasst enorm viele Bereiche wie etwa Marketing, Vertrieb, Controlling, Produktentwicklung. Die konnten wir mit unserem Know-how gar nicht alle abdecken. Zudem gibt es bürokratische Hürden, die man neben dem Kerngeschäft stemmen muss. Da darf man nicht den Mut und seinen Optimismus verlieren.

Kieselhorst: Richtig. Ich sehe bei uns eine starke persönliche Entwicklung. Man muss sich in sehr viele Themen hineinarbeiten und dazulernen – parallel vom Alltagsgeschäft. Aber es macht Spaß!

 

Ihr habt zuletzt über eine weitere Gründung nachgedacht, sie jetzt aber zurückgestellt. Worum ging es überhaupt?

Kieselhorst: Kurz gesagt um funktionales Wassereis. Also ein Eis, das Elektrolyte liefert – zum Beispiel nach sportlichen Belastungen oder im Sommer auf Festivals. Das ist die Idee. Ich bin ja Fitnesstrainerin und Physiotherapeutin und laufe sehr viel, bis hin zu Marathons. Eis habe ich immer gern gegessen. Irgendwann habe ich mich gefragt, wie es wohl wäre, wenn es auch funktionales Eis gäbe – gerade nach intensiven Läufen im Sommer. Daraus ist die Idee für das neue Produkt entstanden.

Fabich: Wir sind weiterhin davon überzeugt. Aber wir haben nach intensiven Berechnungen festgestellt, dass der Kapitalbedarf doch um einiges höher ist als zunächst angenommen. Zudem haben wir erfahren, ein großer internationaler Handelskonzern plant ebenfalls den Launch eines solchen Produkts. Damit hat sich die Ausgangslage verändert.

Kieselhorst: Das zeigt, der Markt ist vorhanden, unsere Umfragen bestätigen das ja auch. Andererseits müsste unser Marketingbudget schon wesentlich höher ausfallen, wenn wir mit einer internationalen Konkurrenz mithalten wollen.

„Wir haben rechtzeitig gemerkt, wozu wir selbst imstande sind und wo an unserer Idee nachgebessert werden muss. Das sehen wir als etwas sehr Positives an.“ Julia Kieselhorst

 

Ihr lasst euch vom Team des GO! Accelerators in Oldenburg beraten. Was sagt man dort zu eurer Entscheidung?

Kieselhorst: Wir finden es ganz wichtig, dass mit kritischen Augen auf Gründungspläne geschaut wird. Aber in diesem Fall haben wir die Entscheidung ganz allein getroffen. Das Feedback war jedoch eindeutig: Richtig so! Das Risiko wäre unter den jetzigen Bedingungen zu groß.

Fabich: Das ist auch ein Learning aus der Solcina-Gründung: Man muss von Beginn an den Kapitalbedarf und die finanziellen Spielräume im Blick behalten und darf das nicht unterschätzen.

Kieselhorst: Anfangs denkt man oft, dass frisches Geld sofort in Verbesserungen – etwa an der Website – fließen sollte. Nein. Man wird schnell verleitet, in Dinge zu investieren, die vielleicht nicht nötig sind. Da muss man Prioritäten setzen und darf sich nicht verzetteln.

 

Wertet ihr das „Parken“ als Scheitern?

Kieselhorst: Nein, gar nicht. Es ist genau andersrum: Wir haben rechtzeitig gemerkt, wozu wir selbst imstande sind und wo an unserer Idee nachgebessert werden muss. Das sehen wir als etwas sehr Positives an.

 

Und jetzt gilt eure volle Konzentration erst einmal wieder Solcina?

Fabich: In jedem Fall. Wir sind noch einmal in die Produktentwicklung eingestiegen und haben neue Geschmacksrichtungen am Start. Zudem sind wir auf Investorensuche. Um die Chips großflächig anbieten zu können, ist das unbedingt notwendig.

 

Habt ihr eigentlich eine Exit-Strategie? Würdet ihr eure Unternehmen verkaufen, wenn ein attraktives Angebot käme?

Fabich: Im Food-Bereich gibt es wirklich große Player. Obwohl unsere Gründungen Herzensangelegenheiten sind, können wir nicht sagen, ob wir ein reizvolles Angebot ausschlagen würden. Das wäre naiv.

Kieselhorst: „Exit“ klingt oft nach wenig Leidenschaft, doch das ist nicht der Fall. Ein renommierter Player kann ein tolles Produkt manchmal schneller groß machen. Vor der ersten Gründung hätte ich das nie gesagt, aber heute weiß ich: Ein Exit ist kein Tabu. Auch diese Einsicht gehört zu unserer Entwicklung.