Eine lange Geschichte
Wie bei vielen Bräuchen und Traditionen ist auch beim Tunscheren nicht ganz klar, wie und wann die Idee entstanden ist. Der Brauch ist wahrscheinlich seit dem 11. Jahrhundert überliefert. Ihm wird sogar nachgesagt, aus der Zeit der Germanen zu stammen. Als sogenannte „Tunschare“ wurden damals Bewohner:innen eines Dorfes bezeichnet, die ein eigenes Haus an den Zäunen eines Hofes besaßen. In diesem Zusammenhang bedeutet „Tuun“ also „Zaun“. Die „Tuun-Scharen“ brachten damals den Hofbesitzer:innen, also dem Herrenhaus, Holzgestecke als Zeichen der Verbundenheit. Gleichzeitig soll der Begriff „Tuunschere“ auf das saterländische Wort für „abschaben“ zurückzuführen sein, was sich auf die abgeschabten Holzlocken, die eine Tunschere verzieren, bezieht. Der Begriff Wärperraut hingegen ist wahrscheinlich auf das verwendete Holz des Wegedorns zurückzuführen.
Ein Liebesbeweis
Der Tunscherenbrauch hat sich im Laufe der Zeit stets weiterentwickelt. Während heute eher die Pflege von nachbarschaftlichen Beziehungen und Freundschaften im Fokus steht, war es auch lange üblich, mit einer Tunschere das Interesse für eine Verlobung auszudrücken.
Im Hümmlinger Heimatbuch wird die Geschichte von Gerd und Trina erzählt: „Er nimmt die feinste Tunschere aus dem Schranke und eilt durch die kalte Abendluft zum Hause der Erwählten. Leise öffnet er die Tür, stellt die Tunschere auf einen Stuhl und verschwindet wieder. Alles stürmt ihm nach, um den "Eindringling" zu erhaschen. Er wird erwischt – eben dieses will er – und im Triumph in die beste Stube geführt. Nun wird gegessen und getrunken bis in die Nacht hinein.“ So entwickelten sich Tunscheren zwischenzeitlich zum Statussymbol für junge Frauen. Wer am meisten davon erhielt, war am beliebtesten.
So individuell wie die Tunscheren gestaltet sind, ist auch die Art und Weise, wie die Tradition vollzogen wird. Ein Schnaps zwischen Freund:innen, ein gemeinsames Festessen oder gar ein Heiratsantrag – die Möglichkeiten sind vielfältig. In jedem Fall geht es aber um eine gute Zeit mit den Liebsten. Heute wird der Brauch nur noch von einigen Wenigen weitergeführt. Liest man aber die Geschichten über den Spaß am Schenken, über das gegenseitige Necken und über den Ausdruck der Zuneigung stellt sich die Frage: Ist es an der Zeit, das Tunscheren wiederzubeleben?