Gärten

Ausgezeichnet klimafreundlich

Egal ob einpflanzen, umgraben, oder einfach nur Füße und ­Seele baumeln lassen: Der Garten ist die Wohlfühloase der Deutschen.

Egal ob einpflanzen, umgraben, oder einfach nur Füße und ­Seele baumeln lassen: Der Garten ist die Wohlfühloase der Deutschen. Von März bis ­Oktober verbringen wir dort durchschnittlich elf Stunden pro Woche. Und greifen ­dafür gern tief in die Tasche: Sage und schreibe 15,4 Milliarden Euro im Jahr geben ­private Garten- und Balkonbesitzer in Deutschland für Pflanzen, Gartengeräte und Grills aus.

Auch im Oldenburger Münsterland gibt es jede Menge Gartenliebhaber. Zum ­Beispiel Maria und Johannes Reiners aus ­Neuscharrel. Heimische Pflanzen und viele Sorten an ­Bodendeckern machen aus ihrem rund 6.000 Quadratmeter großen Grundstück ein echtes Insektenparadies. Fast das ganze Jahr über blüht es. In den Ecken wachsen Brennnesseln. Schmetterlinge vermehren sich hier besonders gern.

„Ein gesundes Ökosystem im Garten ist das Wichtigste fürs Klima!"

Familie Reiners hat am Wettbewerb „Klima­freundliche Gärten und Balkone im ­Oldenburger Münsterland" teilgenommen. Er gehört zum TeRRIFICA-Projekt der Forschungsinitiative „Horizon Europe" der Europäischen Union. Die EU hat erkannt, dass der Klima­wandel die größte Herausforderung ­unserer Zeit ist. TeRRIFICA („Territorial Responsible ­Research and Innovation fostering Inno­vative Climate Change Action") soll Menschen und Behörden anregen, auf lokaler Ebene Lösungen für Klimaprobleme zu suchen. Pilotregion in Deutschland ist das Oldenburger Münsterland. Workshops, Schulungen und Aktivitäten ermöglichen, das eigene Klimawissen zu erweitern.

Auf einem der Workshops wurde das ­Thema Garten- und Balkongestaltung als relevant für die Region identifiziert und zur Grundlage eines Wettbewerbs gemacht. Die pensionierte Lehrerin Maria Reiners hatte gleich eine Idee für ihre Bewerbung: „In unserem Garten steht eine kleine Hummel-Keramikfigur. Ich habe eine Geschichte aus der Perspektive der Hummel geschrieben und ihren Flug durch den Garten mit Fotos ergänzt." Das gefiel der Jury, die den Garten in Neuscharrel als einen von sechs Gewinnern auszeichnete.

Genauso erging es Dagmar und Klaus-­Peter Maas aus Goldenstedt. Den Anstoß zur Bewerbung gab ihre Tochter. Für sie und die Enkel ist der Garten ein „echtes Paradies". Lieblingsplatz ist der Strandkorb am Gartenteich, in dem Hortensien-Liebhaberin Dagmar Maas dem plätschernden Springbrunnen lauscht und die Aussicht auf das farbenfroh leuchtende Blütenmeer aus selten gewordenen Feld- und Wiesenpflanzen genießt. Kornblumen, Margeriten, Ringelblumen und Mohnblumen dürfen sich frei und naturnah vermehren, ganz nach dem Motto „Lass' man blühen". An die Tierwelt denkt das Ehepaar zudem mit vielen Nistkästen und Trink- und Badestellen.

ZWITSCHERND Auch für die tierischen Gartenbewohner will gesorgt sein.


Der Wettbewerb möchte anhand von ­Beispielen aufzeigen, was Gartenfreunde auch im Kleinen tun können, um den Klimaschutz voranzubringen. „So wollen wir andere motivieren, sich ebenfalls zu engagieren", sagt Hannah Hoff, die Koordinatorin des TeRRIFICA-Projekts an der Universität Vechta. „Der Wettbewerb zeigt, dass jede und jeder direkt vor der eigenen Haustür für das Klima aktiv werden kann." Manche Bereiche seien aber noch ausbau­fähig: „In den eingereichten Beiträgen wurde zum Beispiel wenig Bezug auf erneuerbare ­Energien genommen. Da besteht auf jeden Fall noch Entwicklungspotenzial."

17 Millionen Gärten: Deutschland ist Spitzenreiter in Europa.

Intensiv Gedanken gemacht hat sich auch Sebastian Ostermann aus Steinfeld. Er rät dazu, für die Gartengestaltung „möglichst viele verschiedene und vor allem einheimische Pflanzen zu kaufen". Wer sich da noch nicht gut genug auskennt, findet im Internet mit Suchbegriffen wie „Naturgarten" oder „Wildgarten" schnell Information und Inspiration. Preisträger Christian Behnen aus Bakum gibt zudem den Hinweis, nichts zu überstürzen. „Man muss nicht sofort den gesamten Garten umkrempeln." Es reiche, erstmal mit einem kleinen Bereich anzufangen. Zehn leere Quadratmeter sind mit heimischer Blütensaat schnell in eine wilde Wiese verwandelt.

Hannah Hoffs Wettbewerbsbilanz fällt ­alles in allem positiv aus. „Wir haben ­viele ­positive Rückmeldungen zu der Aktion bekommen, oft mit dem Hinweis, dass man schon länger auf eine solche Möglichkeit gewartet hat. Das zeigt das große Interesse, die eigenen Ideen und Erfahrungen mit anderen zu teilen." Im Frühjahr 2021 geht deshalb die Aktionsreihe „Klimafreundliche Gartengestaltung im Olden­burger Münsterland" in die zweite Runde. Alle Einwohnerinnen und Einwohner sind aufgerufen, ihre Gärten biodivers, naturnah und ­klimafreundlich umzugestalten.

Dazu wünschen Dagmar und Klaus-Peter Maas Gartenfans im Oldenburger Münsterland vor allem eines: Mut zur Unordnung. Man ­solle sich von geraden Linien verabschieden und auch unerwünschte Pflanzen, wie Klee oder Löwenzahn, zulassen. „Es sieht vielleicht nicht so ordentlich aus, wenn da gelbe, weiße und rosa Flecken auf dem Grün schimmern, das ist aber vor allem für Hummeln und Bienen wichtig", sagt das Ehepaar. „An den vielen Insekten sieht man aber, dass der Garten ein gesundes Ökosystem darstellt. Das ist unserer Meinung nach das Wichtigste für das Klima."

SUMMEND Heimische Blütensaat sorgt für Insektenvielfalt im Garten.

Klimatische Hotspots

Die Bevölkerung im ­Oldenburger Münsterland nimmt weiter zu, ganz im Gegensatz zu vielen anderen ländlichen Regionen. Schon heute werden fast 70 Prozent der Fläche für die Produktion, die Verarbeitung und den Vertrieb von Lebensmitteln und landwirtschaftlichen Produkten genutzt. ­TeRRIFICA beobachtet die dadurch ­entstehenden klimatischen Veränderungen. Dafür braucht das Projekt die ­Unterstützung der Menschen vor Ort: Auf einem inter­aktiven Crowd­mapping-Tool kann jeder und jede seine und ihre Erfahrungen mit ­Extremwetterereignissen in eine Karte eintragen und ­helfen, klimatische Hotspots zu identifizieren. Das geht ­unter klimakarte.terrifica.eu.