Ausbildungssituation

Die Betriebe wollen weiter ausbilden!

Eine Ausbildung im Handwerk ist weiterhin eine mehr als solide Grundlage für die berufliche Laufbahn. Trotzdem können im Oldenburger Münsterland – wie in anderen Regionen auch – nicht alle angebotenen Ausbildungsstellen besetzt werden. Markus Nacke und Dr. Michael Hoffschroer von den Kreishandwerkerschaften Vechta und Cloppenburg erläutern die Folgen.

Herr Nacke, Herr Dr. Hoffschroer, wie stellt sich die Ausbildungsplatzsituation im Bereich der Kreishandwerkerschaften Vechta und Cloppenburg zurzeit dar?

Markus Nacke: In Vechta wurden 2021 insgesamt 441 Lehrverträge abgeschlossen 13 weniger als 2020. Allerdings gab es eine gute Steigerung der Lehrverträge im Bau- und Ausbaugewerbe. 2020 waren hier noch 110 Auszubildende im Landkreis Vechta beschäftigt, 2021 waren es bereits 140. Bei den Ausbildungsberufen Kfz-Mechatroniker:in, Metallbauer:in, Feinwerkmechaniker:in und Maler:in sind die Zahlen zurückgegangen. Ich möchte betonen, dass die Ausbildungsbereitschaft der Handwerksbetriebe in Landkreis Vechta weiterhin sehr groß ist. Es bleiben leider sehr viele Ausbildungsplätze unbesetzt. Bei unserer letzten Umfrage konnten über 80 Ausbildungsplätze im Handwerk in Vechta nicht besetzt werden. Auszubildende zu finden, stellt Handwerksbetriebe auch aufgrund von Corona und den erschwerten Zugang zu Jugendlichen vor große Herausforderungen.

Dr. Michael Hoffschroer: Der Ausbildungsmarkt im Bezirk der Kreishandwerkerschaft Cloppenburg hat sich im Vergleich zu 2020 von den Auswirkungen der Pandemie erholt. Cloppenburg kann zum Jahresende ein Plus von rund vier Prozent (insgesamt 554 Ausbildungsverträge) gegenüber dem Jahr 2020 (533) für das Handwerk verzeichnen. Dennoch verzeichnen wir aktuell noch ein Minus von rund vier Prozent (575 Verträge) zum Vor-Corona-Jahr 2019. Der Bereich der Kreishandwerkerschaft Cloppenburg bleibt auch in diesem Jahr mit rund 21 Prozent aller abgeschlossenen Berufsausbildungsverträgen der ausbildungsstärkste Landkreis im Kammerbezirk Oldenburg.

„Handwerk ist abwechslungsreich und vielseitig und hält das Land am Laufen."
Dr. Michael Hoffschroer

Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

Dr. Hoffschroer: Der Landkreis Cloppenburg ist nicht nur eine starke Ausbildungs-, sondern auch eine starke Handwerkerregion. Daher freuen wir uns sehr, dass sich der Ausbildungsmarkt langsam nach den starken Auswirkungen der Pandemie erholt und die jungen Nachwuchskräfte erkennen, dass das Handwerk auch heute noch goldenen Boden und eine große Bedeutung für das alltägliche Leben hat. Trotz allem bereitet uns die Anzahl der Ausbildungsplätze, die auch in diesem Jahr nicht besetzt werden konnten, noch immer große Sorge.

Zwei für das Handwerk Dr. Michael Hoffschroer (links) und Markus Nacke leiten die beiden Kreishandwerkerschaften im Oldenburger Münsterland.

In welchen Bereichen bleiben Ausbildungsplätze vor allem unbesetzt? Woran liegt das?

Nacke: In allen Gewerken bleiben Ausbildungsplätze unbesetzt. Die Gründe sind vielfältig. Viele Eltern wollen, dass Ihre Kinder studieren. Aber auch die Jugendlichen sind teilweise nicht gut genug über die Karrieremöglichkeiten, das Arbeitsumfeld und den Verdienst im Handwerk informiert. Viele Eltern und Jugendliche wissen nicht, dass sie mit Bestehen der Ausbildung im Handwerk den Realschulabschluss bzw. den erweiterten Realschulabschluss erwerben. Nach der Gesellenprüfung kann man den Meister machen oder ein Fachgymnasium oder allgemeines Gymnasium besuchen. Der Meister ist übrigens dem Bachelor gleichgestellt. Und viele Eltern und Jugendliche wissen nichts über den Verdienst im Handwerk. So verdienen Meister nicht weniger als Hochschulabsolventen.

Dr. Hoffschroer: Auch in unserem Bereich bleiben zahlreiche Ausbildungsplätze unbesetzt. Dies liegt zum einen an der teils großen Verunsicherung durch die Auswirkungen der Pandemie und zum anderen am Ungleichgewicht zwischen angebotenen Ausbildungsstellen und den Wünschen und Vorstellungen der Ausbildungssuchenden. Man muss sagen, dass der Fachkräftemangel überall enorm zu spüren ist und die Unternehmen an Ihr Leistungsmaximum bringt. Durch die Entwicklung der Ausbildungszahlen wird sich diese extreme Lage fortlaufend weiter verschlechtern. Die Handwerksbetriebe der Region sind trotz Verunsicherung durch die Pandemie dennoch gewillt, Fachkräfte auszubilden. Viele Unternehmen haben Ihre Anzahl an Ausbildungsstellen erhalten oder sogar erhöht. Dem Markt fehlt es nicht an freien Ausbildungsplätzen, sondern an jungen Bewerbern.

„Die Zukunftsaussichten sind in den meisten handwerklichen Berufen hervorragend."
Markus Nacke

Was spricht für eine Ausbildung im Handwerk?

Nacke: Die Zukunftsaussichten sind in den meisten handwerklichen Berufen hervorragend. Die Energiewende wird nur mit dem Handwerk möglich sein. Viele Tätigkeiten können nicht automatisiert werden. Handwerker werden in Zukunft noch besser verdienen als jetzt. Die Karrieremöglichkeiten sind riesig. Sehr viele Handwerksbetriebe haben keine:n Nachfolger:in, sie werden dringend gesucht. Außerdem ist das Arbeiten in einem Handwerksbetrieb sehr familiär.

Welche Argumente können Sie vorbringen, Herr Dr. Hoffschroer?

Dr. Hoffschroer: Handwerk ist abwechslungsreich und vielseitig und hält das Land am Laufen. Und das Handwerk ist Deutschlands Ausbilder Nummer 1. Fast 30 Prozent aller Auszubildenden legen Ihren Grundstein für die berufliche Bildung mit einer fundierten Ausbildung in einem der über 130 Ausbildungsberufe. Zu sehen, was man tagsüber leistet, macht stolz und zufrieden. 91 Prozent der Handwerker:innen sind stolz auf ihren Beruf und ihre Leistung, bestätigt eine Studie der Universität Göttingen. Die Ausbildung im Handwerk ist natürlich keine Garantie gegen Arbeitslosigkeit. Aber sie bietet ein gutes Stück Sicherheit. Gerade mit erfolgreichen Weiterbildungen gibt es zahlreiche Berufs- und Karrierechancen, so dass etwa Handwerksmeister:innen seltener arbeitslos sind als Akademiker:innen. Nebenbei: Studieren geht auch im Handwerk. Duale Studiengänge verbinden eine Ausbildung mit einem Studium oder können nach der Ausbildung berufsbegleitend absolviert werden.